Montag, 21. September 2015

Rezension zu "Young World - Die Clans von New York" von Chris Weitz




Postapokalyptische Teenager-Welt

"Young World - Die Clans von New York" ist der Debütroman des US-amerikanischen Drehbuchautoren, Produzenten und Regisseurs Chris Weitz, der sich unter anderem für die Verfilmung des zweiten "Twilight"-Bandes, "New Moon", verantwortlich zeichnet. Mit diesem Auftakt einer Trilogie, der vom Verlag ab einem Alter von 14 Jahren empfohlen wird, widmet sich Weitz einem postapokalyptischen Szenario vor der beeindruckenden Kulisse eines im Chaos versunkenen New Yorks. 

Inhalt: Rund ein Jahr ist vergangen, seit eine Seuche alle Erwachsenen und kleinen Kinder auf der ganzen Welt ausgerottet hat. Nur die Teenager sind übriggeblieben. In New York City organisieren sie sich in Clans, doch eine Zukunft scheint es für die Menschheit nicht zu geben, denn noch immer stirbt jeder, der das Erwachsenenalter erreicht, an der unbekannten Krankheit. Als der Washington-Square-Clan auf Hinweise stößt, die zur Heilung der Krankheit führen könnten, begeben sich fünf seiner Mitglieder auf eine gefährliche Reise quer durch die Stadt...

Der Roman beginnt recht gut: Der Leser ist bei einem Zusammentreffen des Washington-Sqaure-Clans mit Besuchern eines anderen Clans vor seinen Toren - gefolgt von einer spannenden, beunruhigenden Auseinandersetzung - mitten im Geschehen und bekommt dadurch direkt einen Eindruck von der Struktur dieser postapokalyptischen Welt, die nur noch aus Teenager besteht, von den Sorgen und Nöten des Clans und von den Gefahren, die außerhalb ihres abgeschotteten Territoriums lauern. Auf diesen ersten Seiten schafft der Autor außerdem bereits erste emotionale Höhen und Tiefen, welche die Charaktere zugänglich machen. Leider kann Weitz dieses Niveau nicht halten.

Die erste Schwäche offenbart sich nach einigen Kapiteln bereits im Schreibstil beziehungsweise in den unterschiedlichen Sprachstilen, die der Autor den beiden Hauptfiguren und Ich-Erzählern zugedacht hat. Zunächst funktionierte diese Unterteilung recht gut und unterstützte die ersten Eindrücke von Jefferson - gutaussehender, gebildeter Dann-und-Wann-Nerd und Anführer des Washington-Square-Clans - und Donna - sarkastisches, locker, gelegentlich leicht wirr daher redendes Power-Mädchen, das immer einen Spruch auf den Lippen hat und die Apokalypse "Poky" nennt. Zu Anfang gelingt der Versuch, die beiden Persönlichkeiten auch durch ihre unterschiedliche Sprache authentisch darzustellen, doch im Laufe der Geschichte scheint dieses Anliegen in Vergessenheit zu geraten - zu oft erzählten Jefferson und Donna ähnlich neutral, sodass sie ein einziger unabhängiger Erzähler hätten sein können, wären da nicht die Ich-Perspektive und die für jeden der beiden charakteristische Schriftart gewesen, die zumindest optisch noch erkennen ließ, wer im aktuellen Kapitel am Zug war, wenn es dank sprachlichem Einheitsbrei längst nicht mehr möglich war.

Neben Donna und Jefferson konzentriert sich die Handlung auf drei weitere Mitglieder des Clans, die zusammen mit den beiden aufbrechen, um sich auf die Suche nach Forschungsergebnissen zu machen, die ihnen möglicherweise bei der Heilung der Krankheit helfen könnten. Alle Intelligenz der kleinen Truppe konzentriert sich dabei in einer Figur, genannt Brainbox. Jeffersons Freund ist ein Genie mit eingeschränkten sozialen Kompetenzen, der mit einer gewissen Undurchsichtigkeit zu einem interessanten Charakter mit Konfliktpotenzial getaugt hätte, hätten die Ich-Erzähler sich gelegentlich die Zeit genommen, ihn genauer zu durchdenken und ihn somit mehr ins Blickfeld des Lesers zu bringen. Stattdessen sind die beiden im Wesentlichen auf sich selbst fokussiert. Während bei Donna durch ihre Erinnerungen an ihren kleinen Bruder Charlie noch ein gewisser Zugang auf menschlicher Ebene möglich ist, wird Jefferson zunehmend unsympathischer, schwankt zwischen plumpem Macho und bettelndem Weichei und entwickelt sich eher zum kaltblütigen Mann fürs Grobe als zu einem überzeugenden Anführer. Das ausgerechnet er und Donna für eine Liebesgeschichte, angefacht seit Kindergartentagen, herhalten müssen, wirkt an den Haaren herbeigezogen, denn zumindest ich konnte zwischen den beiden Protagonisten nichts Verbindendes oder gar Romantisches ausmachen.

Aufgefüllt wird die Reisegruppe von der kleinen Geheimwaffe SeeThrough, die in meinen Augen ihr Potenzial ähnlich wie Brainbox nicht entfalten konnte, und Peter, einem Freund von Donna, der mehr oder weniger grundlos Teil der Gemeinschaft wird und derart unwichtig war, dass ich in dem sehr christlichen, homosexuellen Afroamerikaner leider nicht mehr entdecken konnte als die Erfüllung einer religiösen, sexuellen und ethnischen Quote - alles vereint in einer Figur, die, wenn sie denn überhaupt mal in Erscheinung tritt, maximal nervt.

Die Handlung entwickelt sich derweilen zu einer Aneinanderreihung von Etappen, deren Verbindung nicht gelingen will. Es scheint als wollte der Autor möglichst viele unterschiedliche Gesellschaftsmodelle darstellen, die in einer postapokalyptischen Welt dankbar wären. So reiht sich ein Clan an den nächsten, für ein Jugendbuch sehr blutige Kämpfe werden ausgefochten, Gegner aufgebaut und Verbündete eingeflochten, doch nichts scheint am Ende noch Relevanz zu haben. Es bleibt abzuwarten, ob sich all diese Fäden noch einmal in den folgenden beiden Teilen der Trilogie aufnehmen lassen oder ob jede dieser Etappen tatsächlich so unabgeschlossen abhackt verbleiben wird. Ich jedenfalls konnte keine fortlaufende Handlung erkennen.

Zu guter Letzt ergänzen weitere Kleinigkeiten den eher unrunden Gesamteindruck dieses Romans. Warum die Seuche im Harry-Potter-Stil "Das, was passiert ist" genannt wurde, erschloss sich mir genauso wenig, wie einige beschriebene Szenerien, darunter zum Teil auch das von Waffen und Blut dominierte Zusammenleben der Clans, die ich für die postapokalyptische Grundidee einer tödlichen Krankheit, die in absehbarer Zeit die gesamte Menschheit dahingerafft haben würde, nicht authentisch fand. Zwar versucht der Autor Erklärungen zu präsentieren, aber richtig glaubwürdig wurde die gesamte Konstruktion für mich nicht, sodass ich auch zu der Atmosphäre der "jungen Welt" keinen rechten Zugang finden konnte. 

Fazit: Leider enttäuschte mich "Young World - Die Clans von New York" nach den ersten starken Seiten zunehmend. Die Hauptcharaktere sind profillos und unsympathisch, ihre Begleiter bleiben zu blass, die Idee scheint zu unausgereift und die Handlung zu unzusammenhängend. Am Ende kann ich diesem blutigen Trilogie-Auftakt nicht viel abgewinnen und vergebe nur 2 von 5 Sternen - für die Folgebände bleibt viel Luft nach oben.




Die Trilogie
  1. "Young World - Die Clans von New York" (Sep. 2015, engl. Originaltitel: "The Young World")
  2. ??? (engl. Originaltitel: "The New Order")
  3. ???


Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden, mit Schutzumschlag
Originaltitel: The Young World
Erschienen: 22. September 2015
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Seiten: 384 Seiten
Verlag: dtv
ISBN: 978-3423761215
Preis: € [D] 18.95


Leserpobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage zum Buch
und über das Website-Spezial 

1 Kommentar:

  1. Hallo :),

    wirklich schade, dass dich das Buch nicht begeistern konnte. Eigentlich steht es auch noch auf meiner Wunschliste :D.
    Ich freue mich wirklich sooooooo sehr mal wieder einen Beitrag von dir zu lesen ♥. Das letzte 3/4 Jahr habe ich deinen Blog echt vermisst.

    LG Conny ♥

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