abwechslungsreich, exotisch, farbenfroh
In "Vom Glück, gemeinsam zu essen - Aufgetischt für jeden
Ernährungsstil" präsentieren die Brüder Leo und Karl Wrenkh ein
ungewöhnliches Konzept zum Kochen für Gäste. Die Wiener Gastronomensöhne
und Köche präsentieren auf 176 Seiten rund 70 Rezepte, die nicht in
klassische Kategorie sondern in 14 "Tische" unterteilt sind. Jeweils
drei bis fünf herzhafte und in der Regel eine süße Komponente ergeben
einen solchen Tisch, bei dem alle Gerichte zeitgleich serviert und dem
Gastgeber so die Möglichkeit geben sollen, die Zeit mit seinen Gästen zu
verbringen, statt zwischenzeitlich in der Küche verschwinden und für
Nachschub sorgen zu müssen.
Die Umsetzung dieser Grundidee
überzeugte auf den ersten schnellen Blick - nicht nur schienen die 14
Tische abwechslungsreich zu sein, auch die Auslegung der Rezepte für
jeweils eine Person und eine vorab angegebene Umrechentabelle zur
Vervielfältigung der Menge entsprechend der erwarteten Gästezahl passten
ebenso zum Konzept wie eine vor jedem "Tisch" durchnummerierte
Checkliste zur entspannten parallelen Vorbereitung des Essen. Allerdings
ließen sich nicht alle Rezepte mit dem Wunsch, alle Speisen
gleichzeitig zu servieren, vereinbaren. Macht es beispielsweise Sinn,
das "warme Schokoladentörtchen" oder das "Dattel-Joghurt-Eis" auf den
Tisch zu bringen, wenn vorab noch der Verzehr der herzhaften Speisen
ansteht, während die Raumtemperatur ihnen die gewünschten Eigenschaften
raubt? Zumindest bei einigen Rezepten wird die Grundidee daher nicht
konsequent verfolgt und eine kurze Abwesenheit des Gastgebers zugunsten
des kulinarischen Genusses scheint unabdingbar.
Daneben versprach
das Kochbuch außerdem, Gäste mit unterschiedlichen Essgewohnheiten
durch die vorgestellten Rezepte mit entsprechender Kennzeichnung und
alternativen Varianten problemlos zum gemeinsamen Essen an einen Tisch
zu bekommen - egal ob vegan, vegetarisch, laktose- oder glutenfrei, für
jeden sollte etwas dabei sein.
Allerdings machte sich hierbei schnell
die erste Ernüchterung breit. Zwar ist die piktografische Markierung
durch farbige Symbole gelungen, doch die Anmerkungen zu beispielsweise
veganen Varianten waren selten und in der Regel nicht besonders
überraschend - sie gehen über Vorschläge "veganen Joghurt" oder "Zucker
statt Honig" zu verwenden kaum hinaus. So bleibt trotz der
ambitionierten Ankündigung, "Vegetarier, Fleischesser und Veganer an
einen Tisch" zu bekommen, das altbekannte Problem auch bei den
vorgeschlagenen Menüs dieses Kochbuchs erhalten: Die veganen oder
vegetarischen Gäste müssen sich mit weniger Komponenten begnügen als die
übrigen - oder der Gastgeber ergänzt durch eigene Rezepte. Da wären
ein, zwei rein vegane/glutenfreie Tische zusätzlich wohl zielführender
gewesen.
Stattdessen gliedern sich die Tische thematisch nach
Jahreszeiten, Anlässen ("Sonntag", "Picknick"), Spezialitäten wie die
französische Pizzavariante "Pissaladière" oder die japanische Nudel
"Soba" und internationalen Länderküchen ("Kuba", "Israel", "Sri Lanka").
Alles in Allem zeigt sich hier eine Vorliebe zur Exotik, die das
Kochbuch auf der einen Seite sehr abwechslungsreich aufgrund seiner
zahlreichen kulinarischen Einflüsse macht, auf der anderen Seite aber
bereits beim Durchblättern gelegentlich den Wunsch nach
regional-mitteleuropäischen/-österreichischen Komponenten weckte. Trotz
ihrer internationalen Vielfalt bleiben die Gerichte allerdings recht
bodenständig, Vertreter einer eher filigranen, feinen Küche sind nicht
zu finden.
Optisch kommt "Vom Glück, gemeinsam zu essen" in
moderner, matter Gestaltung mit gleich zwei praktischen Lesebändchen als
hochwertiges Hardcover daher. Hübsch arrangierte und farbenfrohe Fotos
zu jedem Tisch und jedem Rezept, ergänzt durch Landschafts- und
Personenaufnahmen, zeigen eine ausgeprägte Liebe zum Detail. Vor jedem
"Tisch" erklärt ein einleitender Text die jeweilige Zusammenstellung,
wobei mehr informative Worte und weniger persönliche Anekdoten
wünschenswert gewesen wären.
Fazit: "Vom Glück, gemeinsam zu
essen" verfolgt mit der Zusammenstellung von "Tischen" anstelle einer
klassischen Menüabfolge ein interessantes Konzept, das weitestgehend als
gelungen bezeichnet werden kann, auch wenn zwischen Werbetext und
Wirklichkeit leichte Abstriche gemacht werden müssen.
Experimentierfreudige Hobbyköche, die exotischen Gerichten gegenüber
aufgeschlossen sind und es eher bodenständig als fein mögen, werden an
diesem modern gestalteten Kochbuch vermutlich ihre Freude haben. Denn
(und damit das wichtigste zum Schluss) alle bisher nachgekochten Rezepte
konnten geschmacklich überzeugen. 4 Sterne
Allgemeine Informationen
Ausgabe: Gebunden
Erschienen: 31 August 2015
Seiten: 208
Rezepte: ca. 70
Verlag: Brandstätter Verlag
ISBN: 978-3-85033-940-7
Preis: € [D] 29.90
Weitere Informationen und ein Blick ins Buch auf der Verlagshomepage.
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