Donnerstag, 16. Januar 2014

Rezension zu "Die gestohlene Zeit" von Heike Eva Schmidt


Steife Charaktere in einer vorhersehbare Handlung

„Die gestohlene Zeit“ ist nach dem Jugendthriller „Schlehenherz“ und der Zeitreise-Fantasy „Purpurmond“ mein dritter Roman der deutschen Autorin Heike Eva Schmidt. Leider konnte mich dieser Roman aus dem Bereich zeitgenössische Fantasy, erneut kombiniert mit Zeitreise-Elementen, nicht immer überzeugen.

Inhaltlich geht es um Emma, die sich 1987 als Studentin mit einer Schulklasse auf Bergwanderung befindet. Sie findet abseits des Weges einen geheimnisvollen Ring, der ihr jedoch von zwei Schülern gewaltsam entrissen wird. Sie lassen Emma zurück, die kurz darauf in die Fänge der Zwerge gerät, die unter dem Berg in einer geheimen Parallelwelt leben und dort von ihrem König Laurin regiert werden, dem Besitzer des magischen Rings. Zusammen mit dem einzigen anderen Menschen in der Zwergenwelt, einem jungen Mann namens Jonathan, gelingt Emma die Flucht. Zurück in der Zivilisation muss Emma aber feststellen, dass während ihres kurzen Aufenthalts in Laurins Reich in der Menschenwelt Jahrzehnte vergangen sind – für Jonathan sogar noch deutlich mehr. Zudem hat der König der Zwerge die Fliehenden mit einem Fluch belegt, den sie nur brechen können, wenn sie ihm den Ring zurückbringen…

Neben der bezaubernden Gestaltung der Klappenbroschur, überzeugte mich der angekündigte Inhalt zunächst sehr. Im Gegensatz zu den meisten anderen Zeitreiseromanen ist hier unsere Gegenwart das Ziel der Reise und Emma entdeckt die Unterschiede zu den späten 80er-Jahren, wie sie die Welt vor ihrem Verschwinden in das Zwergenreich noch kannte. In der Umsetzung waren die irritierenden Berührungspunkte für Emma dann aber recht vorhersehbar. Das Internet, Handys, die Technik im Allgemeinen. Nichts davon entwickelte sich wirklich spannend. Obwohl noch deutlich weiter von der heutigen Zeit entfernt aufgewachsen verhält es sich bei Emmas Begleiter Jonathan nicht wirklich anders.

Teilweise strapazierten die beiden Figuren sogar erheblich meine Nerven, denn ich vermisste die Lernfähigkeit. Einmal unangenehm durch eine überraschte Reaktion auf für andere Menschen Alltägliches aufgefallen, sollte man meinen, dass sie verstanden hätten, dass sich in der Welt während ihrer Abwesenheit einige Veränderungen vollzogen haben, und sie somit beim nächsten Mal dezenter reagieren würden – aber es blieb eher ein leicht klischeehaftes Übertreiben. Der Humor hinter dieser Begegnung mit dem Unbekannten, eine durchaus vorhandene Situationskomik, konnte dadurch oft nicht zünden.

Leider fehlte mir zudem besonders zur Ich-Erzählerin Emma der Zugang. Sie war ein eher glatter Charakter, der sich selten seinen Emotionen hingab und stattdessen so häufig abgeklärt die perfekte Lösung präsentierte, dass es auf mich nicht glaubwürdig wirkte. Immer so, wie es die Geschichte „zufällig“ gerade brauchte, aber oft eher unnatürlich und ein wenig hölzern. Dadurch war alles ein wenig vorhersehbar, zwar manchmal spannend, dann aber stellenweise auch wieder sehr zäh. Davon, dass ich dieses Buch nicht aus der Hand legen konnte, kann keine Rede sein – es war eher so, dass ich es eine ganze Zeit lang nicht mehr in die Hand nehmen wollte, weil es mich absolut nicht fesseln konnte.
Trotz vorhandener Liebesgeschichte hat es mich gefühlsmäßig fast vollständig kalt gelassen.

Vermutlich haben dazu auch der Schreibstil und der Aufbau der Geschichte beigetragen. Perspektivwechsel zwischen der Ich-Erzählerin Emma und anderen Figuren wie dem Zwergenkönig Laurin oder dem Ringbesitzer Udo konnten mich nicht überzeugen. Gerade diese Passagen waren oft sehr langatmig geschrieben und machten die Geschichte durch das Zusatzwissen des Lesers noch vorhersehbarer und langweiliger.
Sprachlich war zu merken, dass die Autorin durchaus versucht hat, den unterschiedlichen Wortschatz der jeweiligen Zeit zu berücksichtigen. Jedoch wirkte mir die Sprache bei Emma oft deutlich zu steif, die von Jonathan dagegen gelegentlich schon zu angepasst. Insgesamt fehlte der Geschichte für mein Gefühl die Natürlichkeit. Ein natürliches Verhalten der Figuren, auch in der Liebesgeschichte, die schnell, kitschig, aber wenig emotional verlief. Auch den Schreibstil im Allgemeinen fand ich oft zu holprig, die Handlungsführung zu vorhersehbar und die Spannungskurven durch die zu glatte, abgeklärte Ich-Erzählerin zu flach.

Fazit: Eine gute Grundidee scheitert an der Umsetzung, zumindest teilweise. „Die gestohlene Zeit“ ist vorhersehbar und hat leider keine Charaktere zu bieten, die mir im Gedächtnis bleiben werden. Mir fehlte die Natürlichkeit, die Figuren wirkten steif. Daher kann ich nur drei Sterne vergeben. Trotz interessanter Geschichte nur ein durchwachsenes Lesevergnügen.



 
Allgemeine Informationen

Ausgabe: Klappenbroschur
Erschienen: Oktober 2013
Seiten: 448
Verlag: Knaur
ISBN: 978-3426513118
Preis: € [D] 12.99

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage zum Buch
 
 





4 Kommentare:

  1. Schade, dass dir das Buch nicht so gut gefallen hat. Mir gefiel es richtig gut aber zum Glück gibt es unterschiedliche Geschmäcker ;-). Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich erst dachte das Buch wäre sowieso nichts für mich.
    Deine Rezension ist super geschrieben und wo ich das gelesen habe, konnte ich dir doch in einigen Dingen zustimmen.

    Liebe Grüße
    Vanessa

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  2. Schöne rezi ♥ ich werde mir trotzdem mal meine eigene Meinung bilden :)
    Liebe Grüße
    Nasti ★

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  3. Hallo Sarah,
    ich kam mit "Purpurmond" nicht so klar, habe es nach der Hälfte sogar abgebrochen. Dabei war es gar nicht schlecht, einfach nicht so richtig meins. Oder ich habe zu spät oder zum falschen Zeitpunkt gelesen. Dort gab es auch Perspektivenwechsel zwischen alter und jetziger Zeit. Die konnten mich auch nicht packen. Verstehe dich also vollkommen. Du begründest sehr gut und fair.
    Grüß dich lieb!
    Damaris

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  4. Hi! Wieder mal eine sehr informative Rezi! Kam mir gerade Recht, ich hab das Buch nämlich schon länger auf meiner Leseliste (nicht zuletzt natürlich wegen der hübschen Cover-Gestaltung), hab mich aber irgendwie noch nicht dazu durchringen können es mir tatsächlich zu holen.

    Deine Rezension ist aber auf jeden Fall schon mal sehr hilfreich, gerade die Ausgestaltung der Protagonisten scheint ja eher nicht so gut gelungen, was für mich schon irgendwie ein Abturner ist. Besonders so klischeehafte Verhaltensweise gehen mir immer schnell auf die Nerven und gerade bei Zeitreiseromanen finde ich es wichtig, nicht zu sehr in Klischees zu verfallen. Schade, obwohl die Grundidee eigentlich ganz originall ist. Mal sehen ob ich dem Buch trotzdem ne Chance geben werde.

    Liebe Grüße
    Ningyo

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