Donnerstag, 27. Februar 2014

Rezension zu "Kiss me, kill me" von Lucy Christopher



Emotionaler Psychothriller

„Kiss me, kill me“ ist der neue Roman von Lucy Christopher, einer britische Autorin, die mich zuletzt mit ihrem Debütroman „Ich wünschte, ich könnte dich hassen“ sehr begeistert hat. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an ihr neuestes Werk, das sich am ehesten als Psychothriller einordnen lässt.

Inhaltlich geht es um den Tod der hübschen und beliebten Ashlee. Eines Nachts trägt Emilys Vater Jon die tote Mitschülerin ins Haus. Doch der ehemalige Soldat ist durch seinen Kriegseinsatz psychisch sehr belastet und leidet unter starken Flashbacks. Er kann sich nicht erinnern, was im Wald, wo er sich oft in einem alten, versteckten Bunker aufhält, passiert ist. Emily ist von seiner Unschuld überzeugt, doch da es keine anderen Beweise gibt, wird ihr Vater wegen Totschlags angeklagt.
Damon war Ashlees Freund. Er ist von Jon Shepherds Schuld überzeugt, doch er hat keine Erinnerung mehr an die Nacht, in der Ashlee starb und die Zweifel beginnen an ihm zu nagen…


„Kiss me, kill me“ hat viele Elemente eines Psychothrillers, konzentriert sich aber vor allem auf das Innenleben der beiden Ich-Erzähler Emily und Damon. Ihre persönliche Verwicklung, ihre emotionale Beteiligung an dem Todesfall, der Vater und Freundin aus ihren Leben gerissen hat – einer im Gefängnis, die andere tot; ihre Zweifel, die Unterschiede zwischen der Realität und den Erinnerungen.


Emily hat ihren Vater noch in Erinnerung, wie er vor seinem letzten Kriegseinsatz war, vor der traumatischen Belastungsstörung, die ihn vollkommen veränderte. Diesem Mann hätte sie einen Mord niemals zugetraut, doch dem Mann, der vollkommen verwirrt mit dem toten Mädchen in der Küche steht? Der sich nicht erinnert, durch Flashbacks manchmal kaum Realität und Wahnvorstellung auseinanderhalten kann und Angst vor Gewitter hat? Zunächst ist sie sicher, dass ihr Vater nicht verantwortlich ist für Ashlees Tod und verteidigt ihn – doch Verunsicherungen lassen sich nicht vermeiden. Wird sie auf Beweise stoßen, die das eine oder andere sicher belegen? Ist ihr Vater unschuldig oder schuldig? Diese Fragen machen nicht nur einen großen Teil des Spannungsbogens aus, sondern geben der Figur Emily auch viel Tiefe und interessante Gedankengänge, voller bedrückender Traurigkeit und flammender Wut, an denen sie den Leser als Ich-Erzählerin teilhaben lässt.

Damon kämpft zeitgleich mit seinen eigenen Zweifeln. Zwangsläufig trifft er in seiner Phase der Unsicherheit auf Emily, ihre Ansichten kollidieren regelrecht. Damon empfindet eigentlich einen starken Hass auf die Tochter des Mörders seiner Freundin – und dann doch wieder nicht. Wer sich sorgt, dass sich hier jedoch eine unpassend kitschige Liebesgeschichte entwickeln würde, kann beruhigt sein. Es bleibt zurückhaltend, begleitet von Verwirrung und Sorgen.

Ein Aspekt, den die Autorin in die Geschichte einbindet ist der Krieg. Wie Emily stammt auch Damon aus einer vom Militär geprägten Familie. Der ganze Ort am Darkwood, in dem die Handlung angesiedelt ist, ist stark vom Soldatenleben geprägt. Väter sind beim Militär und im Auslandseinsatz, Schüler streben nach ihrem Abschluss eine Karriere in der Uniform an.
Ohnehin lässt Christopher viele ernsthaftere Themen in dieses Jugendbuch einfließen. Drogen, Alkohol, Sex – das alles wird offen thematisiert und ohne den moralischen Zeigefinger, wie er sonst in Jugendbüchern häufig bei den völlig unschuldigen, reinen Protagonisten zu finden ist. Hier sind die Figuren schwierig und nicht unschuldig, Verantwortung für die Folgen spielt eine große Rolle.

Der Schreibstil sowie der Aufbau mit den wechselnden Perspektiven zwischen Emily und Damon haben mir ebenfalls sehr gut gefallen. Das Buch war spannend und einfühlsam, hatte Tiefe und Gefühl, war vor allem düster und ernsthaft. Einzig ein wenig mehr Hintergründe hätte ich mir an einigen Stellen gewünscht, vielleicht einige Rückblicke in die Zeit vor dem Todesfall oder eine stärkere persönliche Einbindung von Emilys Vater, der leider einen nur sehr indirekt vorhandenen Charakter darstellte. Dadurch bleibt „Ich wünschte, ich könnte dich hassen“ das in meinen Augen stärkere Buch der Autorin, allerdings ist der Vorsprung hauchdünn, denn auch „Kiss me, kill me“ hat mich begeistert.

Fazit: Spannend und emotional setzt Lucy Christopher „Kiss me, kill me“ als gelungenen, aber nicht ganz klassischen Psychothriller um, der sich vor allem mit den Zweifeln und der Traurigkeit von Opfer und Täter nahestehenden Personen auseinandersetzt. Ein schöner Aufbau, viel Gefühl und eine thematische Breite überzeugen, auch trotz einiger vermisster Hintergründe. Ich vergebe knappe 5 Sterne, ein sehr lesenswertes Buch.




Allgemeine Informationen

Ausgabe: Klappenbroschur
Erschienen: Januar 2014
Seiten: 384
Verlag: Chicken House
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Originaltitel: The Killing Woods
ISBN: 978-3-551-52033-3
Preis: € [D] 14.99

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage zum Buch


3 Kommentare:

  1. Das klingt wirklich gut. Danke für deine Rezension, da weiß ich gleich auf was ich mich einlasse, also sehr schön beschrieben! Ich glaube das Buch wandert gleich mal auf meine Wunschliste.

    Liebe Grüße
    Vanessa

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  2. Das hört sich richtig gut an und eigentlich bin ich kein Thriller Fan...aber an diesem Buch werde ich (Dank dir) nicht mehr vorbei kommen :-)
    LG

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  3. Ganz tolle Rezension!
    Ich hab das Buch schon länger im Auge, es taucht ja immer wieder mal auf verschiedenen Blogs auf in der letzten Zeit :) Werde es mit Sicherheit auch noch lesen *-*

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