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Freitag, 8. März 2013

Rezension zu "Das Labyrinth erwacht" von Rainer Wekwerth



Ein überraschendes Highlight

‟Das Labyrinth erwacht“ von Rainer Wekwerth ist der Auftakt einer deutschen Jugendbuch-Trilogie und einzuordnen als Action- beziehungsweise Science-Fiction-Thriller.

Inhalt: Sieben Jugendliche erwachen ohne Erinnerungen an ihre vorherigen Leben in einer unwirklichen Welt aus Steppe und Wald. Sie erhalten eine Nachricht: Sie haben 72 Stunden, um einem Stern zu folgen und so die Tore zu finden, die aus dieser Welt herausführen. Allerdings gibt es nur 6 Tore. Einer muss zurückbleiben und so wird es sich in weiteren Welten fortsetzen, bis nur noch ein einziger übrig ist, der das Labyrinth verlassen darf. Ohne zu wissen, wer sie dort hingeschickt hat, machen sich die Jugendlichen auf den Weg und merken schnell, dass sie nicht allein sind im Labyrinth. Jemand jagt sie....

Fast schon überraschenderweise konnte mich dieses Buch von der ersten Seite an mitreißen. Ich bin nämlich durchaus skeptisch herangegangen, denn bei einer größeren Anzahl von Protagonisten, ob in Büchern oder Filmen, erwartet den Leser/Zuschauer für gewöhnlich ein Hauptcharakter, vielleicht auch ein Pärchen, auf dem der gesamte Fokus der Geschichte liegt, während der Großteil der anderen Figuren eher blass bleibt und vorhersehbar, Opferlämmern gleich, mitgeschleift wird, um sie nach und nach dem Feind zum Fraß vorzuwerfen. Denn Hauptfigur/-pärchen trifft es selbstverständlich erst am Ende und dieses Wissen zusammen mit wenig ausgearbeiteten Nebencharakteren machen eine solche Protagonisten-Gruppen für mich – normalerweise – eher langweilig.

Und so wurde ich positiv überrascht, denn, auch wenn ‟Das Labyrinth erwacht“ schnell erste Ansätze eines Pärchens zeigt und sich auch zwei, drei stärkere Charaktere herauskristallisieren, schafft es der Autor durch kapitelweise wechselnde Perspektiven jeden der sieben Protagonisten fast gleichberechtigt zu Wort kommen zu lassen und dem Leser einen tieferen Einblick in seine Persönlichkeit zu geben. So lernte ich alle Sieben – Mary, Kathy, Mischa, Jeb, Jenna, Léon, Tian – mit ihren grundverschiedenen Eigenschaften kennen. Keiner blieb blass oder wirkte austauschbar und ich konnte nicht vorhersehen, wer es sein würde, der an den ersten sechs Toren zurückbleiben würde. Dadurch, dass jeder Charakter so fein ausgearbeitet ist und sich als gleichwertiges Mitglied der Gruppe präsentiert, wurde die Geschichte auch erst richtig spannend, denn ganz egal wer aus der Geschichte ausscheiden wird, es wird den Leser berühren und er wird fortan fehlen.

Es ist spannend zu verfolgen, wie sich die Dynamik der Gruppe entwickelt, welcher Charakter welche Rolle einnimmt und welche Pläne jeder einzelne für das eigene Überleben schmiedet. Die Welten des Labyrinths sind dabei abwechslungsreich. Es ist nicht einmal zu erahnen, was die Gruppe nach dem Durchschreiten der Tore in der nächsten liebevoll und bildhaft beschriebenen, lebensfeindlichen und bedrohlichen Welt erwarten wird. Ohnehin spielt das Nicht-Wissen sowohl für den Leser als auch für die Protagonisten selbst eine große Rolle: Keiner weiß, warum sie in diesen Welten gefangen sind. Keiner weiß, wer sie dort hingebracht hat. Und keiner weiß, wer oder was sie verfolgt. Das bedrohliche Geheimnisvolle ist in ‟Das Labyrinth erwacht“ atemberaubend spannend umgesetzt und macht Lust auf den Rest der Trilogie, denn es bleiben noch so viele Fragen offen, die beantwortet werden wollen.

Entgegen vieler anderer Jugendbuch-Trilogien kommt ‟Das Labyrinth erwacht“ ohne Längen daher – das Spannungsniveau ist durchgehend hoch und die Situation wechselt ständig, sodass der Leser kaum zum Durchatmen kommt. Während ich sonst oft das Gefühl habe, eine Geschichte, die auch als Einzelband hätte erzählt werden können, sei künstlich gestreckt worden, um den aktuellen Trilogien-Trend zu bedienen, hat der erste Band der ‟Labyrinth“-Reihe definitiv - schon durch die Anzahl der interessant und tief gehend beschriebenen Charaktere - den inhaltlichen Umfang, um seine 400 Seiten lückenlos und ohne langatmige Passagen auszufüllen.
Dabei ist auch der Schreibstil des Autors als sehr gelungen hervorzuheben. Flüssig zu lesen, abwechslungsreich und stark in den Beschreibungen überzeugt er mit einer ansprechenden Sprache, die beim Lesen Freude macht.

Fazit: Ich bin mehr als positiv überrascht. Dieser Trilogie-Auftakt ist so spannend, dass ich ihn nicht mehr aus der Hand legen konnte und an einem langen Abend durchlesen musste. Hervorragend ausgearbeitete Charaktere, eine düstere, bedrohliche Atmosphäre und jede Menge Spannung zeichnen ‟Das Labyrinth erwacht“ aus. Eindeutige 5 Sterne! Sehr empfehlenswert.




Die Labyrinth-Trilogie (mit Links zu Amazon.de)
  1. "Das Labyrinth erwacht" (Jan. 2013)
  2. "Das Labyrinth jagt dich" (voraussichtilich Juni 2013)
  3. noch nicht bekannt (2014)

Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden
Seiten: 407
Verlag: Arena
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
ISBN: 978-3401067889
Preis: € [D] 16.99

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage

  

Montag, 11. Februar 2013

Rezension zu "Ewiglich die Hoffnung" von Brodi Ashton


packende Fortsetzung, atemberaubendes Ende

"Ewiglich die Hoffnung" von Brodi Ashton ist der zweite Band einer Contemporary-Fantasy-Trilogie aus dem Jugendbuchbereich (Altersempfehlung ab 14 Jahren). Wie schon der erste Band, "Ewiglich die Sehnsucht", konnte auch die Fortsetzung vollkommen überzeugen.

Inhalt: Jack ist an Nikkis Stelle in die Tunnel gegangen und, genau wie er damals während ihrer Nährung mit Cole, hält Nikki jetzt durch ihre Träume am Leben. Sie spürt, dass er schwächer wird, und beschließt, ihn im Ewigseits zu suchen und zurückzubringen. Doch allein kann sie die Reise ins Ewigseits nicht schaffen. Sie braucht Coles Hilfe und dieser willigt sogar ein, mit ihr gemeinsam nach Jack zu suchen. Doch kann Nikki ihm trauen? Was erwartet sie im Ewigseits?

Meiner Meinung nach ist "Ewiglich die Hoffnung" vor allem actionreicher als der Vorgänger. Besonders im Ewigseits selbst geht es richtig rund und oft überschlagen sich die Ereignisse. Das Einbringen des Ewigseits als Handlungsort der Geschichte hat mir aber auch neben dem dadurch verursachten Anstieg an Spannung sehr gut gefallen. Die Beschreibungen dieser andersartigen Welt gelingen der Autorin sehr anschaulich und überzeugen ebenso wie die Verbindungen dieses Ortes mit Elementen aus der griechischen Mythologie. In der Gestaltung des Ewigseits zeigen sich viel Kreativität, Phantasie und Liebe zum Detail und oft war ich als Leser schon allein von den äußeren Merkmalen dieser Welt beeindruckt und gefesselt. Die Fantasyelemente in Verbindung mit der griechischen Mythologie wirken sehr durchdacht und die gesamte Welt in sich schlüssig.

Wie schon im ersten Band ist Nikki die sympathische Ich-Erzählerin der Geschichte, die wieder ein wenig zwischen Gegenwart und vergangenen Erinnerungen springt. Ging es in den Rückblicken im ersten Band hauptsächlich darum, wie Nikki und Jack sich trennten und Nikki sich dazu entschloss, mit Cole ins Ewigseits zu gehen, sind es jetzt eher Erinnerungen aus Nikkis und Jacks früher gemeinsamer Vergangenheit - wie sie sich kennenlernten und näher kamen. So bleibt die sehr romantische Liebesgeschichte zwischen den beiden für den Leser auch außerhalb von Nikkis Träumen erhalten, obwohl Jack in diesem zweiten Band zwar zum Ziel der Suche, aber dennoch eher zur Nebenfigur wird.

An seiner Stelle nimmt Cole dafür jetzt einen deutlich wichtigeren Part an Nikkis Seite ein. Er begleitet sie nicht nur durch das Ewigseits, sondern schafft es auch aus Nikkis Ablehnung ihm Gegenüber leichte Ansätze einer Liebesgeschichte zu zaubern, auch wenn Jack nach wie vor über allem schwebt. Cole war für mich schon im ersten Band einer der interessantesten, vielschichtigsten Charaktere und dieser Eindruck setzte sich im zweiten Band nicht nur fort, sondern verstärkte sich noch zusätzlich. Cole ist wirklich für einige Überraschungen gut und als Leser wusste ich nie genau, was ich von ihm halten sollte. Für mich hat dieser Ewigliche von allen Charakteren den stärksten bleibenden Eindruck hinterlassen.

Der Schreibstil der Autorin ist wieder einmal sehr gelungen. Er ist für ein Jugendbuch angemessen, allerdings auch nicht zu einfach gehalten, sodass er auch für erwachsene Leser noch ansprechend wirken kann, flüssig zu lesen und abwechslungsreich. Sowohl die actionreicheren Passagen wie auch die emotionaleren sind sehr glaubhaft, bildlich gut vorstellbar und eindringlich geschrieben. Die Autorin schafft es eine spannungsgeladene Atmosphäre aufzubauen und sie mit einer gefühlvollen Liebesgeschichte und Charakteren mit viel Tiefe zu verbinden, ohne das eines davon zu kurz kommt.

Besonders beeindruckt hat mich das Ende dieses Bandes. Mit einer völlig unerwarteten Wendung krempelt die Autorin ihre Geschichte auf nur wenigen Seiten noch einmal vollkommen um, was sich allerdings nicht gezwungen sondern für die Handlung sehr stimmig angefühlt hat. Genau dieser Knall am Ende, der aus einem ganz ruhigen Moment heraus entsteht und sich dennoch harmonisch ins Gesamtbild einfügt und viele kleine Details aus der Vorgeschichte plötzlich wie selbstverständlich in einem anderen Licht erscheinen lässt, hat dem zweiten Band in meinen Augen das gewisse Etwas gegeben und ihn perfekt abgerundet. Die Autorin fasst ihre Helden nicht mit Samthandschuhen an, sondern mutet ihnen wie dem Leser einiges zu und dadurch kann ich es jetzt kaum noch erwarten, bis endlich der dritte Band erscheint und alles auflöst. Der Schluss hat mich einfach gepackt, so schrecklich unerwartet wie er kam, und fast atemlos zurückgelassen.

Fazit: Grandiose Fortsetzung. Auch der zweite Band der Ewiglich-Trilogie kann mit viel Gefühl, Action, Spannung und durchdachten Charakteren überzeugen. Mit dem Ewigseits kommt außerdem eine beeindruckend andersartige Welt hinzu. Nach einem atemberaubenden Finale kann man nur noch sehnsüchtig den letzten Band erwarten. 5 Sterne und mehr, wenn das ginge.




Trilogie (mit Links zu Amazon.de)

  1. "Ewiglich die Sehnsucht" (Jan. 2012, engl. Original: "Everneath")- meine Rezension
  2. "Ewiglich die Hoffnung" (Dez. 2012, engl. Original: "Everbound")
  3. noch nicht bekannt
Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden
Seiten: 384
Verlag: Oetinger
ISBN: 978-3789130410
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Preis: € [D] 17.95

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage

Dienstag, 31. Juli 2012

Rezension zu "Dark Canopy" von Jennifer Benkau


Romantische Liebesgeschichte in der Dunkelheit

"Dark Canopy" ist der Auftakt eines dystopischen Zweiteilers für junge Erwachsene von Jennifer Benkau, der mich von der ersten bis zur letzten der über 500 Seiten uneingeschränkt begeistert hat.

Inhalt: Großbritannien in der Zukunft. Die Percents, mittels Gentechnik erzeugte Soldaten, die ursprünglich geschaffen wurden, um für die Menschen im dritten Weltkrieg zu kämpfen, haben die Herrschaft übernommen. Die Menschen müssen in den Städten und ohne Sonnenlicht leben, denn nach den ersten Morgenstunden verdunkeln die Percents mit "Dark Canopy" den Himmel.
Einige Menschen lehnen sich gegen die Percents auf. Die Rebellen leben versteckt außerhalb der Städte in Clans und kämpfen dort mehr um das eigene Überleben als tatsächlich gegen die Percents. Eine dieser Rebellen ist die 19jährige Joy, deren bester Freund und gelegentlicher Liebhaber Matthial der Sohn des Clanchefs ist. Als ihre beste Freundin Amber von den Percents gefangen genommen wird, überredet Joy einige andere junge Clanmitglieder zu einer Befreiungsaktion. Als sie dabei jedoch selbst gefangen genommen wird und von dem jungen Percent Neél zum Soldaten ausgebildet wird, lernt sie die vermeintlich so gefühlskalten Krieger von einer ganz neuen Seite kennen...

Freitag, 6. Juli 2012

Rezension zu "Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry" von Rachel Joyce


Eine spontane Wanderung, die das Leben verändert

Rachel Joyce erzählt mit ihrem Roman "Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry" eine sehr berührende Lebensgeschichte, die mir ganz wunderbar gefallen hat.

Der Rentner Harold Fry wollte an diesem Morgen eigentlich nur kurz zum nächsten Postkasten gehen, um eine knappe Antwort auf den Brief seiner ehemaligen Arbeitskollegin Queenie einzuwerfen. Seit Jahren hatte er Queenie nicht mehr gesehen und nun teilte sie ihm mit, dass sie Krebs habe und im Sterben liege. Durch eine zufällige Begegnung setzt Harold sich in den Kopf zu Queenie zu besuchen. Er will zu Fuß reisen, von Kingsbridge, ganz im Süden Englands, wo er lebt, nach Berwick upon Tweed, der nördlichsten Stadt Englands, wo Queenie in einem Hospiz liegt, und so versuchen den Krebs aufzuhalten. Queenie soll leben, bis er sein Ziel erreicht hat.
Zu Hause hält ihn ohnehin nicht viel. Sein Sohn David ist fort und seine Frau Maureen und er leben seit 20 Jahren nebeneinander her, haben sich nichts mehr zu sagen und schlafen sogar in getrennten Zimmern.

Donnerstag, 26. April 2012

Rezension zu "Die Stadt der veschwundenen Kinder" von Caragh O'Brien


 Drei Kinder pro Monat

"Die Stadt der verschwundenen Kinder" von Caragh O'Brien ist der Auftakt der "Birthmarked"-Trilogie, einer Jugendbuch-Reihe, die sich in den aktuellen Dystopie-Trend einfügt. Obwohl die Geschichte daher wirklich nicht neu ist, hat mich die Umsetzung doch sehr begeistert.

Zum Inhalt: Die 16-jährige Gaia, die durch eine Verbrennung in frühster Kindheit eine vernarbte Gesichtshälfte hat, lebt in Wharfton und führt nach jahrelanger Ausbildung bei ihrer Mutter, der Hebamme ihres Stadtbezirks, zum ersten Mal allein eine Entbindung durch. Doch in Wharfton dürfen nicht alle Kinder bei ihren Eltern bleiben. Jede Hebamme muss jeden Monat die ersten drei Kinder, die sie entbunden hat, zur Enklave bringen, einer Stadt hinter hohen Mauern, die kaum eine Bewohner Wharftons jemals betreten hat. Auch Gaia weiß nicht, was sich hinter diesen Mauern verbirgt. Kaum hat sie aber ihr erstes Kind dort abgeliefert, erfährt sie, dass ihre Eltern verhaftet wurden. Alles was ihr von ihnen bleibt ist ein geheimes Stoffband mit einem ihr unbekannten Code, das eine alte Freundin ihrer Mutter ihr noch am selben Abend übergibt. Gaia versteht nicht, was es damit auf sich hat und auch nicht, was der junge Enklaven-Soldat Sergeant Leon Grey von ihr will, als er sie zu Notizen ihre Mutter befragt. Doch als ihre Eltern nicht zurückkehren, beschließt Gaia den Geheimnissen selbst auf den Grund zu gehen - und schleicht sich auf die andere Seite der Mauer...

Die Idee hinter der Geschichte hat mich von Anfang an interessiert. Warum werden jeden Monat so viele Kinder aus Wharfton zur Enklave gebracht? Und was ist die Enklave überhaupt? Zu Beginn weiß die Ich-Erzählerin und somit auch der Leser nichts von alledem, obwohl auch ihre beiden älteren Brüder "vorgebracht" wurden, wie sie es nennen, wenn ein Kind der Enklave übergeben wird. Wharfton ist ein einfacher Ort, in dem die Menschen mit Feuerstellen und schlichten Häusern ohne Technik ein eher altertümlich anmutendes Leben führen. Die Enklave versorgt die Menschen mit Nahrung, Wasser und ein bisschen Luxus - und man fragt sich als Leser wirklich sofort, warum? Die Erklärungen, die später geliefert werden, sind zwar auch nicht neu, aber meiner Meinung nach spannend und sehr gut durchdacht, sodass ich von der Grundidee des Romans begeistert bin.

Gaia ist als Protagonistin dieser Reihe gut gelungen. Sie ist keine klassische Schönheit, sondern durch ihre Narben gezeichnet. Manchmal ist sie stark, teilweise aber auch ziemlich naiv, was sie aber in erster Linie nicht anstrengend, sondern abwechslungsreich macht. Auch eine Liebesgeschichte gibt es in dieser Dystopie selbstverständlich, wie eigentlich in allen Jugendbüchern dieser Art. Im Gegensatz zu vielen anderen, tritt "Die Stadt der verschwundenen Kinder" aber nicht dieses "Blinde-Liebe-auf-den-ersten-Blick"-Klischee breit, was oft einfach zu kitschig wirkt. Die Liebesgeschichte hier nimmt man am Anfang sogar kaum wahr, so langsam entwickelt sie sich. Für mich war sie dadurch besonders schön und sehr viel glaubhafter als in vielen anderen Romanen dieser Art.

Auch die Sprache dieses Trilogie-Auftakts konnte mich überzeugen. Sie ist nicht zu einfach und die Autorin schafft es mit detailierten Beschreibungen die Welt ihres Romans in den Köpfen der Leser zum Leben zu erwecken. Ich konnte mich jedenfalls sehr gut in die Atmosphäre der Geschichte hineinversetzen und mit der sympathischen Ich-Erzählerin, die sich auf der Suche nach der Wahrheit und ihren Eltern gegen so viele Hindernisse durchsetzen muss, mitzufiebern. Neben der Ich-Erzählerin überzeugten mich aber auch viele der anderen Charaktere, die ebenso wie die Enklave als Ganzes nicht nur nach einem festen Prinzip von Gut und Böse handelten, sondern sich abwechslungsreich und oft überraschend präsentierten.

Bei den gestalterischen Aspekten des Buches muss ich allerdings ein paar Kleinigkeiten kritisieren. Das Cover ist sehr kindlich geraten, jedenfalls deutlich kindlicher als das Innere des Buches oder die Altersempfehlung von 14-16 Jahren es vermitteln, und erweckte bei mir daher lange Zeit einen etwas falschen Eindruck, der mich vom Lesen abhielt. Durch die gute Sprache und die durchdachte Handlung ist dieses Jugendbuch aber problemlos auch für ältere, wie mich als Mittzwanzigerin, geeignet.
 
Im Vergleich mit dem englischen Original können bei der deutschen Ausgabe meiner Meinung nach auch weder Titel noch Cover wirklich mithalten. "Birthmarked" ist als Begriff sicher schwierig zu übersetzen, ist aber sehr aussagekräftig, da er sich auf einen entscheidenden Prozess im Buch bezieht. Die Cover bei den englischen Ausgaben sind vielfältig. Mein klarer Favorit ist die US-Taschenbuch-Ausgabe von Macmillan, die das codierte Band zeigt und doch deutlich erwachsener daherkommt, als die deutsche Ausgabe. Auch die Fortsetzungen sind in dieser Gestaltung einfach wunderschön (siehe Links der engl. Originale unten).

Außerdem verspricht das Buch mit über 460 Seiten und einer beachtlichen Dicke vielleicht etwas mehr, als es hält, was mich ein wenig enttäuschte. Denn der Druck ist wirklich sehr groß und der verfügbare Platz auf den Seiten ist noch dazu durch nicht zu verachtende Ränder nur spärlich genutzt. Daher habe ich auch eher das Gefühl, ich hätte ein Buch mit dem inhaltlichen Umfang von 250, maximal 300 Seiten gelesen.

Fazit: Eine sehr durchdachte Dystopie aus dem Jugendbuchbereich mit sympathischer Ich-Erzählerin, schöner Sprache und einer Prise Romantik. Ich habe das Buch wirklich gerne gelesen und es hat mich inhaltlich rundum überzeugt. Lediglich das Äußere des Buches, insbesondere der sehr großzügige Druck, sorgten für eine kleine Enttäuschung, denn es war schneller zu Ende als ein Umfang von über 400 Seiten vermuten ließ. Das Ende ist zwar teilweise abgeschlossen, hält aber auch ein paar kleine Cliffhanger bereit, sodass ich es kaum noch erwarten kann, die Fortsetzung, "Das Land der verlorenen Träume", zu lesen. 5 von 5 Sternen für diese gelungene Geschichte.


Die Birthmarked-Trilogie (mit Links zu Amazon.de):
  1. "Die Stadt der verschwundenen Kinder" (Jan. 2011, engl. Originaltitel: "Birthmarked")
  2. "Das Land der verlorenen Träume" (Feb. 2012, engl. Originaltitel: "Prized")
  3. noch nicht bekannt (engl. Originaltitel: "Promised" - noch nicht erschienen)

Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden
Seiten: 464
Verlag : Heyne
ISBN: 978-3453528000
Preis: € [D] 16.99

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage
 

Samstag, 24. März 2012

Rezension zu "Das geheime Prinzip der Liebe" von Hélène Grémillon


Grandioser Anfang, schwaches Ende

"Das geheime Prinzip der Liebe" von Hélène Grémillon ist ein beeindruckender Roman voller Gefühle und Überraschungen, der von der Freundschaft und dem Kinderwusch zweier sehr unterschiedlicher Frauen in Frankreich zur Zeit des zweiten Weltkriegs erzählt.

Zum Inhalt: Nach dem Tod ihrer Mutter erhält Camille, eine Mittdreizigerin die 1975 in Paris lebt, absenderlose Briefe eines ihr unbekannten Louis. Er erzählt darin die Geschichte seiner großen Jugendliebe Annie, die in jungen Jahren viel Zeit mit der reichen Madame M verbrachte und berichtet wie eine fatale Entscheidung die beiden Freundinnen für immer entzweite. Zuerst hält Camille die Briefe für einen Irrtum, dann für den geschickten Schachzug eines Autors, der sie als Verlegerin für sich gewinnen möchte. Doch sie spürt schnell, dass die Briefe mehr mit ihr zu tun haben könnten, als ihr lieb ist...

Schon auf den ersten Seiten hat mich dieser Roman in seinen Bann gezogen. Der Wechsel zwischen den Kapiteln Camilles und den Briefen lässt den Leser teilhaben an Camilles langsamer Entschlüsselung ihrer Rolle in dieser Geschichte und gleichzeitig auch im Hintergrund an der Entwicklung ihres eigenen Lebens, in dem sie mehr Veränderungen bewerkstelligen muss, als nur den Verlust ihrer Mutter.

Auf der anderen Seite stehen die Briefe, die neben der jugendlichen Verliebtheit Louis' die verwirrende Beziehung von Annie und Madame M schildern. Diese überraschen mit Wendungen, die mich als Leser immer wieder dazu zwangen, mein Bild der Rollen von "Gut" und "Böse" neu zu überdenken, denn die Charaktere sind nicht immer das, was sie zuerst schienen, und in diesen Wechseln liegt die wirkliche Stärke des Romans, die ihn spannend, fesselnd und mitreißend macht. Gerade die Charaktere in der Handlung der Briefe, also Madame M und Annie, bekommen sehr viel Tiefe und konnten überraschen.

Leider bekommt Camille gerade in der zweiten Romanhälfte von dieser Charaktertiefe nichts ab. Die Ich-Erzählerin der "Gegenwart" bleibt blass, tritt immer mehr in den Hintergrund und verschwindet über weite Teile sogar beinahe vollständig aus den Augen des Lesers. Das war insbesondere nach der starken ersten Hälfte eine Enttäuschung. Auch einige von Camilles Versuchen Zusammenhänge darzustellen, gestalten sich eher schwierig, sind manchmal konstruiert, sehr weit hergeholt oder strotzen vor Klischees. So konnte mich nach langem Überlegen und mehrmaligem Lesen das Ende einfach gar nicht überzeugen. War der Charakter Camille zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon zur Nebensächlichkeit geworden und neben dem starken Wechselspiel zwsichen Madame M und Annie in der 35 Jahre früher spielenden Handlung kaum noch der Rede wert, wurden ihre symboldeuterischen Fähigkeiten auf den letzten Seiten für mich einfach nur noch abstrus und verdarben mir das Ende der anstonsten tollen Geschichte mit dem Nachgeschmack von Kitsch und Klischee.

Der Schreibstil dagegen hat mir wirklich gut gefallen. Er ist eher einfach gehalten, unspektakulär, aber nicht langweilig oder flach. Der ganze Roman las sich sehr flüssig und vermittelte eine passende Atmosphäre zur düsteren Lebensgeschichte der Frauen. Ebenso überzeugend sind die schlichte Covergestaltung und die Verarbeitung des Buches.

Mein Fazit: Wirklich stark am Anfang, aber leider mit schwachem Ende und einer verblassenden Ich-Erzählerin Camille, die mir leider auch das ein oder andere Klischee nicht ersparte. 4 Sterne. 

"Das geheime Prinzip der Liebe" von Hélène Grémillon bei Amazon.de


Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden, Feb. 2012
Seiten: 255
Verlag: Hoffmann und Campe
Französischer Originaltitel: Le confident
ISBN: 978-3455400960
Preis: € [D] 19.99
Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage

Freitag, 27. Januar 2012

Rezension zu "Das Mädchen mit den gläsernen Füßen" von Ali Shaw


 Jeder hat eine Vergangenheit

"Das Mädchen mit den gläsernen Füßen" ist der Debütroman von Ali Shaw und, nachdem ich es gelesen habe, wundert mich nicht mehr, dass es ein solcher Überraschungserfolg wurde.

Zum Inhalt: Ida kehrt etwa ein halbes Jahr nach ihrem Sommerurlaub dort auf die Inselgruppe St. Hauda's Land zurück, denn sie sucht Antworten auf die Frage, was mit ihr passiert. Ihre Füße haben angefangen sich in Glas zu verwandeln. Sie Henry Fuwa zu finden, den sie immer Sommer dort kennenlernte und der mehr über die Geheimnisse der Inseln zu wissen scheint. Zuerst trifft sie aber auf Midas, einen stillen und zurückgezogenen Hobbyfotografen, der sofort von ihren großen Stiefeln beeindruckt ist. Doch auch Midas kämpft innerlich mit seiner Vergangenheit und kann sich Ida nicht sofort öffnen...

Meine Meinung: Das Buch hat mich überrascht, denn, da es in der Jugendbuchabteilung meiner Buchhandlung stand und auch der Klappentext durchaus ein Buch des Genres Romantic-Fantasy ankündigen könnte, hatte ich wie so oft eine leicht kitschige Tennie-Liebe mit spannenden Wendungen erwartet, aber dieser Roman fällt deutlich aus der Reihe. Zuerst einmal sind die Protagonisten Ida und Midas ganz untypisch keine Teenager mehr sondern beide in ihren Zwanzigern. Außerdem ist das Buch sehr ruhig, oft traurig und melanchonisch und jeder, der die Auflösung der großen Geheimnisse und die spannende Reise durch ein verzaubertes Land auf der Suche nach Idas Rettung sucht, wird wahrscheinlich nicht das finden, was er erwartet.

Doch wenn man sich auf diese ganz besonderen Geschichte einlässt, ist sie einfach traumhaft. Man merkt schnell, dass die Inseln von St. Hauda's Land nicht normal sind, ihre Geheimnisse aber gut hüten. Es gibt Gerüchte über ein Tier, dessen Blick alles in Weiß verwandelt, es gibt gefährliche, glühende Quallen an den Küsten und geflügelte Stiere in den Mooren, die außer Henry Fuwa noch niemand zu Gesicht bekommen hat. Und es gibt das Glas an Idas Füßen und sie ist nicht die Einzige. Doch kann ihr überhaupt geholfen werden? Kennt jemand die Ursache? Idas und Midas' Suche schwankt zwischen Hoffnung, Verzweiflung und Akzeptanz des eigenen Schicksals.

Aber nicht nur Ida hat mit Problemen zu kämpfen. Alle Protagonisten haben ihre Vergangenheit und das Buch springt oft in der Zeit zurück, um aus dieser zu erzählen. St. Hauda's Land ist ein Hort der Traurigkeit und Melanchonie. Viele haben Angst sich mit der Vergangenheit zu konfrontieren, leben mit ihren bedrückenden Geheimnissen zurückgezogen, in Wut und Frust oder in resignierter Gleichgültigkeit. Das ist die eigentliche Geschichte, die dieses Buch erzählt. Idas Suche nach Hilfe führt dazu, dass einige dieser gebrochenen Menschen sich aus ihren Höhlen begeben, miteinander sprechen und sich ihrer Vergangenheit stellen. So geht es auch Midas, der seit Jahren mit dem Schicksal seiner Familie hadert und dabei vergessen hat, sein eigenes Leben in die Hand zu nehmen.
Zwischen all den anderen mit ihren tiefen Narben auf der Seele ist die kranke Ida eigentlich der stärkste Charakter. Sie geht mit ihrem Schicksal ruhig und mutig um und zieht dabei auch noch Midas aus seinem Schneckenhaus.

Der Roman hält bis zum Ende diese mal leicht, mal sehr bedrückende Stimmung bei und ist in dieser nur mit ein wenigen Fantasyelementen gespickten Welt sehr glaubwürdig. Kitsch gibt es nicht, auch nicht den großen, alles auflösenden Paukenschlag. Vieles bleibt ungesagt und nicht alle Geheimnisse, die der Leser erfährt, erreichen auch die Protagonisten, während sie ihre Vergangenheit aufarbeiten. Ich habe beim Lesen richtig mitgefühlt und war bis zum Ende einfach nur gebannt von diesem feinfühligen Umgang mit großen Gefühlen, enttäuschter Liebe, zerstörtem Vertrauen und starker Trauer.

Der Schreibstil in "Das Mädchen mit den gläsernen Füßen" ist durchaus anspruchsvoll, die Sätze sind oft lang und verschachtelt, die Sprache ist geschwungen und fast poetisch, arbeitet viel mit Metaphern und vermittelt sehr gut die bedrückende und gleichzeitig märchenhafte Atmosphäre dieses Romans. Mir hat sie sehr gut gefallen, auch wenn (oder gerade weil) man sie nicht schnell sondern aufmerksam lesen sollte, damit die Scheinheit darin richtig zur Geltung kommt.

Darüber hinaus ist auch das Äußere des Buchs schön und passend gestaltet. Der Schnitt ist silbern gefärbt und das Titelbild unterstützt diese verträumte und gleichzeitig etwas traurige, farblose Welt, die in der Handlung aufgebaut wird.

Mein Fazit also: Der Roman hat mir richtig gut gefallen, auch wenn ich ursprünglich etwas anderes erwartet hatte. Doch es ist der Kontrast zwischen dem Schwermut der Protagonisten mit den Unglücken in ihrer Vergangenheit und der schönen, märchenhaften Welt der geheimnisvollen St. Hauda's Land Inseln, der diese Geschichte so lesenswert macht. Es ist ein Roman zum Nachdenken, ein Roman, der bei mir auch noch lange, nachdem ich den Buchdeckel zu geschlagen hatte, eine Stimmungsmix aus Bedrückung und Erleichterung hinterließ.

Einfach traumhaft schön! Eine mehr als klare Leseempfehlung!


"Das Mädchen mit den gläsernen Füßen
" von Ali Shaw bei Amazon.de

Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden, 1. Auflage, Jan. 2012
Seiten: 400
Verlag: script5
englische Originalausgabe: The Girl with Glass Feet
ISBN: 978-3-8390-0131-8
Preis: € [D] 19.95

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagsseite zum Buch