Kampf den Logiklücken
„Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit“ ist der zweite Band einer
dystopischen Trilogie von Veronica Roth. Aufgrund des recht häufigen und
skrupellosen Auftretens von Gewalt würde ich die Reihe als All-Age-Buch
ansehen, dass unter 14jährigen nicht zu empfehlen ist.
Inhalt: Der Krieg zwischen den Ken und den Altruan hat das Fraktionensystem zum Einsturz gebracht. Ein Großteil der Ferox steht nach wie vor unter dem Einfluss der Simulationen, welche die Ken entwickelt haben, um sie zu ihrer Armee zu machen. Tris, Four und die anderen Unbestimmten sind in Gefahr und versuchen, bei den verbleibenden Fraktionen Unterstützung zu finden. Oder sind die Fraktionslosen die Hilfe, nach der sie suchen? Können sie den Krieg gegen die Ken gewinnen?
Entgegen des großen Hypes stand ich dem ersten Band dieser Trilogie eher kritisch gegenüber. Besonders die dystopische Welt, das allgemeine Setting der Trilogie, fand ich recht unglaubwürdig und in vielen Punkten nicht zu Ende gedacht. Der zweite Band schafft da Abhilfe, wenn auch reichlich spät. Erst am Ende erklären sich einige Logiklücken aus „Die Bestimmung“, was viele meiner Kritikpunkte aus dem ersten Band, etwa die fehlende Betrachtung des Konfliktpotentials, das von den Fraktionslosen ausgeht, letztendlich als richtig und gewollt herausstellte. Es ist bedauerlich, dass die Autorin sich dafür entschieden hat, fast zwei Drittel ihrer Geschichte – den ersten Band und auch fast den kompletten zweiten Band der Trilogie – mit offensichtlichen und beabsichtigten Logiklücken durchzuziehen. Das Ende von „Tödliche Wahrheit“ ist dadurch zwar sehr stark, ich hätte eine Komprimierung der Handlung zugunsten einer früheren Wendung zum Logischeren aber dennoch vorgezogen.
Denn leider profitiert die Handlung von „Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit“ erst ganz am Ende von einem neuen Ansatz der gesamten Grundidee. Alles, was davor kam, litt unter einer anstrengenden Ich-Erzählerin und ziellosem Umherwandern von Fraktion zu Fraktion, von Kampf zu Kampf. Da schloss sich der zweite Band nahtlos dem ersten an. Auch das strenge Schubladendenken wird beibehalten. Jedes Verhalten wird dahingehend analysiert, ob es zu dieser oder jener Fraktion passt. Da Mut, Selbstlosigkeit, Friedfertigkeit, Wahrheitsliebe und das Streben nach Wissen in meinen Augen nach wie vor keine einander ausschließenden Eigenschaften sind, war ich von der engstirnigen Betrachtung der einzelnen Fraktionen häufig genervt. In meiner Rezension zum ersten Band schrieb ich, dass ich hier keine realen Menschen erkennen könne – es sei denn, sie wären charakterlich mutiert. Auch wenn ich das damals eher provokant, aber ohne jeden Ernst geschrieben hatte, und ohne zu viel verraten zu wollen: Allzu weit entfernt war ich damit von der Wahrheit nicht. Am Ende dieses zweiten Bandes betrachte ich die dystopische Welt jedenfalls mit vollkommen anderen Augen. Dennoch, den ersten Band macht das nicht zu einem größeren Vergnügen. Die Wendung hätte bereits hier angedeutet werden müssen, um der Geschichte Sinn zu geben, anstatt zuzulassen, dass ich mich hunderte von Seiten lang über das schwache Konzept dieser Welt ärgerte.
Die Idee der Unbestimmten blieb für mich auch lange ein Problem. Sollten es wirklich diese paar einfachen Entscheidungen in Tris Einstufungstest gewesen sein, die belegen, dass ihr Gehirn vollkommen anders funktioniert als das unzähliger anderer. Ihre Verhaltensmuster waren doch so gewöhnlich, wieso sollte sie nicht auf die Simulation der Ken anspringen? Immer mit dem sehr banalen Test aus dem ersten Band im Hinterkopf, der ja kaum aus mehr als fünf, sechs Entscheidungen überhaupt bestanden hatte, blieb mir dieser Ansatz schleierhaft. Auch das überdenke ich seit dem Ende des zweiten Bandes, der tatsächlich vieles auf den Kopf stellt, wieder.
Leider hilft das Ende jedoch weder beim Ertragen von Tris noch bei einer schwammigen Handlungsführung. Ich denke, die Autorin hatte ihre Wendung am Ende des Romans die ganze Zeit fest im Blick. Bedauerlicherweise musste sie aber noch einige hundert Seiten füllen, bevor sie zu diesem Punkt gelangen konnte, und nutzt diese, um den Leser ein wenig zu langweilen. Draufschlagen, wie und wann es nur geht, das war schon das Konzept des ersten Bandes und die Ferox, auch die Unbestimmten unter ihnen, bleiben sich was das angeht treu. Allerdings, da die Kriegszustände greifbar sind, wirken viele Situationen um einiges glaubwürdiger als noch im ersten Band.
Tris hat nach ihrem tödlichen Einsatz von Schusswaffen am Ende des ersten Bandes zum ersten Mal so etwas wie Skrupel, es ist sogar eine psychische Labilität festzustellen. Ja genau, kaum zu glauben, aber wahr, die super-taffe Hau-Drauf-Schnalle bekommt tatsächlich so etwas wie eine menschliche Seite. Aber auch wirklich nur eine kleine. Denn ihre Entscheidungen - trotzig, bockig und eigensinnig - sind oft nicht nachzuvollziehen und zerstören alles, was sich mit Four auch nur in halbwegs romantischer Richtung entwickeln möchte, schon im Ansatz. Vertrauen kann man diesem naiven Mädchen nicht. Sie verbirgt ihre Unsicherheit vor allen, denkt aber dennoch, sie wäre die einzige, die hier etwas bewegen könnte. So sieht man ihr dabei zu, wie ein Alleingang nach dem anderen scheitert - und sie dennoch weiter macht. Man wünscht Tris wirklich etwas mehr Verstand und Lernfähigkeit. Soll nicht auch eine Ken in ihr stecken? Warum ist sie dann so dumm und verhält sich fernab jeder Logik wie ein selbstmitleidiges Kleinkind? Wenn sie das Paradebeispiel einer Unbestimmten ist, die einzige Gruppe, welche die Ken aufhalten könnte, die Hoffnung der Menschheit, dann sehe ich echt schwarz.
Sprachlich ist „Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit“ auf einem soliden Jugendbuch-Niveau. Besondere Finessen gibt es nicht, dennoch erzählt es flüssig und ohne zu stupide zu wirken, was nicht unbedeutend ist, denn trotz 16jähriger Ich-Erzählerin ist das Buch für zu junge Leser durch den Berg von Gewalt kaum geeignet.
Die Spannung und auch die Liebesgeschichte bleiben auf der Strecke. Die Protagonisten machen kaum mehr, als zwischen den einzelnen Fraktionen hin und her zu pendeln. Viele Ortswechsel, mal eine Verschwörung, ein kleiner Verrat, ein paar neue Gesichter – alles in Allem nichts Weltbewegendes. Kürzungen wären angesagt gewesen. Ebenso hätte eine etwas zugänglichere Ich-Erzählerin mich sicherlich mehr in die Geschichte einbezogen. Tris ist leider ein kalter Stein, für den mir der sympathische, aber oft etwas zu weichliche Four viel zu schade war.
Fazit: „Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit“ ist ohne Zweifel besser als der erste Band. Viele Logiklücken werden durch ein unerwartetes, sehr starkes Ende ausgebügelt. Dennoch wären eine straffere Handlung und eine einfühlsamere Ich-Erzählerin wünschenswert. Viele Erklärungen kamen einfach zu spät. Knappe 4 Sterne. Den Hype hat sich diese dystopische Trilogie noch immer nicht verdient.
Inhalt: Der Krieg zwischen den Ken und den Altruan hat das Fraktionensystem zum Einsturz gebracht. Ein Großteil der Ferox steht nach wie vor unter dem Einfluss der Simulationen, welche die Ken entwickelt haben, um sie zu ihrer Armee zu machen. Tris, Four und die anderen Unbestimmten sind in Gefahr und versuchen, bei den verbleibenden Fraktionen Unterstützung zu finden. Oder sind die Fraktionslosen die Hilfe, nach der sie suchen? Können sie den Krieg gegen die Ken gewinnen?
Entgegen des großen Hypes stand ich dem ersten Band dieser Trilogie eher kritisch gegenüber. Besonders die dystopische Welt, das allgemeine Setting der Trilogie, fand ich recht unglaubwürdig und in vielen Punkten nicht zu Ende gedacht. Der zweite Band schafft da Abhilfe, wenn auch reichlich spät. Erst am Ende erklären sich einige Logiklücken aus „Die Bestimmung“, was viele meiner Kritikpunkte aus dem ersten Band, etwa die fehlende Betrachtung des Konfliktpotentials, das von den Fraktionslosen ausgeht, letztendlich als richtig und gewollt herausstellte. Es ist bedauerlich, dass die Autorin sich dafür entschieden hat, fast zwei Drittel ihrer Geschichte – den ersten Band und auch fast den kompletten zweiten Band der Trilogie – mit offensichtlichen und beabsichtigten Logiklücken durchzuziehen. Das Ende von „Tödliche Wahrheit“ ist dadurch zwar sehr stark, ich hätte eine Komprimierung der Handlung zugunsten einer früheren Wendung zum Logischeren aber dennoch vorgezogen.
Denn leider profitiert die Handlung von „Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit“ erst ganz am Ende von einem neuen Ansatz der gesamten Grundidee. Alles, was davor kam, litt unter einer anstrengenden Ich-Erzählerin und ziellosem Umherwandern von Fraktion zu Fraktion, von Kampf zu Kampf. Da schloss sich der zweite Band nahtlos dem ersten an. Auch das strenge Schubladendenken wird beibehalten. Jedes Verhalten wird dahingehend analysiert, ob es zu dieser oder jener Fraktion passt. Da Mut, Selbstlosigkeit, Friedfertigkeit, Wahrheitsliebe und das Streben nach Wissen in meinen Augen nach wie vor keine einander ausschließenden Eigenschaften sind, war ich von der engstirnigen Betrachtung der einzelnen Fraktionen häufig genervt. In meiner Rezension zum ersten Band schrieb ich, dass ich hier keine realen Menschen erkennen könne – es sei denn, sie wären charakterlich mutiert. Auch wenn ich das damals eher provokant, aber ohne jeden Ernst geschrieben hatte, und ohne zu viel verraten zu wollen: Allzu weit entfernt war ich damit von der Wahrheit nicht. Am Ende dieses zweiten Bandes betrachte ich die dystopische Welt jedenfalls mit vollkommen anderen Augen. Dennoch, den ersten Band macht das nicht zu einem größeren Vergnügen. Die Wendung hätte bereits hier angedeutet werden müssen, um der Geschichte Sinn zu geben, anstatt zuzulassen, dass ich mich hunderte von Seiten lang über das schwache Konzept dieser Welt ärgerte.
Die Idee der Unbestimmten blieb für mich auch lange ein Problem. Sollten es wirklich diese paar einfachen Entscheidungen in Tris Einstufungstest gewesen sein, die belegen, dass ihr Gehirn vollkommen anders funktioniert als das unzähliger anderer. Ihre Verhaltensmuster waren doch so gewöhnlich, wieso sollte sie nicht auf die Simulation der Ken anspringen? Immer mit dem sehr banalen Test aus dem ersten Band im Hinterkopf, der ja kaum aus mehr als fünf, sechs Entscheidungen überhaupt bestanden hatte, blieb mir dieser Ansatz schleierhaft. Auch das überdenke ich seit dem Ende des zweiten Bandes, der tatsächlich vieles auf den Kopf stellt, wieder.
Leider hilft das Ende jedoch weder beim Ertragen von Tris noch bei einer schwammigen Handlungsführung. Ich denke, die Autorin hatte ihre Wendung am Ende des Romans die ganze Zeit fest im Blick. Bedauerlicherweise musste sie aber noch einige hundert Seiten füllen, bevor sie zu diesem Punkt gelangen konnte, und nutzt diese, um den Leser ein wenig zu langweilen. Draufschlagen, wie und wann es nur geht, das war schon das Konzept des ersten Bandes und die Ferox, auch die Unbestimmten unter ihnen, bleiben sich was das angeht treu. Allerdings, da die Kriegszustände greifbar sind, wirken viele Situationen um einiges glaubwürdiger als noch im ersten Band.
Tris hat nach ihrem tödlichen Einsatz von Schusswaffen am Ende des ersten Bandes zum ersten Mal so etwas wie Skrupel, es ist sogar eine psychische Labilität festzustellen. Ja genau, kaum zu glauben, aber wahr, die super-taffe Hau-Drauf-Schnalle bekommt tatsächlich so etwas wie eine menschliche Seite. Aber auch wirklich nur eine kleine. Denn ihre Entscheidungen - trotzig, bockig und eigensinnig - sind oft nicht nachzuvollziehen und zerstören alles, was sich mit Four auch nur in halbwegs romantischer Richtung entwickeln möchte, schon im Ansatz. Vertrauen kann man diesem naiven Mädchen nicht. Sie verbirgt ihre Unsicherheit vor allen, denkt aber dennoch, sie wäre die einzige, die hier etwas bewegen könnte. So sieht man ihr dabei zu, wie ein Alleingang nach dem anderen scheitert - und sie dennoch weiter macht. Man wünscht Tris wirklich etwas mehr Verstand und Lernfähigkeit. Soll nicht auch eine Ken in ihr stecken? Warum ist sie dann so dumm und verhält sich fernab jeder Logik wie ein selbstmitleidiges Kleinkind? Wenn sie das Paradebeispiel einer Unbestimmten ist, die einzige Gruppe, welche die Ken aufhalten könnte, die Hoffnung der Menschheit, dann sehe ich echt schwarz.
Sprachlich ist „Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit“ auf einem soliden Jugendbuch-Niveau. Besondere Finessen gibt es nicht, dennoch erzählt es flüssig und ohne zu stupide zu wirken, was nicht unbedeutend ist, denn trotz 16jähriger Ich-Erzählerin ist das Buch für zu junge Leser durch den Berg von Gewalt kaum geeignet.
Die Spannung und auch die Liebesgeschichte bleiben auf der Strecke. Die Protagonisten machen kaum mehr, als zwischen den einzelnen Fraktionen hin und her zu pendeln. Viele Ortswechsel, mal eine Verschwörung, ein kleiner Verrat, ein paar neue Gesichter – alles in Allem nichts Weltbewegendes. Kürzungen wären angesagt gewesen. Ebenso hätte eine etwas zugänglichere Ich-Erzählerin mich sicherlich mehr in die Geschichte einbezogen. Tris ist leider ein kalter Stein, für den mir der sympathische, aber oft etwas zu weichliche Four viel zu schade war.
Fazit: „Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit“ ist ohne Zweifel besser als der erste Band. Viele Logiklücken werden durch ein unerwartetes, sehr starkes Ende ausgebügelt. Dennoch wären eine straffere Handlung und eine einfühlsamere Ich-Erzählerin wünschenswert. Viele Erklärungen kamen einfach zu spät. Knappe 4 Sterne. Den Hype hat sich diese dystopische Trilogie noch immer nicht verdient.
Die Trilogie (mit Links zu Amazon.de):
- "Die Bestimmung" (März 2012, englischer Originaltitel "Divergent")
- "Die Bestimmung - Tödliche Wahrheit" (Dez. 2012, englischer Originaltitel "Insurgent")
- noch nicht bekannt (englischer Originaltitel "Allegiant")
Allgemeine Informationen
Ausgabe: Gebunden
Seiten:512
Verlag : cbt
Verlag : cbt
ISBN: 978-3-570-16156-2
Preis: € [D]17.99
Preis: € [D]17.99
Huhu,
AntwortenLöschentolle Rezi. Das Buch klingt echt toll. ich kann es kaum erwarten die Reihe endlich zu lesen
Ich warte mal deine Rezi zu Band drei ab (selbst wenn das ein Jahr dauern sollte...) und entscheide dann, ob die Reihe was für mich ist oder nicht. Wenn, dann würde ich sie nach deiner Rezi von Band 2 nämlich lieber am Stück lesen :).
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