Mittwoch, 3. Juli 2013

Rezension zu "Assassino" von Gerd Ruebenstrunk



Jung-Archäologin auf Stolperkurs

„Assassino“ von Gerd Ruebenstrunk ist ein Urban-Fantasy-Roman mit Action-Thriller-Einschlägen aus dem Jugendbuch-Bereich, der gut begann, dann aber leider nicht überzeugen konnte.

Doch zunächst ein paar Worte zum Inhalt: Die gerade einmal 17jährige Kati ist zusammen mit ihrem Mitarbeiter Chris im Auftrag ihres Vaters auf der Suche nach historischen Schätzen. Dieses Mal führte sie eine verschollene Fibelscheibe aus der Zeit der Etrusker ins kroatische Dubrovnik. Doch die Suche ist gefährlicher als gedacht, auch andere versuchen die Scheibe zu finden und kennen keinen Skrupel. Der geheimnisvolle Ilyas rettet Kati vor ihren Verfolgern. Wer ist der junge Mann, der Kati fasziniert?

Begonnen hat „Assassino“ wirklich gut. Ein actionreicher, von Archäologie geprägter Thriller, mit schon auf den ersten Blick etwas jungen Protagonisten, die sich allerdings zunächst gut behaupteten, präsentierte sich auf den ersten Seite unter dem schön gestalteten, leicht golden reflektierenden Cover. Mit der Zeit wurde es allerdings holpriger: Die Charaktere konnten keine Glaubhaftigkeit und keine Tiefe erlangen, die Geschichte verlor den Fokus und las sich wie ein Ablauf von Kämpfen ohne Sinn und – zu guter Letzt – wo war die Suche nach der Fibelscheibe geblieben? Was vorher zentraler Handlungspunkt war, verschwand zunehmend.

Denn, zunächst noch Mittelpunkt aller Recherchen, musste die Fibelscheibe sich in den Hintergrund drängen lassen. Interesse an ihr war nur noch am Rande vorhanden, gesucht wurde nicht mehr, recherchiert ohnehin nicht, stattdessen war Ilyas plötzlich im Zentrum der Aufmerksamkeit. Seine Lebensgeschichte war nicht uninteressant, als Fantasy-Anteil der Geschichte sogar ganz ansprechend, aber ein Gleichgewicht wurde leider nicht gefunden. Ilyas überlagert mit der Zeit alles, ohne dass seine Hintergründe, seine geheimnisvolle Herkunft, die aktuelle Handlung besonders vorantreiben könnte. Hier bleibt die Fibelscheibe ein zentrales Element, darf aber nur noch durch Zufälle und nebenbei gesucht (und gefunden?) werden.

Ein großer Minuspunkt sind für mich in diesem Buch allerdings noch weit vor der unfokussierten Handlungsführung die Charaktere. Steif, stereotyp und mit großen Diskrepanzen zwischen ihrer Selbsteinschätzung (also dem, was sie selbst und andere über sie sagen) und der Wirklichkeit.

Das beste Beispiel dafür ist Kati. Eigentlich soll sie eine typische Hochintelligente sein, deren soziale Kompetenzen bei ihrer Entwicklung, ihrem stark beschleunigten Bildungsweg und ihren Prioritäten deutlich unterentwickelt blieben. Sie soll rational sein, selbst spricht sie von einer „rationalen Brille“, durch die sie die Welt sehen würde, was ihr das „Glauben“ an Phänomene außerhalb der wissenschaftlichen Erklärungsgrundlage – angeblich – schwierig machen würde.

Nichts davon spiegelt sich in Katis Verhalten wider. Obwohl Misstrauen und Vorsicht angesagt wären, erzählt sie einigen in der Handlung neu auftauchenden Figuren in einem Atemzug ihre gesamte Lebensgeschichte. Ihre Gründe dafür sind nicht rational: Bauchgefühl, Intuition und Menschenkenntnis sind alles, was sie vorzubringen hat. Die aus der Luft gegriffen, übernatürlichen Erklärungen für die Fantasy-Elemente glaubt sie innerhalb von Sekunden. Von ihrer überdurchschnittlichen Intelligenz merkt man nichts, ebenso wenig von ihrer angeblichen sozialen Inkompetenz. Sie ist ein extrovertierter, sich gerne und viel in Gesellschaft befindender, plaudernder Mensch. Ihre einzige Schwäche ist Ilyas, der ihr Interesse weckt. Verwunderlich ist das nicht: Sie ist eine mit Männern absolut unerfahrene 17jährige, ein unsicheres Mädchen, das bei ihrer ersten Verliebtheit nicht unangemessen auftreten möchte. Insgesamt ziemlich gewöhnlich.

Alles in Allem ist Kati dadurch aber auch ein ziemlich undurchdachter Charakter. Die Diskrepanz zwischen dem, wie sie zu sein behauptet, und ihrem Verhalten ist einfach zu groß. Dies gilt auch für die anderen Figuren, von denen viele recht zwielichtig und undurchsichtig daher kommen, aber mit ein wenig Logik doch schnell zu durchschauen sind. Große Überraschungen gab es nicht, wenn auch zahlreiche Wendungen dabei waren. Wirklich einfühlen konnte ich mich in die Charaktere nicht, sie wirkten zu fremd.
Die Perspektiven wechselten zwischen den Charakteren des Weiteren häufig und leider auch oft auf eine sehr unübersichtliche Art und Weise.

Sprachlich ist „Assassino“ leider auch eher steif, ein wenig holprig. Spannend erzählt wurde die Geschichte zwar, Action am Fließband ist aber allein nicht die Lösung. Gefühlvollere Momente wurden vermisst, Nähe zu den Figuren wurde vermisst. Am Ende überschlug sich vieles, größtenteils erschien es auch zu einfach, zu unlogisch, zu sehr auf Zufälle bedacht und zu unfertig, um mich zu überzeugen. Das war sehr schade, denn das Potential hätte die Grundidee am Anfang gehabt und auch die Fantasy-Elemente rund um den mysteriösen Ilyas waren ansprechend. Innerhalb der Geschichte waren Letztere auch noch das, was in der Umsetzung am ehesten überzeugen und die Handlung ein wenig vor dem vollständigen Untergang bewahren konnte. Logik und Gefühle blieben leider trotz zarter Liebesgeschichte, die mir zu kindlich verlief, allerdings weitestgehend auf der Strecke.

Zu bedenken ist, dass „Assassino“ wohl als Zweiteiler ausgelegt wurde. Die Geschichte ist keinesfalls abgeschlossen, funktioniert als Einzelband auch nicht so recht. Viele Fragen bleiben offen, viel bisher ungenutztes Potential könnte noch für einen guten zweiten Band genutzt werden. Für diesen hat es leider nicht gereicht.

Fazit: Wenig glaubhafte Charaktere, eine unfokussierte Handlung, eine schwammige Logik und eine teilweise hölzerne Sprache – „Assassino“ konnte mich trotz guter Grundidee nicht überzeugen. Hier holperte doch einiges. Für all das ungenutzte Potential gibt es leider nur gute 2 von 5 Sternen. 



Zur Fortsetzung ist noch nichts bekannt


Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden, mit Schutzumschlag
Seiten: 384
Verlag: bloomoon
ISBN: 978-3-7607-8681-0
ab 14 Jahren
Preis: € [D] 16.99

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage

 

3 Kommentare:

  1. Schade, genau das, was du beschreibst - insbesondere über die Hauptcharaktere -, habe ich schon in sehr vielen anderen Rezensionen gelesen. Da mag das Cover noch so nett anzuschauen sein, das kann eine schlechte Geschichte eben nicht überwiegen. Ich würde sagen, "Assassino" wandert dann mal nicht in mein Regal ;)
    Sehr schöne Rezension!

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  2. Hm, dann bin ich mal gespannt. Hab das Buch nämlich bei BDB gewonnen. Das mit den Hauptcharakteren klingt für mich ja nicht unbedingt positiv.

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  3. Zum Glück hab ich es nicht bei Bdb genommen :-D

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