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Montag, 21. September 2015

Rezension zu "Young World - Die Clans von New York" von Chris Weitz




Postapokalyptische Teenager-Welt

"Young World - Die Clans von New York" ist der Debütroman des US-amerikanischen Drehbuchautoren, Produzenten und Regisseurs Chris Weitz, der sich unter anderem für die Verfilmung des zweiten "Twilight"-Bandes, "New Moon", verantwortlich zeichnet. Mit diesem Auftakt einer Trilogie, der vom Verlag ab einem Alter von 14 Jahren empfohlen wird, widmet sich Weitz einem postapokalyptischen Szenario vor der beeindruckenden Kulisse eines im Chaos versunkenen New Yorks. 

Inhalt: Rund ein Jahr ist vergangen, seit eine Seuche alle Erwachsenen und kleinen Kinder auf der ganzen Welt ausgerottet hat. Nur die Teenager sind übriggeblieben. In New York City organisieren sie sich in Clans, doch eine Zukunft scheint es für die Menschheit nicht zu geben, denn noch immer stirbt jeder, der das Erwachsenenalter erreicht, an der unbekannten Krankheit. Als der Washington-Square-Clan auf Hinweise stößt, die zur Heilung der Krankheit führen könnten, begeben sich fünf seiner Mitglieder auf eine gefährliche Reise quer durch die Stadt...

Der Roman beginnt recht gut: Der Leser ist bei einem Zusammentreffen des Washington-Sqaure-Clans mit Besuchern eines anderen Clans vor seinen Toren - gefolgt von einer spannenden, beunruhigenden Auseinandersetzung - mitten im Geschehen und bekommt dadurch direkt einen Eindruck von der Struktur dieser postapokalyptischen Welt, die nur noch aus Teenager besteht, von den Sorgen und Nöten des Clans und von den Gefahren, die außerhalb ihres abgeschotteten Territoriums lauern. Auf diesen ersten Seiten schafft der Autor außerdem bereits erste emotionale Höhen und Tiefen, welche die Charaktere zugänglich machen. Leider kann Weitz dieses Niveau nicht halten.

Die erste Schwäche offenbart sich nach einigen Kapiteln bereits im Schreibstil beziehungsweise in den unterschiedlichen Sprachstilen, die der Autor den beiden Hauptfiguren und Ich-Erzählern zugedacht hat. Zunächst funktionierte diese Unterteilung recht gut und unterstützte die ersten Eindrücke von Jefferson - gutaussehender, gebildeter Dann-und-Wann-Nerd und Anführer des Washington-Square-Clans - und Donna - sarkastisches, locker, gelegentlich leicht wirr daher redendes Power-Mädchen, das immer einen Spruch auf den Lippen hat und die Apokalypse "Poky" nennt. Zu Anfang gelingt der Versuch, die beiden Persönlichkeiten auch durch ihre unterschiedliche Sprache authentisch darzustellen, doch im Laufe der Geschichte scheint dieses Anliegen in Vergessenheit zu geraten - zu oft erzählten Jefferson und Donna ähnlich neutral, sodass sie ein einziger unabhängiger Erzähler hätten sein können, wären da nicht die Ich-Perspektive und die für jeden der beiden charakteristische Schriftart gewesen, die zumindest optisch noch erkennen ließ, wer im aktuellen Kapitel am Zug war, wenn es dank sprachlichem Einheitsbrei längst nicht mehr möglich war.

Neben Donna und Jefferson konzentriert sich die Handlung auf drei weitere Mitglieder des Clans, die zusammen mit den beiden aufbrechen, um sich auf die Suche nach Forschungsergebnissen zu machen, die ihnen möglicherweise bei der Heilung der Krankheit helfen könnten. Alle Intelligenz der kleinen Truppe konzentriert sich dabei in einer Figur, genannt Brainbox. Jeffersons Freund ist ein Genie mit eingeschränkten sozialen Kompetenzen, der mit einer gewissen Undurchsichtigkeit zu einem interessanten Charakter mit Konfliktpotenzial getaugt hätte, hätten die Ich-Erzähler sich gelegentlich die Zeit genommen, ihn genauer zu durchdenken und ihn somit mehr ins Blickfeld des Lesers zu bringen. Stattdessen sind die beiden im Wesentlichen auf sich selbst fokussiert. Während bei Donna durch ihre Erinnerungen an ihren kleinen Bruder Charlie noch ein gewisser Zugang auf menschlicher Ebene möglich ist, wird Jefferson zunehmend unsympathischer, schwankt zwischen plumpem Macho und bettelndem Weichei und entwickelt sich eher zum kaltblütigen Mann fürs Grobe als zu einem überzeugenden Anführer. Das ausgerechnet er und Donna für eine Liebesgeschichte, angefacht seit Kindergartentagen, herhalten müssen, wirkt an den Haaren herbeigezogen, denn zumindest ich konnte zwischen den beiden Protagonisten nichts Verbindendes oder gar Romantisches ausmachen.

Aufgefüllt wird die Reisegruppe von der kleinen Geheimwaffe SeeThrough, die in meinen Augen ihr Potenzial ähnlich wie Brainbox nicht entfalten konnte, und Peter, einem Freund von Donna, der mehr oder weniger grundlos Teil der Gemeinschaft wird und derart unwichtig war, dass ich in dem sehr christlichen, homosexuellen Afroamerikaner leider nicht mehr entdecken konnte als die Erfüllung einer religiösen, sexuellen und ethnischen Quote - alles vereint in einer Figur, die, wenn sie denn überhaupt mal in Erscheinung tritt, maximal nervt.

Die Handlung entwickelt sich derweilen zu einer Aneinanderreihung von Etappen, deren Verbindung nicht gelingen will. Es scheint als wollte der Autor möglichst viele unterschiedliche Gesellschaftsmodelle darstellen, die in einer postapokalyptischen Welt dankbar wären. So reiht sich ein Clan an den nächsten, für ein Jugendbuch sehr blutige Kämpfe werden ausgefochten, Gegner aufgebaut und Verbündete eingeflochten, doch nichts scheint am Ende noch Relevanz zu haben. Es bleibt abzuwarten, ob sich all diese Fäden noch einmal in den folgenden beiden Teilen der Trilogie aufnehmen lassen oder ob jede dieser Etappen tatsächlich so unabgeschlossen abhackt verbleiben wird. Ich jedenfalls konnte keine fortlaufende Handlung erkennen.

Zu guter Letzt ergänzen weitere Kleinigkeiten den eher unrunden Gesamteindruck dieses Romans. Warum die Seuche im Harry-Potter-Stil "Das, was passiert ist" genannt wurde, erschloss sich mir genauso wenig, wie einige beschriebene Szenerien, darunter zum Teil auch das von Waffen und Blut dominierte Zusammenleben der Clans, die ich für die postapokalyptische Grundidee einer tödlichen Krankheit, die in absehbarer Zeit die gesamte Menschheit dahingerafft haben würde, nicht authentisch fand. Zwar versucht der Autor Erklärungen zu präsentieren, aber richtig glaubwürdig wurde die gesamte Konstruktion für mich nicht, sodass ich auch zu der Atmosphäre der "jungen Welt" keinen rechten Zugang finden konnte. 

Fazit: Leider enttäuschte mich "Young World - Die Clans von New York" nach den ersten starken Seiten zunehmend. Die Hauptcharaktere sind profillos und unsympathisch, ihre Begleiter bleiben zu blass, die Idee scheint zu unausgereift und die Handlung zu unzusammenhängend. Am Ende kann ich diesem blutigen Trilogie-Auftakt nicht viel abgewinnen und vergebe nur 2 von 5 Sternen - für die Folgebände bleibt viel Luft nach oben.




Die Trilogie
  1. "Young World - Die Clans von New York" (Sep. 2015, engl. Originaltitel: "The Young World")
  2. ??? (engl. Originaltitel: "The New Order")
  3. ???


Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden, mit Schutzumschlag
Originaltitel: The Young World
Erschienen: 22. September 2015
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Seiten: 384 Seiten
Verlag: dtv
ISBN: 978-3423761215
Preis: € [D] 18.95


Leserpobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage zum Buch
und über das Website-Spezial 

Mittwoch, 30. Oktober 2013

Rezension zu "Die Springflut" von Cilla und Rolf Börjlind


Konstruktion unwahrscheinlichster Zufälle

„Die Springflut“ von Cilla und Rolf Börjlind ist ein schwedischer Kriminalroman, geschrieben von einem Ehepaar, das sich ansonsten in ihrem Heimatland recht erfolgreich mit Drehbüchern den Lebensunterhalt verdient.

Um folgendes geht es nun in ihrem gemeinsam geschriebenen Kriminalroman:
Die Polizeischülerin Olivia widmet ihre Sommerferien einer freiwilligen Aufgabe, der Analyse eines „Cold Case“. Vor fast 24 Jahren war auf der Insel Nordkoster eine hochschwangere Frau ermordet worden. Obwohl es Zeugen gab, wurden die Täter nie gefunden, auch die Identität der Frau blieb unbekannt. Olivias mittlerweile verstorbener Vater war damals an den Ermittlungen beteiligt, genau wie ein Ermittler namens Tom Stilton, der aber untergetaucht zu sein scheint. Um bei ihrer Suche nach neuen Spuren weiterzukommen, muss Olivia Tom ausfindig machen… 

Direkt nach seinem Erscheinungstermin war „Die Springflut“ in den deutschen Buchhandlungen präsent wie das neuste Werk eines Bestsellerautors. In einer großen Filiale stapelte es sich auf den Tischen, gleich mehrfach im Laden - ich konnte es kaum übersehen. Die Namen der Autoren sagten mir allerdings nichts, die Ankündigung als großer Auftakt einer neuen Reihe von Schwedenkrimis klang aber ganz vielversprechend, auch die optische Gestaltung und der Klappentext waren interessant. Als sich also die Gelegenheit ergab, das Buch zu lesen, habe ich nicht gezögert – und jetzt wünschte ich, ich hätte es getan.

„Die Springflut“ ist in meinen Augen kein gelungener Kriminalroman. Ich lese gerne Krimis und Thriller – Spannungsliteratur gehört seit Jahren zu meinen bevorzugten Genres -, aber für mich ist vor allem die Glaubwürdigkeit der Handlung ein entscheidendes Merkmal für einen guten Roman. Werden Mordfall und Ermittlungen stimmig miteinander verwoben? Sind die Schlussfolgerungen der Figuren logisch? Kann ich am Ende die Motive nachvollziehen? Wirkt die Geschichte rund? Gerne darf ein Krimi mich am Ende überraschen, mich mit einer Wendung von meinen vorangegangenen Spekulationen weglocken, aber dennoch möchte ich die eben gestellten Fragen mit „ja“ beantworten können - und das kann ich nach dem Lesen von „Die Springflut“ einfach nicht einmal ansatzweise.

Bei dem neuen Werk aus Schweden mit dem Duo Olivia und Tom, Polizeischülerin und in der Versenkung verschwundener Ermittler mit psychischen Problemen gewaltigen Ausmaßes, bleibt es nicht bei dem einen Fall der durch eine Springflut vor über zwanzig Jahren ermordeten Frau. Prügelattacken auf Obdachlose und ein alter Bruch zweier Wirtschaftsgrößen kommen auch noch hinzu. Die einzelnen Fälle werden mehr schlecht als recht miteinander in Verbindung gebracht, was ganz einfach so viel bedeutet wie: Olivia stolpert von einem unfassbar unwahrscheinlichen Zufallsfund zum nächsten. In ihrer Masse waren diese ganzen Zufälle – einer nach dem anderen – nur noch absurd. Nicht nur, dass alle involvierten Personen irgendwie genau zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Informationen „zufällig“ finden, sie steuern auch alle gleichzeitig 24 Jahre nach dem eigentlichen Mord plötzlich wieder auf einen Punkt zu, wie von Strippenziehern auffällig gelenkt: Die Autoren haben so sehr konstruiert, dass es nicht mehr natürlich wirken konnte.

Zunächst schien Stockholm ein Dorf zu sein, dann ganz Schweden und letztendlich die gesamte Erde. All die Zufälle kann ich mir jedenfalls nur noch durch die Vorstellung plausibel machen, dass die Erdbevölkerung bei „Die Springflut“ auf die Größe einer Schulklasse gesunken ist. Maximal 30 Menschen, mehr können es nicht sein, so „zufällig“ wie die Figuren selbst am anderen Ende der Welt plötzlich dem Richtigen über den Weg laufen. Nicht nur einmal, sondern immer wieder, und auch nicht irgendwann, sondern genau in diesem Sommer nach 24 Jahren, als Olivia beschließt, den Fall zu untersuchen.

Neben ein bisschen Sozialkritik schaffen es die Autoren vor allem, kein einziges Klischee auszulassen. Am Ende war ich einfach nur noch ernüchtert von der Plattheit der Auflösung des an sich so komplexen Falles, den jahrzehntelang niemand enträtseln konnte, und erwartete mit Schrecken das nächste Klischee. Beides war, in Anbetracht der Tatsache, wie einfach die Geschichte gestrickt war, nicht mehr schwer vorauszuahnen. Gerade für regelmäßige Krimileser ist nur eine Regel zu beachten: Es gibt keine unbeteiligten Figuren. Wann immer jemand gesucht wird, dessen Identität noch unbekannt ist, wird sich eine der bereits vorhandenen Figuren als dieser entpuppen. Wirkliche Ermittlungen gibt es kaum, denn fehlt eine Information, wird jemand darüber stolpern oder eine andere Person fragen, die just einen Tag zuvor die entscheidende Antwort rausgefunden hat – 24 Jahre nach dem Mord springen die Beweise aus den Büschen und werfen sich einer unerfahrenen Polizeischülerin vor die Füße. Was für ein zufällig zufälliger Zufallszufall.

Es gibt Krimis, die sind einfach nach diesem Prinzip aufgebaut. Einigen Lesern mag das gefallen, ich kann mit zeitlich perfekt abgestimmten Zufällen auf Dauer allerdings nichts anfangen und empfinde diese Art der Handlungsführung nicht als spannend.
Auch die Figuren konnten mich größtenteils nicht überzeugen. Es gab Ausnahmen, wie einen Mann namens Abbas, der mit seiner geheimnisvollen Art ein wenig Spannung erzeugen konnte, oder einen Jungen namens Acke, der emotional berühren konnte – obwohl man fairerweise sagen muss, dass hier auch wieder nicht ohne Klischees auf die Tränendrüse gedrückt wurde. Das waren allerdings Nebenfiguren. Die Polizeischülerin Olivia ließ jegliche Empathie vermissen und ihr Vorgehen war nicht immer nachvollziehbar, der emotional mehr als kaputte Tom war da schon besser gelungen, aber auch ihm fehlte es an Zugänglichkeit – die Figur blieb oberflächlich. Gerade der sich wiederholende Versuch Spannung aufzubauen, indem die Figuren nach einer ausdrücklichen Warnung dennoch beinahe trotzig in Gefahrensituationen hineingingen, ließ sie reichlich flach erscheinen.

Sprachlich ist „Die Springflut“ einfach gehalten. Kurze Sätze, keine großen Variationen, gelegentliche Wiederholungen und an der ein oder anderen Stelle Formulierungen, die sich wie eine eher holprige Übersetzung lasen und im Deutschen nach anderen Worten verlangten.
Als Perspektive wurde ein allwissender Erzähler gewählt, was dazu führt, dass nicht immer eindeutig ist, ob eine Information nun eine Beobachtung des Erzählers wiedergab oder noch von der Figur stammte, in dessen Kopf sich der Erzähler gerade noch befunden hatte. Insgesamt gibt es eine Vielzahl von Protagonisten, zwischen denen recht zügig hin- und hergewechselt wird, was zwar ein gewisses Tempo für die Geschichte erzeugte, aber gelegentlich auch irritierte.

Fazit: „Die Springflut“ ist ein Kriminalroman, der hauptsächlich auf Zufällen basiert, die in ihrer Fülle nicht mehr glaubwürdig wirken. Leser, die sich an einer solch konstruierten Handlung nicht stören, könnten hier möglicherweise auf ihre Kosten kommen, ich leider nicht. Auch die sprachliche Umsetzung und die Figuren konnten das Gesamtbild nicht mehr verbessern und es ist sehr wahrscheinlich, dass der nächste Fall von Olivia Rönning und Tom Stilton nicht mehr in meinen Händen landen wird. 2 Sterne, mehr kann ich an diese Ansammlung von Zufällen nicht vergeben. 



Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden mit Schutzumschlag
Erschienen: August 2013
Seiten: 592
Schwedischer Originaltitel: Springfloden
Verlag: btb
ISBN: 978-3-442-75393-2
Preis: € [D] 19.99





Mittwoch, 9. Oktober 2013

Rezension zu "Der Seelenfänger" von Chris Moriarty



Inhaltlich überladen, emotional leer

"Der Seelenfänger" von Chris Moriarty ist der Auftakt einer Jugendbuch-Reihe, die versucht mit Magie und einer Kriminalgeschichte das New York des frühen 20. Jahrhunderts aufleben zu lassen. Leider bleibt es bei dem Versuch…

Zum Inhalt: Sascha Kessler, ein jüdischer Junge aus einer der ärmeren Gegenden New York Citys, entdeckt im Alter von 13 Jahren, dass er Magie erkennen kann. Da diese in der Stadt verboten ist und von den Inquisitoren, einer Art Spezialabteilung der Polizei, überwacht wird, macht ihn das für die Behörde zu einem wertvollen Lehrling. Seine Anstellung beim seinem Ausbilder Wolf, einem der bekanntesten Inquisitoren, bedeutet auch für den Jungen eine große Chance. Doch gleich an seinem ersten Tag beginnt die Jagd auf einen Dibbuk, eines der gefährlichsten magischen Wesen. Ob Sascha wirklich helfen kann, diesen Fall zu lösen?

Eigentlich hat „Der Seelenfänger“ alles, was ein guter Jugendfantasy-Roman braucht. Eine gute Grundidee, ein gut gewähltes allgemeines Setting – die Ansiedlung der Handlung im New York des frühen 20. Jahrhunderts ist ungewöhnlich und nicht uninteressant. Auch die Figurenkonstellation mit dem unerfahrenen Sascha, der eigentlich aus einer der Magie nicht abgeneigten Familie stammt und plötzlich zum Inquisitor ausgebildet werden soll, an der Seite des großen, legendengleichen Inquisitors Wolf ist an sich gut gelungen. Für Sascha stellt dies nicht nur aufgrund seiner jungen Jahre und des Konfliktes zwischen den Werten seiner Familie und denen der Polizei in Bezug auf die magische Welt eine Herausforderung dar, sondern ist vor allem auch eine massive finanzielle Verbesserung und eine Absicherung für die Zukunft. Denn Saschas Familie, jüdische Einwanderer, lebt in schlichten, armen Verhältnissen – seine neue Anstellung ist der Zugang zu höheren sozialen Schichten.

Allein der der Hauptfigur steckt damit schon jede Menge Vielschichtigkeit, die nur darauf wartete, herausgekitzelt zu werden, und zusammen mit dem spannenden Plot hätte Moriartys magische Welt also zumindest von der Idee her ein richtig großer Wurf werden können, doch die enttäuschend schwache Umsetzung macht diese Aussicht leider schon nach wenigen Seiten zunichte.

Selten habe ich mich bei einem Roman so sehr über verschenktes Potenzial geärgert wie bei diesem Exemplar. Die Autorin scheint vor allem anderen beim Schreiben mit einer Priorität vorgegangen zu sein: Schnell muss es gehen! Jede Situation muss flott abgehandelt werden, teilweise fehlen gar sämtliche Übergänge. Die aufeinanderfolgenden Ereignisse werden zackig aufgelistet und anders als eine Liste liest sich der schlagartige Wechsel von einer Situation zur nächsten auch nicht. In diesem Fall hat dieses Vorgehen auch rein gar nichts mit dem Erzeugen von Spannung durch ein schnelles Erzähltempo zu tun, es wirkt stattdessen einfach nur plan- und lieblos.

Der gesamte Schreibstil macht dabei einen reichlich unsteten Eindruck. An einigen, leider im Vergleich sehr wenigen, Stellen schafft es die Autorin, ihrem Setting Leben einzuhauchen und somit das New York von vor rund 100 Jahren vor den Augen des Lesers neu entstehen zu lassen. Detaillierte Beschreibungen mit Gespür für die die Stimmung einfangenden Merkmale der Umgebung bleiben jedoch leider die Ausnahme. Trotz unheimlicher Idee und einigen nächtlichen, gruseligen Momenten hatte ich genau ein einziges Mal Gänsehaut – zu wenig, in Anbetracht der Vielzahl von Möglichkeiten, bei denen es genauso hätte sein müssen, aber einfach keinerlei Gefühlsregung zustande kam, weil die Beschreibungen zu schnell kamen und gingen und zu oberflächlich blieben.

Vor allem die Charaktere aber auch der recht komplexe Handlungsverlauf mit vielen Figuren – teilweise der historischen Realität entliehen und Rollen in der magischen Welt angepasst – leiden unter der überstürzten Erzählweise. Blasse Protagonisten wirkten austauschbar, Dialoge gestelzt und der Bösewicht ist so unübersehbar böse, dass es langweilt. Die Handlung, für ein Jugendbuch mit gerade einmal 350 Seiten tatsächlich sehr umfangreich, wirkt durch die Schnelligkeit der Erzählung oft wirr und leblos. Es fehlen einprägsame Momente, die Wirkung auf den Leser erzielen könnten, denn vor allem auf der emotionalen Seite bleibt der Roman dem Leser in vielerlei Hinsicht einiges schuldig. Man kann nicht mit den Figuren lachen, sie berühren einen nicht – ihre Schicksale lassen den Leser kalt. Vor allem diesem Punkt hätte die Autorin sprachlich viel mehr Aufmerksamkeit widmen müssen. Auch bei einem Jugendbuch reicht es nicht, herunterzurasseln, was die Protagonisten tun: Wie sie es tun ist mindestens ebenso entscheidend. Was sie dabei fühlen, wie es ihnen dabei geht, ihre Beweggründe – ein Blick hinter die Kulissen. Doch das wurde versäumt.

Fazit: Ich bin mehr als enttäuscht von „Der Seelenfänger“. Chris Moriarty hatte eine tolle Idee, verortet in einem ungewöhnlichen Setting mit großem Potenzial, aber was nützt das alles, wenn es sprachlich mager umgesetzt wird und so emotional ist wie ein Sachbuch? Kein Gefühl, teilweise wirr – so konnte kein guter Roman aus der Idee werden. Ich kann es nicht weiterempfehlen. Leider nur knappe 2 Sterne. 



Die Sascha-Kessler-Reihe
  1. "Der Seelenfänger" (Sept. 2012, englischer Originaltitel: "The Inquisitor's Apprentice")
  2. "Der Schattenjäger" (Sept. 2013, englischer Originaltitel: "The Watcher in the Shadows")

Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden
Erschienen: September 2013
Seiten: 352
Verlag: Dressler
ISBN: 978-3-7915-1343-0
Preis: € [D] 16.95

Weitere Informationen auf der Verlagshomepage zum Buch

Samstag, 31. August 2013

Rezension zu "Verfolgt im Mondlicht" von C.C. Hunter (Shadow Falls Camp 4)



Von Chamäleons und Eidechsen

„Verfolgt im Mondlicht“ von C.C. Hunter ist der vierte und damit vorletzte Band der „Shadow Falls Camp“-Reihe, in der es um ein Feriencamp für übernatürliche Jugendliche und die 16-jährige Kylie, eine Übernatürliche mit ungewöhnlichen Fähigkeiten, geht.
 
Inhaltlich dreht sich dieses Mal alles um Kylies am Ende des letzten Bandes aufgedeckte Identität – ein Chamäleon soll sie sein. Doch was ist ein Chamäleon? Und was sind das für flüsternde Stimmen, die sie aus dem Wald zu rufen scheinen? Während ein neuer Geist zeigt, der Kylie auf die Spur eines Mordes bringt, muss sie sich langsam fragen, ob Shadow Falls Camp der richtige Ort für eine Übernatürliche wie sie ist…
 
Bisher war die „Shadow Falls Camp“-Reihe für mich ein einziges Auf und Ab. Den ersten Band, „Geboren um Mitternacht“, fand ich trotz der sich bereits dort andeutenden, schier unerträglichen Naivität und Ich-Bezogenheit der Protagonistin Kylie noch wirklich gut, was wohl hauptsächlich an der interessanten Idee einer Übernatürlichen mit nicht zuzuordnenden Fähigkeiten gelegen haben muss. Der zweite Band, „Erwacht im Morgengrauen“, war dann die große Enttäuschung. Eine haarsträubende Dreiecksbeziehung, eine Protagonistin, die sich ständig vom Wesentlichen ablenken lässt und eine kaum vorhandene Handlung machten die Fortsetzung für mich zur Qual. Nachdem der mit viel Mut dennoch begonnene dritte Band, „Entführt in der Dämmerung“, mich mit mehr Spannung und weniger Liebeschaos wieder versöhnlicher gestimmt hatte, ging ich dann recht motiviert an diesen vierten Band heran. Vielleicht war der zweite Band ja ein Ausrutscher, dem nun bis zum Ende eine spannende Geschichte auf solidem, wenn auch nicht überragendem, Niveau folgen würde? Leider habe ich mich in diesem Punkt geirrt. Das Auf und Ab setzte sich fort und, während der dritte Band wieder ein leichter Lichtblick war, fehlen mir für diesen zusammengeschusterten vierten Band beinahe die Worte.

Ich denke unter gewissen Voraussetzungen, die mir offenbar nicht liegen, kann man diesen „Shadow Falls Camp“-Band ganz gut lesen: Wenn man einfach die eigenen grauen Zellen vollständig abschaltet, bloß nicht über das Gelesene nachdenkt und erst recht niemals auch nur irgendeine Aussage hinterfragt. Denn die Figuren, allen voran die Hauptprotagonistin Kylie, haben bis auf wenige Ausnahmen in etwa einen Intelligenzquotienten auf dem Niveau von Toastbrot und auf dieser Basis führen sie auch ihre Unterhaltungen und Recherchen durch. So bin ich ziemlich sicher, dass jede/r Leser/in über 14 Jahren, also aus genau der Altersgruppe, auf die diese Reihe ausgelegt ist, ganz schnell den Zusammenhang zwischen Kylies Fähigkeiten, ihrem Gehirnmuster und der Bezeichnung „Chamäleon“ im Kopf hat – aber Kylie und ihre Mit-Camper nicht. 

Sie diskutieren zunächst lieber über zwei Dinge, nämlich erstens ständig darüber, dass das alles gar nicht sein kann (obwohl es nachweislich so ist) und zweitens darüber, was es wohl bedeutet, dass Kylie eine Eidechse ist. Hallo? Eine Eidechse? Wer denkt denn bei Chamäleons an Eidechsen? Hat ein Chamäleon nicht viel näherliegende, sofort ins Auge fallende Eigenschaften, die man vielleicht auf Kylie übertragen könnte? Die Autorin versucht aus Kylies Identität auf eine so hanebüchene Weise ein Geheimnis zu konstruieren und dieses aufrecht zu erhalten, solange es irgendwie möglich ist, selbst wenn sie dazu ihren Protagonisten jegliche Intelligenz nehmen und den Leser nervlich in den Wahnsinn treiben muss.

Das Gleiche gilt für die Liebesgeschichte. Daran ist nichts mehr romantisch, sie tritt einfach nur noch auf der Stelle und es ist fast grotesk, wie Lucas und Derek jedes Mal nacheinander abgespult werden. Ein entscheidendes Ziel der Autorin scheint auch hier zu sein, diesen Dreieckskampf um jeden Preis bis zum letzten Band der Reihe zu schleifen, auch wenn das Stillstand und Wiederholungen bedeutet.

Nebenbei: Das macht sie auch mit allen anderen Figuren. Selbst, wenn sie für den aktuellen Handlungsstrang kaum Bedeutung haben und es keine Neuigkeiten zu diskutieren gibt, werden wie in Dauerschleife Gesprächsrunden immer wieder abgespielt. Kylie redet erst mit Holiday, dann mit Burnett, dann mit Della und Miranda, dann mit Derek und Lucas. Zwischendurch grätschen mal die Eltern ins Geschehen oder die Reihenfolge ändert sich leicht, aber – und das ist das Entscheidende – schnell stellt sich das Gefühl ein, dass niemals, wirklich niemals, etwas wichtiges passiert, was die Handlung voranbringen könnte, bevor nicht die gesamte langweilige Gesprächspalette durchgespielt wurde. Nach einem wichtigen Ereignis beginnt sie dann natürlich wieder von vorn.

Was bei diesen Gesprächsrunden bezeichnend ist, ist leider auch, dass sie sich hauptsächlich um Nebensächlichkeiten drehen. In stetigen Abständen taucht, wie schon in vorangegangenen Bänden, ein Geist auf und verbreitet ein bisschen Panik, bringt Kylie auf die Spur eines Mordes, kann sich dann aber wieder nicht deutlich ausdrücken – und, dass die viel beschäftigte Kylie sich jetzt selbst in Recherchen stürzen würde, kann doch nun niemand ernsthaft erwarten. Es geht ja nur um einen Serienmörder, der möglicherweise noch andere bedroht. In Kylies Welt ist das wohl absolut nicht wichtig genug und das hat mich teilweise wirklich rasend gemacht.
 
Welche übernatürliche Kraft auch immer die Geister schickt, um Botschaften zu überbringen, sie sollte das lassen. Die Geister rücken nicht mit der Sprache raus, sondern verschwinden lieber wieder, und die Geisterseherin ist leider viel zu sehr mit sich selbst, ihrem Liebesleben, dem Liebesleben ihrer Camp-Leiterin, dem Liebesleben ihrer Freundinnen, dem Liebesleben ihrer Eltern und vielen anderen Dingen, die hauptsächlich sie selbst betreffen, beschäftigt, plaudert zwar ständig mit jedem, vergisst aber entweder die richtigen Fragen zu stellen oder beschließt gleich ihren Freunden und Verbündeten, warum auch immer, auf keinen Fall zu vertrauen, erzählt ihnen nichts, kümmert sich selbst aber auch nicht drum. Wen wundert es also, dass diese dermaßen aufgebauschte Handlung mit dem Geist und der Suche nach dem Mörder letztendlich vollkommen irrelevant war und innerhalb weniger Seiten ohne jede Substanz abgehandelt wurde. Das Ende dieses vierten Bandes als eine Enttäuschung zu bezeichnen, ist noch freundlich ausgedrückt.
 
Leider fragt man sich mit der Zeit auch, was die Camp-Bewohner überhaupt machen. Zwischenzeitlich scheint die Autorin nämlich vergessen zu haben, dass die Jugendlichen dort am Anfang doch mal ein gewisses Tagesprogramm hätten haben sollen. Davon findet praktisch gar nichts statt. Deswegen kann ich auch nicht so genau sagen, womit unser Naivchen und Dummchen Kylie ihre Zeit so sehr vergeudet, dass es ihr nicht möglich ist, sich um wichtiges zu kümmern – wahrscheinlich mit Umarmungen und Plaudereien über ihr Beziehungsleben. Und sie jammert gerne. Ist auch schlimm, etwas ganz Besonderes zu sein, anscheinend einfach alles zu können, was in der übernatürlichen Welt möglich erscheint, beliebt zu sein und gleich zwei Traumtypen zur Auswahl zu haben. Schlimme Sache. Arme Kylie.

Sprachlich kann ich dieser Jugendbuchreihe leider nicht das geringste Lob aussprechen. In freundlichen Worten würde ich den Schreibstil als unspektakulär bezeichnen, in weniger freundlichen als zu kindlich und langweilig. Diesem Band fehlt jede Spannung und jeder Biss, zwischendurch kann man mal Schmunzeln, das war es aber auch schon. Die Handlung wirkt unausgeglichen und wenig rund, was sich an einem schnell abgehandelten Ende deutlich festmachen lassen kann. Was mich mitunter am meisten ärgert, ist, dass mich der schwache vierte Band vor eine schwierige Entscheidung stellt: Das Finale dennoch lesen oder die Reihe wirklich nach dem vorletzten Band abbrechen? Da bin ich noch unentschlossen, denn beides widerstrebt mir im Augenblick sehr.

Fazit: Ich bin mehr als enttäuscht über die Entwicklung dieser Reihe. Die Handlung findet keinen roten Faden, das meiste wirkt in die Länge gezogen, die Protagonisten verhalten sich oft unlogisch und – ich kann es nicht anders sagen – dumm. Spannung kommt kaum auf. Ich vergebe sehr knappe zwei Sterne.



Die "Shadow Falls Camp"-Reihe (mit Links zu Amazon):
  1. "Geboren um Mitternacht" (Juni 2012, englische Originalausgabe "Born at Midnight") - meine Rezension
  2. "Erwacht im Morgengrauen" (Dez. 2012, englische Originalausgabe "Awake at Dawn") - meine Rezension
  3. "Entführt in der Dämmerung" (März 2013, englische Originalausgabe "Taken at Dusk") - meine Rezension
  4. "Verfolgt im Mondlicht" (Juli 2013, englische Originalausgabe "Whispers at Moonrise")
  5. "Erwählt in tiefster Nacht" (Erscheinungsdatum noch unbekannt, englische Originalausgabe "Chosen at Nightfall")

Allgemeine Informationen

Ausgabe: Klappenbroschur
Seiten: 560
Verlag :Fischer FJB
ISBN: 978-3-8414-2156-2
Preis: € [D] 14.99

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage zum Buch


Mittwoch, 7. August 2013

Rezension zu "Der Weg der gefallenen Sterne" von Caragh O'Brien



Liebloses Finale

„Der Weg der gefallenen Sterne“ ist der dritte und somit letzte Band einer dystopischen Trilogie von Caragh O’Brien, die mit einer Idee von genetisch bedingten Krankheiten einer Gesellschaft stark begann, mit diesem Band aber enttäuschend schwach abschloss.
 
Zum Inhalt: Gaia führt einen Teil der Bewohner Sylums als neue Matrach zurück zur Enklave, wo sie am Rande Wharftons, Gaias alter Heimat, ein neues Dorf namens New Sylum errichten und so den schädigenden Einflüssen der Sümpfe Sylums entkommen wollen. Allerdings sind sie darauf angewiesen ebenso wie Wharfton von der Enklave mit Wasser versorgt zu werden. Doch der Protektor der Enklave stellt sich quer. Werden Gaia, Leon und die anderen es dennoch schaffen?
 
Wenn ich heute, nachdem ich mit diesem dritten Band die Trilogie von Caragh O’Brien abgeschlossen habe, auf die Reihe um die junge Hebamme Gaia zurückblicke, muss ich sagen, dass ich enttäuscht bin. Der erste Band, „Die Stadt der verschwundenen Kinder“, war ein starker Auftakt, der mit einer guten Grundidee, einer gelungenen Umsetzung und einfallsreichen dystopischen Elementen sowie mit einer unerfahrenen, aber wissbegierigen und menschlich-nahbaren Protagonistin überzeugen konnte. Davon ist dem Finale der Trilogie nichts geblieben. „Der Weg der gefallenen Sterne“ wirkt lieblos, ohne Ideen und Lösungen, mittendrin eine verlorene, überforderte, aber auch uneinsichtige Gaia.

Obwohl ich den „Das Land der verlorenen Träume“, den zweiten Band der Reihe, immer noch gut fand, habe ich mich schon bei jenem gefragt, was sich die Autorin dabei gedacht hat, ohne Not für die Geschichte Sylum zu erfinden, und vor allem, wie sie die beiden ersten Bände durch nur einen einzigen weiteren abschließen möchte. Meiner Meinung nach begann der größte Fehler der Reihe bereits hier: Anstatt Gaias Konflikt mit der Enklave weiter zu erzählen, nachdem diese ihre Flucht begonnen hatte, baute die Autorin mit Sylum eine vollkommen neue - eine zweite - dystopische Gesellschaft mit eigenen genetischen Schwierigkeiten auf, in die Gaia und anschließend auch ihre große Liebe Leon, der angenommene Sohn des Protektors der Enklave, hinein gerieten. Bis auf die beiden Protagonisten und leichte Verknüpfungen durch Gaias Familie waren Sylum und die Enklave zwei eigenständige Welten – zwei Geschichten, die nicht innerhalb einer Reihe hätten erzählt werden sollen. Wohin Gaias Abstecher nach Sylum führte, sehen wir nämlich nun im letzten Band.

„Der Weg der gefallenen Sterne“ kämpft mit zu vielen Baustellen. Er muss nicht nur die offenen Fragen aus dem ersten Band lösen, Wharfton und die Enklave zu einer einvernehmlichen Lösung führen, Gaias verschwundenen Bruder und viele andere „vorgebrachte“ Kinder finden, möglicherweise Leon und seinen Ziehvater versöhnen und den genetischen Problemen und Krankheiten in der Enklave ein Ende setzen. Nein, er muss auch noch die Siedler Sylums retten, sie aus ihrem Dorf in eine neue Zukunft führen, deren genetische Schwierigkeiten, die sich in einer zu hohen männlichen Population zeigen, lösen und die Vierecksgeschichte zwischen Gaia, Leon und den Brüdern Peter und Will entwirren. Bei dem Versuch, die Enklave, also die Geschichte des ersten Bandes, und Sylum, die Welt des zweiten, zu vereinen, scheiterte die Autorin auf ganzer Linie. Es entstand eine Geschichte ohne Kernhandlung, die völlig verloren und sprunghaft von einer Baustelle zur nächsten hastete und keinen Weg aus ihrem eigenen Irrgarten der Probleme hinausfand.
 
Gaia wird zu einer Protagonistin, die mir mit ihrem Gutmenschentum den letzten Nerv raubte. Diplomatie ist ihr Allheilmittel, man kann doch über alles reden. Nur mit Gaia kann niemand reden, denn alle Ratschläge und jeden Appell an ihre Vernunft schmettert sie ab – und macht am Fließband immer wieder die gleichen Fehler, die zu nichts anderem führen, als einem ständigen Wechsel zwischen Aufenthalten in der Enklave und vor den Türen dieser. Dabei präsentieren sich der Protektor und die Enklave als Ganzes als das große Übel: Das Böse, das Gaia unendlichem Grauen aussetzen möchte – doch auch sie beschränken sich zunächst auf große aber mindestens genauso leere Worte. Es passiert einfach nichts, die Spannung geht gegen null, bis am Ende alles eskaliert und doch kein Handlungsstrang zufriedenstellend zu Ende geführt wird.

Sprachlich wirkt „Der Weg der gefallenen Sterne“ ebenso holprig wie schon die Handlungsführung. Lieblos reiht die Autorin ihre Ereignisse aneinander, lässt keine Gefühle aufkommen, nicht einmal mehr zwischen Gaia und Leon, die mir als Liebespaar einst so gut gefallen haben. Leon verkommt ohnehin zu einer blassen Randfigur neben der Matrach Gaia, die beinahe wie eine Diktatorin wirken könnte, wäre sie innerlich nicht so weich und entscheidungsscheu. Keiner der Charaktere dieses Bandes hat mir wirklich Freude bereiten können. Die meisten blieben farblos, manche Figuren aus der Enklave, die plötzlich wieder Bedeutung erlangen, waren zudem durch den zweiten Band so sehr in Vergessenheit geraten, dass ich sie nur noch schwer wieder einordnen konnte.

Fazit: So einen schwachen Abschluss wie „Der Weg der gefallenen Sterne“ hatte die Trilogie nicht verdient. Die Autorin versucht Sylum und die Enklave zu vereinen und scheitert an zu vielen Handlungssträngen. Das Ergebnis wirkt lieblos, wie eine Notlösung. Ich bin schwer enttäuscht. 2 Sterne. 

 
Die Birthmarked-Trilogie (mit Links zu Amazon.de):
  1. "Die Stadt der verschwundenen Kinder" (Jan. 2011, engl. Originaltitel: "Birthmarked")
  2. "Das Land der verlorenen Träume" (Feb. 2012, engl. Originaltitel: "Prized")
  3. "Der Weg der gefallenen Sterne" (April 2013, engl. Originaltitel: "Promised")


Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden
Seiten: 352
Verlag: Heyne
Altersempfehlung: ab 14 Jahre
ISBN: 978-3-453-26743-5
Preis: € [D] 16.99

 

Mittwoch, 3. Juli 2013

Rezension zu "Assassino" von Gerd Ruebenstrunk



Jung-Archäologin auf Stolperkurs

„Assassino“ von Gerd Ruebenstrunk ist ein Urban-Fantasy-Roman mit Action-Thriller-Einschlägen aus dem Jugendbuch-Bereich, der gut begann, dann aber leider nicht überzeugen konnte.

Doch zunächst ein paar Worte zum Inhalt: Die gerade einmal 17jährige Kati ist zusammen mit ihrem Mitarbeiter Chris im Auftrag ihres Vaters auf der Suche nach historischen Schätzen. Dieses Mal führte sie eine verschollene Fibelscheibe aus der Zeit der Etrusker ins kroatische Dubrovnik. Doch die Suche ist gefährlicher als gedacht, auch andere versuchen die Scheibe zu finden und kennen keinen Skrupel. Der geheimnisvolle Ilyas rettet Kati vor ihren Verfolgern. Wer ist der junge Mann, der Kati fasziniert?

Begonnen hat „Assassino“ wirklich gut. Ein actionreicher, von Archäologie geprägter Thriller, mit schon auf den ersten Blick etwas jungen Protagonisten, die sich allerdings zunächst gut behaupteten, präsentierte sich auf den ersten Seite unter dem schön gestalteten, leicht golden reflektierenden Cover. Mit der Zeit wurde es allerdings holpriger: Die Charaktere konnten keine Glaubhaftigkeit und keine Tiefe erlangen, die Geschichte verlor den Fokus und las sich wie ein Ablauf von Kämpfen ohne Sinn und – zu guter Letzt – wo war die Suche nach der Fibelscheibe geblieben? Was vorher zentraler Handlungspunkt war, verschwand zunehmend.

Denn, zunächst noch Mittelpunkt aller Recherchen, musste die Fibelscheibe sich in den Hintergrund drängen lassen. Interesse an ihr war nur noch am Rande vorhanden, gesucht wurde nicht mehr, recherchiert ohnehin nicht, stattdessen war Ilyas plötzlich im Zentrum der Aufmerksamkeit. Seine Lebensgeschichte war nicht uninteressant, als Fantasy-Anteil der Geschichte sogar ganz ansprechend, aber ein Gleichgewicht wurde leider nicht gefunden. Ilyas überlagert mit der Zeit alles, ohne dass seine Hintergründe, seine geheimnisvolle Herkunft, die aktuelle Handlung besonders vorantreiben könnte. Hier bleibt die Fibelscheibe ein zentrales Element, darf aber nur noch durch Zufälle und nebenbei gesucht (und gefunden?) werden.

Ein großer Minuspunkt sind für mich in diesem Buch allerdings noch weit vor der unfokussierten Handlungsführung die Charaktere. Steif, stereotyp und mit großen Diskrepanzen zwischen ihrer Selbsteinschätzung (also dem, was sie selbst und andere über sie sagen) und der Wirklichkeit.

Das beste Beispiel dafür ist Kati. Eigentlich soll sie eine typische Hochintelligente sein, deren soziale Kompetenzen bei ihrer Entwicklung, ihrem stark beschleunigten Bildungsweg und ihren Prioritäten deutlich unterentwickelt blieben. Sie soll rational sein, selbst spricht sie von einer „rationalen Brille“, durch die sie die Welt sehen würde, was ihr das „Glauben“ an Phänomene außerhalb der wissenschaftlichen Erklärungsgrundlage – angeblich – schwierig machen würde.

Nichts davon spiegelt sich in Katis Verhalten wider. Obwohl Misstrauen und Vorsicht angesagt wären, erzählt sie einigen in der Handlung neu auftauchenden Figuren in einem Atemzug ihre gesamte Lebensgeschichte. Ihre Gründe dafür sind nicht rational: Bauchgefühl, Intuition und Menschenkenntnis sind alles, was sie vorzubringen hat. Die aus der Luft gegriffen, übernatürlichen Erklärungen für die Fantasy-Elemente glaubt sie innerhalb von Sekunden. Von ihrer überdurchschnittlichen Intelligenz merkt man nichts, ebenso wenig von ihrer angeblichen sozialen Inkompetenz. Sie ist ein extrovertierter, sich gerne und viel in Gesellschaft befindender, plaudernder Mensch. Ihre einzige Schwäche ist Ilyas, der ihr Interesse weckt. Verwunderlich ist das nicht: Sie ist eine mit Männern absolut unerfahrene 17jährige, ein unsicheres Mädchen, das bei ihrer ersten Verliebtheit nicht unangemessen auftreten möchte. Insgesamt ziemlich gewöhnlich.

Alles in Allem ist Kati dadurch aber auch ein ziemlich undurchdachter Charakter. Die Diskrepanz zwischen dem, wie sie zu sein behauptet, und ihrem Verhalten ist einfach zu groß. Dies gilt auch für die anderen Figuren, von denen viele recht zwielichtig und undurchsichtig daher kommen, aber mit ein wenig Logik doch schnell zu durchschauen sind. Große Überraschungen gab es nicht, wenn auch zahlreiche Wendungen dabei waren. Wirklich einfühlen konnte ich mich in die Charaktere nicht, sie wirkten zu fremd.
Die Perspektiven wechselten zwischen den Charakteren des Weiteren häufig und leider auch oft auf eine sehr unübersichtliche Art und Weise.

Sprachlich ist „Assassino“ leider auch eher steif, ein wenig holprig. Spannend erzählt wurde die Geschichte zwar, Action am Fließband ist aber allein nicht die Lösung. Gefühlvollere Momente wurden vermisst, Nähe zu den Figuren wurde vermisst. Am Ende überschlug sich vieles, größtenteils erschien es auch zu einfach, zu unlogisch, zu sehr auf Zufälle bedacht und zu unfertig, um mich zu überzeugen. Das war sehr schade, denn das Potential hätte die Grundidee am Anfang gehabt und auch die Fantasy-Elemente rund um den mysteriösen Ilyas waren ansprechend. Innerhalb der Geschichte waren Letztere auch noch das, was in der Umsetzung am ehesten überzeugen und die Handlung ein wenig vor dem vollständigen Untergang bewahren konnte. Logik und Gefühle blieben leider trotz zarter Liebesgeschichte, die mir zu kindlich verlief, allerdings weitestgehend auf der Strecke.

Zu bedenken ist, dass „Assassino“ wohl als Zweiteiler ausgelegt wurde. Die Geschichte ist keinesfalls abgeschlossen, funktioniert als Einzelband auch nicht so recht. Viele Fragen bleiben offen, viel bisher ungenutztes Potential könnte noch für einen guten zweiten Band genutzt werden. Für diesen hat es leider nicht gereicht.

Fazit: Wenig glaubhafte Charaktere, eine unfokussierte Handlung, eine schwammige Logik und eine teilweise hölzerne Sprache – „Assassino“ konnte mich trotz guter Grundidee nicht überzeugen. Hier holperte doch einiges. Für all das ungenutzte Potential gibt es leider nur gute 2 von 5 Sternen. 



Zur Fortsetzung ist noch nichts bekannt


Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden, mit Schutzumschlag
Seiten: 384
Verlag: bloomoon
ISBN: 978-3-7607-8681-0
ab 14 Jahren
Preis: € [D] 16.99

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage

 

Samstag, 4. Mai 2013

Rezension zu "Die Ankunft - Cassia & Ky 3" von Ally Condie



 Die Enttäuschung ist kaum in Worte zu fassen

‟Die Ankunft“ von Ally Condie wurde von vielen Fans der ‟Cassia und Ky“-Trilogie sehnsüchtig erwartet. Der dritte Band hätte die erfolgreiche Dystopie würdig abschließen sollen. Wer hätte je damit gerechnet, dass der Abschluss dermaßen misslingt?
 
Aber erst kurz zum Inhalt: Nachdem sie sich der Erhebung angeschlossen hatten, mussten Cassia und Ky sich wieder trennen. Cassia arbeitet in der Hauptstadt, Ky wird zum Piloten ausgebildet, während beide darauf warten, dass die Erhebung die Gesellschaft stürzt. Dies passiert, indem sie eine Seuche freisetzen. Doch die Situation gerät außer Kontrolle, der Virus droht die gesamte Bevölkerung auszurotten. Cassia, Ky und Xander versuchen ihn aufzuhalten...

Selten ist es mir so schwer gefallen einen Zugang zu einer Geschichte zu finden, wie bei ‟Die Ankunft“. Obwohl ich den zweiten Band, ‟Die Flucht“, eigentlich noch gut in Erinnerung hatte, waren in meinem Kopf am Anfang nur Fragezeichen. Was machen die Protagonisten da? Wo ist der Sinn? Was passiert da eigentlich?
Im Gegensatz zu den meisten anderen, fand ich den zweiten Band der Trilogie bisher am stärksten, da, nach dem etwas verträumten, langsamen Anfang in Form von ‟Die Auswahl“, in ‟Die Flucht“ der dystopische Anteil, die Gesellschaft als Gefahr, endlich greifbarer wurde. Um so mehr hatte ich jetzt ihren Sturz in Band 3 erwartet. Neben all den schönen Worten brauchte die Geschichte doch endlich mal Handfestes. Einen Kampf, eine Revolution, eine Veränderung – irgendetwas was die Gesellschaft als Kontrollorgan herausgestellt hätte, aber genau das kam nicht.

Die erste Hälfte des Buches verging und es passierte...nichts. Und selbst danach bleibt die Dystopie vollständig auf der Strecke. Die Gesellschaft ist weg – ganz plötzlich. Die Erhebung ist da, der ‟Steuermann“ übernimmt das Ruder. Von diesem eigentlichen Umbruch bekommt der Leser nicht mehr mit, als ein paar subtile Andeutungen. Denn während die Seuche freigesetzt und die Gesellschaft von der Erhebung abgelöst wird, üben die drei Hauptprotagonisten und Ich-Erzähler (nach Ky hat im dritten Band auch Xander diese Rolle eingenommen) ihre Tätigkeiten am Rande dieses Umbruches aus und sind niemals wirklich dabei – der Leser somit auch nicht. Das war langweilig. Ky transportiert als Pilot Gegenmittel, Xander hilft als Arzt bei der Behandlung der Seuche und Cassia...ganz ehrlich, Cassia war einfach nur noch irrelevant.

Während der Virus die gesamte Menschheit bedroht, scheint Cassia in ihrer eigenen kleinen Traumwelt umherzuwandeln. Sie schreibt Gedichte und Liedtexte und philosophiert stundenlang über die Schönheit ihrer Worte – kein Problem, um sie herum sterben ja bloß ein paar Menschen. Dieser eigentlich spannende Teil der Geschichte, die Mutation des Virus', war bei ihr am Anfang überhaupt nicht präsent. Sie wirkte so weltfremd, noch viel hilfloser als zu Beginn der Trilogie. Die Entwicklung, die dieser Charakter genommen hat, war einfach nur erschreckend. Sollte die Entdeckung von Worten, von Literatur, das zur Folge haben? Hätte sie nicht zu einem stärkeren Charakter reifen sollen? Stattdessen schwebte sie offenbar in anderen Sphären und drohte endgültig jegliche Bodenhaftung zu verlieren.

So war Cassias Rolle in dieser Dystopie irgendwie nur lächerlich, denn im Gegensatz zu Xander, der wenigstens rudimentäre medizinische Grundkenntnisse besitzt, kann Cassia eigentlich gar nichts – ach ja, außer ‟Sortieren“ natürlich. Diese beeindruckende Fähigkeit, die – ebenso beeindruckend – in drei Bänden nie mehr als nur oberflächlich beschrieben wurde und irgendeine Form der Datenverarbeitung darzustellen scheint. Und zwischen all den erfahrenen Sortieren, Piloten und Medizinern sind es ausgerechnet eine Poesie-verliebte junge Sortiererin ohne großartige Berufserfahrung, ein junger Arzt ohne großartige Berufserfahrung und ein junger Pilot ohne – richtig – großartige Berufserfahrung, die gemeinsam die Welt retten können. Das ist doch mal total einleuchtend, oder?

Genau, das ist es nicht im Geringsten. Mit der Zeit finden die drei Ich-Erzähler natürlich wieder zu einander, hier hätte es spannend werden können. Aber während Xander wenigstens bei der Bekämpfung der Seuche eine tragende Rolle einnehmen und sich entwickeln kann, bliebt Ky vollkommen blass. Er war nicht mehr als ein Schatten seiner selbst und blieb dies auch. Allerdings kann auch Xander nicht nur überzeugen. Sein Schwermut hat fast depressive Züge.
Die Handlung selbst, die Suche nach dem Gegenmittel für den Virus, war außerdem leider nur absurd. Medizin aus Blümchen machen und währenddessen Lieder singen und Gedichte schreiben – dann wird schon alles wieder gut. Ich konnte kaum noch glauben, was für sinnloses Zeug ich hier teilweise lesen musste.
 
Sprachlich ist ‟Die Ankunft“ wie man es von der Trilogie gewohnt ist. Nachdenklich erzählt, mit sehr vielen (zu vielen) Ausschmückungen und schönen Worten – nur das die jetzt nicht mehr darüber hinwegtäuschen können, dass die Reihe inhaltlich einfach nur leer ist. Die Autorin hat eine Welt erschaffen, eine Dystopie, der sie keine Tiefe geben kann. Jeder greifbare Ansatz verpufft, die Gesellschaftskritik löst sich in Luft auf. Am Ende des Buches begleitete mich ein dumpfes Gefühl. Von der Geschichte ist nichts übrig geblieben, alles, womit sie auftrumpfen kann sind große Worte und viel Pathos. Die Idee hinter der Gesellschaft wurde leider nur halbherzig und mit vielen Unstimmigkeiten zu Ende erzählt. Es wirkte mühselig, als seien der Autorin zwischendurch die Ideen ausgegangen. Keine Emotionen, keine Spannung, keine Atmosphäre. Ich finde für meine Enttäuschung über den Verlauf dieses Abschlusses kaum die richtigen Worte. War die Autorin mir ihrer eigenen Geschichte überfordert? Es scheint leider so...

Fazit: Ich bin sehr enttäuscht. Am Ende entpuppt sich die gesamte Trilogie als inhaltlich leer, als Dystopie ohne jede Tiefe. Schöne Worte können darüber nicht mehr hinwegtäuschen. Blasse Charaktere und eine Handlung ohne Spannung, die teilweise zum Absurden neigt, kennzeichnen diesen Abschluss. Nur ganz knappe zwei Sterne. 




Die "Cassia & Ky" - Trilogie (mit Links zu Amazon.de)
  1. "Die Auswahl" (Jan. 2011, engl. Originaltitel "Matched") - meine Rezension
  2. "Die Flucht" (Jan. 2012, engl. Originaltitel "Crossed") - meine Rezension
  3. "Die Ankunft" (Jan. 2013, engl. Originaltitel "Reached")

Allgemeine Informationen


Ausgabe: Gebunden, Jan. 2013
Seiten: 608
Verlag: FJB
empfohlenes Alter: ab 14 Jahren
ISBN: 978-3-8414-2151-7
Preis: € [D] 16.99

 
Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage



Mittwoch, 1. Mai 2013

Rezension zu "Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen" von Gina Rosati



Wunderschön, aber schrecklich oberflächlich

‟Auracle – Ein Mädchen, zwei Seelen“ von Gina Rosati ist ein Urban-Fantasy-Roman aus dem Jugendbuchbereich, vom Verlag empfohlen ab 14 Jahren. Schon auf den ersten Blick fällt auf: Das Buch ist ein echter Hingucker. Das Motiv, vom englischen Originalcover übernommen, wirkt verträumt, der Schutzumschlag zudem auch noch beschichtet, sodass er sich leicht samtig anfühlt – einfach wunderschön. Ich wünschte, ich könnte nach dem Lesen vom Inhalt das Gleiche sagen...

Bevor ich aber zu meinem Urteil komme, kurz ein paar Worte dazu, worum es in diesem Buch überhaupt geht.

Inhalt:  
Anna ist eine unauffällige Schülerin mit einer besonderen Gabe. Sie kann ihren Körper verlassen und nutzt dies, um nachts die ganze Welt zu bereisen. Ihr bester Freund Rei warnt sie immer wieder vor den möglichen Gefahren ihrer Reisen, doch Anna will nichts davon hören, bis eines Tages ihre Mitschülerin Taylor bei einem Unfall ums Leben kommt und ihr Geist Annas Körper besetzt, als sie ihn gerade verlassen hat. Taylor lässt Anna nicht in ihren Körper zurückkehren und beschuldigt in ihrem neuen Körper auch noch einen Unschuldigen, Taylor ermordet zu haben. Anna muss sich etwas einfallen lassen, um ihren Körper zurückzubekommen, bevor Taylor zu viel Schaden anrichtet...

Es ist immer das Gleiche: Wo anfangen, wenn man eigentlich nichts an einem Roman wirklich mochte? Abgesehen von der Grundidee, die fand ich nämlich wirklich sehr gut. Annas Gabe wird zwar nicht näher erläutert und bleibt auch insgesamt leider ohne nennenswerten Hintergrund, aber die Idee von Annas Astralreisen war interessant und auf den ersten Blick auch ganz ansprechend umgesetzt. Doch auch hier offenbart sich schon das meiner Meinung nach größte Problem des gesamten Buches: Keine Tiefe. Nichts. Alles, wirklich alles, ist so schrecklich oberflächlich, dass es mir für die Idee des Romans leid getan hat. Dieser äußerlich so schön gestaltete Roman mit der an sich interessanten Grundidee hätte eine bessere Umsetzung so sehr verdient – was er bekommen hat, waren meiner Meinung nach größtenteils unausgereift und schwach. Die Autorin kratzt so viele Themen an der Oberfläche an, lässt sie dann aber ohne wirkliche Aufarbeitung im Sande verlaufen.

Diese oberflächliche Betrachtung findet sich zum Beispiel auch in den meisten einschneidenden Erlebnisse der Protagonisten, über die sich deren Charaktere stark definieren. Annas alkoholkranker Vater, Reis Druck ausübende Mutter, Seth' mangelnde emotionale Selbstkontrolle, seit er von seiner Mutter verlassen wurde, und zu guter Letzt die Gerüchte um Taylors Vergangenheit, die eine Abtreibung und eine Anschuldigung wegen Vergewaltigung beinhalten. Das ist viel Stoff für einen nicht einmal 400 Seiten starken Roman und letztendlich war es einfach zu viel. Die Themen werden angeschnitten, doch der Umgang mit, die mangelnde Tiefe mit der sie abgehandelt werden, wirkte wie Überforderung. Alles, was die Autorin herausholen kann, sind Klischees, eine schwache, vorhersehbare Liebesgeschichte und unglaubwürdige Charakterentwicklungen.

So ist Anna, die Ich-Erzählerin dieses Buches, das nette, normale Mädchen. Sie ist 16, schminkt sich nicht, macht sich nichts aus ihrer Kleidung, ist eine durchschnittliche Schülerin – um es kurz zu machen: Ohne ihre Fähigkeit, sich aus ihrem Körper lösen zu können und als Astralprojektion durch die Welt zu reisen, wäre sie sterbenslangweilig, die Schlaftablette vom Dienst. Ihren alkoholkranken Vater fürchtet sie zwar, ihre Mutter, die das hinzunehmen scheint, versteht sie – verständlicherweise – nicht, aber sie rebelliert auch nicht, ganz im Gegenteil sogar. Sie nimmt es hin. Emotional wirkt Anna dadurch sehr flach. Über eine größere Rolle als die der Beobachterin kommt dieser Charakter nicht hinaus.

In Taylor findet die Autorin das nächste Klischee. Anna, die Unscheinbare ist natürlich das nette Mädchen, Taylor, die Beliebte, die sich schminkt, kurze Röcke, weit ausgeschnittene Tops und High Heels trägt, ist ihr Gegenstück: Die Böse. So einfach ist das für die Autorin. Auf gefühlt jeder zweiten Seite wird Taylors Kleidungsstil erwähnt, natürlich trinkt sie auch Alkohol und ist wie besessen davon, möglichst schnell mit irgendwem in die Kiste zu hüpfen. Man könnte ja meinen, dass auch die berechnende ‟Böse“, immerhin auch nur ein junges Mädchen, vielleicht erst einmal überrascht wäre, wenn sie nach ihrem Tod plötzlich in einem fremden Körper aufwacht, aber von dieser nachdenklicheren Seite bekommt der Leser kaum etwas präsentiert. Als sei es selbstverständlich, andere Körper besetzen zu können, spricht Taylor mit Annas Astralprojektion und, während sie Seth' Leben zerstört und sich möglichst viele Piercings in die Haut jagt, scheint Taylor sich mit ihrer neuen Identität ganz schnell zu arrangieren. Das war so unglaubwürdig – alles an diesem Charakter, der so spannend hätte sein können, war flach, so klischeehaft. Ich konnte wirklich nur mit dem Kopf schütteln.

Wenn das Buch dann wenigstens sprachlich noch herausgestochen wäre, aber gerade wenn es zum Schreibstil kommt, fällt mir endgültig kaum noch Positives zu ‟Auracle“ ein. Alles wirkt ein wenig plump, die Sprache hat selbst für die empfohlene Altersgruppe einfach zu wenig Anspruch und zu guter Letzt ist leider auch der Aufbau der Erzählung oft nur einfallslos zu nennen. Das kommt besonders dann zum Tragen, wenn die Autorin dem Leser Hintergrundinformationen liefern möchte. Sie schafft es schlicht nicht, Übergänge zu finden, die flüssig wirken. Stattdessen hangelt sie sich in Annas Gedanken von einem Punkt zum Nächsten, versucht Brücken zu finden, wo kaum welche zu erahnen sind, was es für den Leser sehr schwierig macht, in Annas Gedanken so etwas wie Natürlichkeit zu finden, und zählt dann recht schnell und ohne erkennbare Zusammenhänge einige Fakten auf. Ausschmückungen jeder Art fehlen fast völlig.

‟Auracle“ war für mich von Anfang an verbunden mit einem Gefühl von Unbeholfenheit – als hätte die Autorin es anders erzählen wollen, aber nicht gekonnt. Sicher kann man bei einem Debütroman noch das ein oder andere Auge zudrücken, aber selbst dann bleibt ‟Auracle“ noch ein sprachlich eher schwacher Vertreter des Jugendbuchs.
Leider schleichen sich zu allem Überfluss auch noch ein paar sehr fragwürdige grammatikalische Konstruktionen und holprige Formulierungen ein, sodass ich auch der Übersetzung kein Kompliment machen kann.

Zu guter Letzt hätte eine Liebesgeschichte vielleicht noch einiges retten können, aber auch die war eher schwach. Zwar war sie, nach anfänglich wirklich sehr plumpen Schwärmereien von Annas Seite, erstaunlich wenig kitschig und hat sich Zeit gelassen, ansprechen konnte sie mich aber nicht, denn, da bin ich ganz ehrlich, wenn zwei nette, aber langweilige Charaktere nette, aber langweilige Gefühle füreinander entdecken, dann kann dabei nicht viel mehr raus kommen als ‟nett“, aber langweilig. Und so war es auch.

Spannung kam leider auch nicht auf, und das obwohl das Buch viele Elemente eines Krimis hatte. Seth, des Mordes beschuldigt, auf der Flucht, seine Freunde Rei und Anna, die alles dran setzen, seine Unschuld zu beweisen. Aber Anna macht kaum mehr, als umherzufliegen in ihrer astralen Form, und die Ideen, die sie mir Rei entwickelt, um Taylor aus ihrem Körper zu bekommen, sind bestenfalls merkwürdig. Überhaupt sind die Fantasyelemente nicht immer logisch und Annas Fähigkeiten werden auch mehr als schwach erklärt. Im passenden Moment entdeckt Anna zur Not, dass sie in ihrer außerkörperlichen Form doch mehr kann, als zunächst angenommen. Wieso, warum, weshalb erfährt der Leser nicht, aber die Probleme sind dadurch immer schnell gelöst, sodass es in ‟Auracle“ kaum nennenswerte Konflikte gibt.

Fazit: Schade, Potential verschenkt, und zwar in so einem Umfang, dass es mir beim Lesen fast weh tat. Aus einer interessanten Grundidee wurde nichts gemacht, das Buch ist sprachlich schwach und inhaltlich oberflächlich. Trotz des wunderschönen Äußeren kann ich es nicht weiterempfehlen. 2 Sterne.



Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden, Feb. 2013
Seiten: 368
Verlag: Bloomoon
empfohlenes Alter: ab 14 Jahren
englischer Originaltitel: "Auracle"
ISBN: 978-3760789071
Preis: € [D] 16.99

Leseprobe, weitere Informationen und Bestellmöglichkeit auf der Verlagshomepage
Dieses Rezensionsexemplar stammt von Blogg dein Buch







Mittwoch, 27. März 2013

Rezension zu "Erwacht im Morgengrauen" von C.C. Hunter (Shadow Falls Camp 2)



Jungsprobleme sind eben wichtiger...

‟Erwacht im Morgengrauen“ von C.C. Hunter ist der zweite Band der ‟Shadow Falls Camp“-Reihe der amerikanischen Autorin. Contemporary-Fantasy für Jugendliche. Mit dem ersten Band kann der zweite leider nicht mithalten.
Aber vor der ausführlichen Rezension, in diesem Fall übrigens zum Hörbuch, noch ein kurzer Blick auf den Inhalt:
 
Obwohl sie jetzt schon einige Wochen im Shadow Falls Camp ist und sich ihre Fähigkeiten immer deutlicher zeigen, weiß Kylie immer noch nicht, was für eine Art übersinnliches Wesen sie ist. Ein Vampir? Ein Werwolf? Eine Fee? Oder etwas ganz anderes? Seit einiger Zeit erscheint ihr zudem immer der Geist einer Frau, der sie vor dem Tod einer geliebten Person warnt und um Hilfe bittet. Doch wer soll sterben?

So viel zum Inhalt, jetzt zu der Qual, die er mir beim Anhören teilweise bereitet hat. Als der erste Band, ‟Geboren um Mitternacht“, mit der Zeile "Für alle Fans von 'House of Night'" warb, habe ich dem noch widersprochen. Denn den Auftakt der ‟Shadow Falls Camp“-Reihe fand ich tatsächlich deutlich besser als jeden Band der ‟House of Night“-Reihe vom Mutter-Tochter-Gespann Cast, die mir durch ihre unerträglich einfach gestrickte Sprache zusammen mit den auf dümmlichste Weise hormongesteuerten Protagonisten schnell die Belastungsgrenze meiner Nerven zeigten. ‟Erwacht im Morgengrauen“ nähert sich diesem Niveau im zweiten Teil allerdings leider so sehr an, dass ich mittlerweile nicht mehr widersprechen kann - ‟Shadow Falls Camp“ ist für Fans von ‟House of Night“ geeignet. Für mich damit offensichtlich eher nicht (mehr).
 
Während der erste Band noch ganz interessant war, stellt man beim zweiten schnell fest, dass Kylie ein ziemlich oberflächliches Huhn ist, ohne nennenswerte Fähigkeiten im Bereich des simplen Nachdenkens vorweisen zu können. Deswegen versucht sie es vermutlich auch gar nicht erst. Regelmäßig taucht der Geist auf, der sie warnt, dass eine von ihr geliebte Person bald sterben wird. Leider kann der Geist Kylie nicht sagen, wer es ist – überschüttet unsere Hauptprotagonistin alias Miss ‟Schwer-von-Begriff“ aber dafür mit Hinweisen, die mich als Leser ansprangen, von Kylie aber frustrierenderweise ignoriert wurden. Zu Kylies Glück – Achtung, Ironie – verschwand dieser nervige, unkommunikative Geist aber netterweise jedes Mal recht schnell wieder und Kylie konnte ihre Gedanken wichtigeren Dingen zuwenden als dieser Lappalie. Welche Bedeutung hat schon der bevorstehende Tod einer geliebten Person, wenn man so viel größere Probleme hat?

Jungsprobleme zum Beispiel. Derek, der alles daran setzt, Kylie für sich zu gewinnen, oder doch Lucas, der zwar gerade nicht mehr im Camp ist, aber Kylie nicht aus dem Kopf geht? Wenn solche wichtigen Fragen Kylies hübschen Köpfchen beschäftigen, wie soll sie da noch die Zeit finden, herauszubekommen, wer wohl demnächst sterben könnte. Mal ehrlich, der Tod wird nicht schon Morgen an die Tür klopfen, der Geist kommt bestimmt noch mal wieder – auch wenn er langsam drängelnder wird. Lucas oder Derek, das ist das weltbewegende Dilemma. Oder etwa nicht? … Ja, was soll ich sagen, mir haben sich Kylies Prioritäten auch nicht ganz erschlossen. Selbst für einen verliebten Teenager in einem oberflächlichen Jugendbuch ist sie erschreckend selten gedanklich bei der Sache. Dafür ist sie weinerlich, nervig, dumm und anstrengend.

Bedauerlicherweise findet Kylie für das weltbewegende Jungsproblem auch keine Lösung, sondern dreht sich einfach immer nur im Kreis. So kann man eine Dreiecksbeziehung zwar sicherlich auch gestalten – muss man aber nicht. Ehrlich nicht.

Der Handlung hat das jedenfalls nicht gut getan, denn sie geht kaum voran. Insbesondere der spannende Kern – wen meint der Geist? – wird erst, wie bereits erwähnt, kaum beachtet, dann blitzschnell abgehandelt, um zum Ende hin mit einer völlig unvorbereiteten, grausig schlecht umgesetzten und unsinnig wirkenden Wendung aufzuwarten, die ebenfalls schon wieder abgeschlossen ist, kaum dass sie begonnen hat. Die ganze Geschichte scheint ohne Konzept zusammengeschustert. Jungs, böse Vampire, Eltern in der Ehekrise, den Tod verkündender Geist, Kylies Abstammung, Kylies Fähigkeiten, Liebesleben einer Campleiterin, Liebesleben der Freundinnen... und und und. Das alles musste irgendwie in dieses Buch passen und im Endeffekt kommt jeder einzelne Punkt – bis auf die Jungs und das Liebesleben diverser Protagonisten – um Längen zu kurz. Die Spannung fehlt vollkommen und viel Sinn ergibt das meiste leider auch nicht.

Sprachlich muss man selbstverständlich berücksichtigen, dass man ein Jugendbuch in der Hand hält. Da ich das – also Jugendbücher in der Hand halten – allerdings öfter tue, kann ich guten Gewissens sagen, dass der Schreibstil der Autorin leider eher schwach ist. Kurze Sätze, wenig Abwechslung, eher dinglich-nüchterne als Atmosphäre-schaffende Beschreibungen, keine Raffinesse.

Die Hörbuch-Sprecherin Shandra Schadt (wer den ersten Band als Hörbuch gehört hat, muss sich hier leider auf einen Sprecherwechsel einstellen) übertreibt teilweise zwar die Betonungen ein wenig, macht ihre Sache ansonsten aber sehr gut und hat eine angenehme Vorlesestimme. Das Hörbuch ist eine gekürzte Fassung, aber bei so vielen irrelevanten, sich wiederholenden Passagen, wie ich sie hier erleben musste, Passagen also, die keiner Streichung zum Opfer gefallen sind, kann ich mir kaum vorstellen, dass Relevantes fehlt. Das Buch, beziehungsweise das Hörbuch, hätten gut und gerne noch einmal um mindestens ein Viertel gekürzt werden können, denn was den Handlungsfortschritt angeht, so ist dieser einfach zu gering im Vergleich zum Umfang.

Fazit: Kein wirkliches Hörvergnügen. Viele Hormone, wenig Handlung, eine frustrierend desinteressierte Protagonistin mit Hang zur Weinerlichkeit. Leider ein deutlicher Rückschritt im Vergleich zum ersten Band. Ich muss leider von diesem (Hör-)Buch abraten. Knappe 2 Sterne
 
 
Die "Shadow Falls Camp"-Reihe (mit Links zu Amazon):
  1. "Geboren um Mitternacht" (Juni 2012, englische Originalausgabe "Born at Midnight") - meine Rezension
  2. "Erwacht im Morgengrauen" (Dez. 2012, englische Originalausgabe "Awake at Dawn")
  3. "Entführt in der Dämmerung" (März 2013, englische Originalausgabe "Taken at Dusk")
  4. Noch nicht bekannt (englische Originalausgabe "Whispers at Moonrise")
  5. Noch nicht bekannt (englische Originalausgabe "Chosen at Nightfall")


Allgemeine Informationen

DAS BUCH

Ausgabe: Klappenbroschur
Seiten: 528
Verlag :Fischer FJB
ISBN: 978-3841421289
Preis: € [D] 14.99

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage zum Buch

DAS HÖRBUCH

6 CDs,  445 Minuten
Gekürzte Lesung
ISBN: 978-3-86231-250-4
Sprecher: Shandra Schadt

Hörprobe und weitere Informationenauf der Verlagshomepage