Etwas oberflächlich und zu distanziert
"Böser Wolf" von Nele Neuhaus ist bereits der 6.
Teil rund um das K11-Ermittlerteam aus dem Taunus. Nach "Eine unbeliebte Frau" (Teil 1) und "Mordsfreunde" (Teil 2), zwei eher schwachen Bänden am Anfang, lag der
Höhepunkt dieser Krimi-Reihe für mich definitiv bei "Tiefe Wunden" (Teil 3) und "Schneewittchen muss
sterben" (Teil 4), woran zunächst "Wer Wind
sät" (Teil 5) und jetzt leider auch "Böser Wolf" als aktuell
letzter Teil nicht mehr heranreichen konnten.
Inhalt: Eine Mädchenleiche wird am Flussufer gefunden.
Bodenstein und Kirchhoff tappen im Dunkeln, denn anscheinend wird das Mädchen
nirgends vermisst. Währenddessen plant die Fernsehmoderatorin Hanna Herrmann
nach einigen Schwierigkeiten und Klagen gegen ihre Sendung diese mit einer
großen Enthüllungsstory wieder auf Kurs zu bringen. Dabei wird sie allerdings
selbst zur Zielscheibe...
Bevor ich mich an die Bewertung gesetzt habe, habe ich mir
überlegt, ob ich hier verraten sollte, worum es in dem Buch wirklich geht,
oder, ob die Enthüllung dieses Kerns der Geschichte einen bedeutenden Teil der
Spannung ausmacht und daher nicht in eine Rezension gehört. Allerdings scheint
es so zu sein, dass viele das Buch bereits schon aufgrund des Themas allein
nicht hätten lesen wollen, wenn sie dieses vorher gekannt hätten - die
Inhaltsangabe vom Verlag lässt darauf leider nicht schließen und auch ich war
ziemlich überrascht, als ich bemerkte, in welche Richtung sich dieser Krimi
entwickelte. Also, ohne mehr verraten zu wollen, im Großen und Ganzen geht es
um Kindesmissbrauch.
Bereits in "Wer Wind sät" hatte ich das Gefühl,
dass Nele Neuhaus sich immer mehr aktuellen, aber vor allem auch größer
angelegten Fällen widmet, die für mein Empfinden den Rahmen eines Regionalkrimis
fast schon sprengen. Auch in diesem Teil ist das wieder der Fall. Aus der
Leiche eines unbekannten Mädchens entwickelt sich ein Fall, der mit der Zeit
ein schier unüberblickbares Ausmaß annimmt, ohne jedoch - und damit beginnt
mein größtes Problem mit diesem Buch - auch nur ansatzweise in die Tiefe zu
gehen. Es schien mir fast so, als hätte die Autorin selbst es ein wenig mit der
Angst zu tun bekommen, als sie ihre Figuren in dieses brisante Thema
verstrickte, denn sie nähert sich den wirklichen Tätern dieses Mal kaum. Sie
bleiben Schattenfiguren, weit im Hintergrund und quasi ohne greifbaren
Charakter. Das war für mich eine Enttäuschung. Respekt vor einer Thematik wie
dem Kindesmissbrauch ist sicherlich angebracht, aber wer sich entscheidet,
einen Kriminalroman zu schreiben und dieses Thema dabei anzusprechen, sollte
dann auch den Mut aufbringen, seine Protagonisten sinnvoll agieren zu lassen
und sie auch dazu bringen, sich mit den Tätern direkt auseinanderzusetzen. Das
passiert nicht, die Distanz bleibt groß.
Wie bei Nele Neuhaus üblich, gibt es wieder einige
Nebenfiguren, teilweise auch sehr interessante, die in unzähligen
Handlungssträngen langsam zu einem Gesamtbild verflochten werden. Leider macht
dies das Buch gerade am Anfang etwas mühselig, denn die Spannung fehlt und bis
man die einzelnen Figuren zuordnen kann, vergeht eine Weile. Einige Figuren
verhalten sich zudem recht unlogisch, was aber bei diesem Fall leider auch für
die Ermittler gilt. Die Entschlüsselung der Frage nach dem Täter beruht oft
eher auf fixen Ideen als auf wirklicher Ermittlung. Alles wirkt konstruierter,
als ich es von Nele Neuhaus gewohnt bin, und ist außerdem vorhersehbarer. Der
Täter drängt sich dem Leser trotz Desinteresse und falschen Ansätzen von Seiten
der Ermittler beinahe auf. Spannend war es zwar dennoch, aber nicht immer. Das
Ende, an dem es mal wieder zu einer persönlichen Verstrickung von Ermittlern
und Fall kommt, wirkte für mich dann auch einfach nur fehl am Platz. Es wirkte
wie ein hektisches Anhängsel ohne Sinn.
Sprachlich kann ich Nele Neuhaus nicht kritisieren. Sie
schreibt flüssig, hat einen guten Stil und wie alle ihre Romane ist auch
"Böser Wolf" insgesamt angenehm zu lesen. Bei all der Distanz
zwischen Ermittlern und Tätern hatte ich aber das Gefühl, die Autorin hoffe
darauf, dass der Leser allein schon aufgrund der Betroffenheit, welche die
Thematik selbst auslöst, an das Buch gefesselt wird. Das funktioniert aber
nicht ganz. Es fehlt an vielen Stellen die Tiefe, eine direktere
Auseinandersetzung mit den Charakteren und auch eine spannungsgeladene
Atmosphäre wollte bei mir nicht aufkommen.
Fazit: "Böser Wolf" ist immer noch kein schlechter
Krimi. Nele Neuhaus wählt allerdings ein schwierig zu bearbeitendes Thema, den
Kindesmissbrauch, und versucht gleichzeitig, das Ganze auch noch in einem sehr
großen Rahmen aufzuziehen. Ich empfand die Story als zu konstruiert und die
Charaktere wie auch ihren Umgang miteinander im Rahmen der Ermittlung als zu
distanziert - als ob die Autorin mitten in der Geschichte der Mut zur
Auseinandersetzung mit ihren eigenen Figuren verlassen hätte. Insgesamt würde
ich es "Böser Wolf" solide, aber nicht brillant nennen. Ich habe
zwischen 3 und 4 Sternen geschwankt, doch die flüssige Sprache und ein durchaus
vorhandener Bann, den das Buch auf mich auslöste und mich weitestgehend
fesselte, veranlassen mich zu knappen 4 Sternen. Eine Leseempfehlung mit
Einschränkung.
Die Taunus-Krimis (Links zu Amazon.de):
- "Eine unbeliebte Frau" (2006) - meine Rezension
- "Mordsfreunde" (2007) - meine Rezension
- "Tiefe Wunden" (2009) - meine Rezension
- "Schneewittchen muss sterben" (2010) - meine Rezension
- "Wer Wind sät" (2011) - meine Rezension
- "Böser Wolf" (2012)
Allgemeine Informationen
Ausgabe: Gebunden
Erschienen: 11. Oktober 2012
Erschienen: 11. Oktober 2012
Seiten:480
Verlag: Ullstein Hardcover
ISBN: 978-3550080166
Preis: € [D] 19.99
Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage zum Buch
Ich hab die Rezenseion jetzt nicht komplett gelesen, da ich mich noch überraschen lassen will ;) Ich habe alle vorherigen Bücher schon gelesen und empfinde es genau wie du: Tiefe Wunden und Schneewittchen waren klasse, aber sind schwer zu toppen. Wer Wind sät war zwar okay, aber ich war trotzdem etwas enttäuscht. Mal sehen, wie mir dann das aktuelle Buch gefällt.
AntwortenLöschenLG Marisol
www.la-mia-farfalla.de
Schneewittchen muss sterben ist sicher ein Top-Krimi. Mordsfreunde hat mir auch gut gefallen. Den bösen Wolf habe ich noch nicht gelesen - vielleicht komm ich demnächst mal dazu.
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