Postapokalyptische Teenager-Welt
"Young World - Die Clans von New York" ist der Debütroman des
US-amerikanischen Drehbuchautoren, Produzenten und Regisseurs Chris
Weitz, der sich unter anderem für die Verfilmung des zweiten
"Twilight"-Bandes, "New Moon", verantwortlich zeichnet. Mit diesem
Auftakt einer Trilogie, der vom Verlag ab einem Alter von 14 Jahren
empfohlen wird, widmet sich Weitz einem postapokalyptischen Szenario vor
der beeindruckenden Kulisse eines im Chaos versunkenen New Yorks.
Inhalt:
Rund ein Jahr ist vergangen, seit eine Seuche alle Erwachsenen und
kleinen Kinder auf der ganzen Welt ausgerottet hat. Nur die Teenager
sind übriggeblieben. In New York City organisieren sie sich in Clans,
doch eine Zukunft scheint es für die Menschheit nicht zu geben, denn
noch immer stirbt jeder, der das Erwachsenenalter erreicht, an der
unbekannten Krankheit. Als der Washington-Square-Clan auf Hinweise
stößt, die zur Heilung der Krankheit führen könnten, begeben sich fünf
seiner Mitglieder auf eine gefährliche Reise quer durch die Stadt...
Der
Roman beginnt recht gut: Der Leser ist bei einem Zusammentreffen des
Washington-Sqaure-Clans mit Besuchern eines anderen Clans vor seinen
Toren - gefolgt von einer spannenden, beunruhigenden Auseinandersetzung -
mitten im Geschehen und bekommt dadurch direkt einen Eindruck von der
Struktur dieser postapokalyptischen Welt, die nur noch aus Teenager
besteht, von den Sorgen und Nöten des Clans und von den Gefahren, die
außerhalb ihres abgeschotteten Territoriums lauern. Auf diesen ersten
Seiten schafft der Autor außerdem bereits erste emotionale Höhen und
Tiefen, welche die Charaktere zugänglich machen. Leider kann Weitz
dieses Niveau nicht halten.
Die erste Schwäche offenbart sich
nach einigen Kapiteln bereits im Schreibstil beziehungsweise in den
unterschiedlichen Sprachstilen, die der Autor den beiden Hauptfiguren
und Ich-Erzählern zugedacht hat. Zunächst funktionierte diese
Unterteilung recht gut und unterstützte die ersten Eindrücke von
Jefferson - gutaussehender, gebildeter Dann-und-Wann-Nerd und Anführer
des Washington-Square-Clans - und Donna - sarkastisches, locker,
gelegentlich leicht wirr daher redendes Power-Mädchen, das immer einen
Spruch auf den Lippen hat und die Apokalypse "Poky" nennt. Zu Anfang
gelingt der Versuch, die beiden Persönlichkeiten auch durch ihre
unterschiedliche Sprache authentisch darzustellen, doch im Laufe der
Geschichte scheint dieses Anliegen in Vergessenheit zu geraten - zu oft
erzählten Jefferson und Donna ähnlich neutral, sodass sie ein einziger
unabhängiger Erzähler hätten sein können, wären da nicht die
Ich-Perspektive und die für jeden der beiden charakteristische
Schriftart gewesen, die zumindest optisch noch erkennen ließ, wer im
aktuellen Kapitel am Zug war, wenn es dank sprachlichem Einheitsbrei
längst nicht mehr möglich war.
Neben Donna und Jefferson
konzentriert sich die Handlung auf drei weitere Mitglieder des Clans,
die zusammen mit den beiden aufbrechen, um sich auf die Suche nach
Forschungsergebnissen zu machen, die ihnen möglicherweise bei der
Heilung der Krankheit helfen könnten. Alle Intelligenz der kleinen
Truppe konzentriert sich dabei in einer Figur, genannt Brainbox.
Jeffersons Freund ist ein Genie mit eingeschränkten sozialen
Kompetenzen, der mit einer gewissen Undurchsichtigkeit zu einem
interessanten Charakter mit Konfliktpotenzial getaugt hätte, hätten die
Ich-Erzähler sich gelegentlich die Zeit genommen, ihn genauer zu
durchdenken und ihn somit mehr ins Blickfeld des Lesers zu bringen.
Stattdessen sind die beiden im Wesentlichen auf sich selbst fokussiert.
Während bei Donna durch ihre Erinnerungen an ihren kleinen Bruder
Charlie noch ein gewisser Zugang auf menschlicher Ebene möglich ist,
wird Jefferson zunehmend unsympathischer, schwankt zwischen plumpem
Macho und bettelndem Weichei und entwickelt sich eher zum kaltblütigen
Mann fürs Grobe als zu einem überzeugenden Anführer. Das ausgerechnet er
und Donna für eine Liebesgeschichte, angefacht seit Kindergartentagen,
herhalten müssen, wirkt an den Haaren herbeigezogen, denn zumindest ich
konnte zwischen den beiden Protagonisten nichts Verbindendes oder gar
Romantisches ausmachen.
Aufgefüllt wird die Reisegruppe von der
kleinen Geheimwaffe SeeThrough, die in meinen Augen ihr Potenzial
ähnlich wie Brainbox nicht entfalten konnte, und Peter, einem Freund von
Donna, der mehr oder weniger grundlos Teil der Gemeinschaft wird und
derart unwichtig war, dass ich in dem sehr christlichen, homosexuellen
Afroamerikaner leider nicht mehr entdecken konnte als die Erfüllung
einer religiösen, sexuellen und ethnischen Quote - alles vereint in
einer Figur, die, wenn sie denn überhaupt mal in Erscheinung tritt,
maximal nervt.
Die Handlung entwickelt sich derweilen zu einer
Aneinanderreihung von Etappen, deren Verbindung nicht gelingen will. Es
scheint als wollte der Autor möglichst viele unterschiedliche
Gesellschaftsmodelle darstellen, die in einer postapokalyptischen Welt
dankbar wären. So reiht sich ein Clan an den nächsten, für ein
Jugendbuch sehr blutige Kämpfe werden ausgefochten, Gegner aufgebaut und
Verbündete eingeflochten, doch nichts scheint am Ende noch Relevanz zu
haben. Es bleibt abzuwarten, ob sich all diese Fäden noch einmal in den
folgenden beiden Teilen der Trilogie aufnehmen lassen oder ob jede
dieser Etappen tatsächlich so unabgeschlossen abhackt verbleiben wird.
Ich jedenfalls konnte keine fortlaufende Handlung erkennen.
Zu
guter Letzt ergänzen weitere Kleinigkeiten den eher unrunden
Gesamteindruck dieses Romans. Warum die Seuche im Harry-Potter-Stil
"Das, was passiert ist" genannt wurde, erschloss sich mir genauso wenig,
wie einige beschriebene Szenerien, darunter zum Teil auch das von
Waffen und Blut dominierte Zusammenleben der Clans, die ich für die
postapokalyptische Grundidee einer tödlichen Krankheit, die in
absehbarer Zeit die gesamte Menschheit dahingerafft haben würde, nicht
authentisch fand. Zwar versucht der Autor Erklärungen zu präsentieren,
aber richtig glaubwürdig wurde die gesamte Konstruktion für mich nicht,
sodass ich auch zu der Atmosphäre der "jungen Welt" keinen rechten
Zugang finden konnte.
Fazit: Leider enttäuschte mich "Young World
- Die Clans von New York" nach den ersten starken Seiten zunehmend. Die
Hauptcharaktere sind profillos und unsympathisch, ihre Begleiter
bleiben zu blass, die Idee scheint zu unausgereift und die Handlung zu
unzusammenhängend. Am Ende kann ich diesem blutigen Trilogie-Auftakt
nicht viel abgewinnen und vergebe nur 2 von 5 Sternen - für die
Folgebände bleibt viel Luft nach oben.
Die Trilogie
- "Young World - Die Clans von New York" (Sep. 2015, engl. Originaltitel: "The Young World")
- ??? (engl. Originaltitel: "The New Order")
- ???
Allgemeine Informationen
Ausgabe: Gebunden, mit Schutzumschlag
Originaltitel: The Young World
Erschienen: 22. September 2015
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Seiten: 384 Seiten
Verlag: dtv
ISBN: 978-3423761215
Preis: € [D] 18.95
Leserpobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage zum Buch
und über das Website-Spezial
Hallo :),
AntwortenLöschenwirklich schade, dass dich das Buch nicht begeistern konnte. Eigentlich steht es auch noch auf meiner Wunschliste :D.
Ich freue mich wirklich sooooooo sehr mal wieder einen Beitrag von dir zu lesen ♥. Das letzte 3/4 Jahr habe ich deinen Blog echt vermisst.
LG Conny ♥