Donnerstag, 24. Mai 2012

Rezension zu "Silberlicht" von Laura Whitcomb


Einfach bezaubernd

"Silberlicht" von Laura Whitcomb ist ein 2010 bei PAN erschienenes Jugendbuch, das sich durch seine besondere Art ein wenig von anderen Jugendromanen im Bereich der Romantic/Contemporary Fantasy abheben kann. Ich fand es einfach nur bezaubernd.

Zuerst aber ein paar Sätze zum Inhalt: Helen ist tot und das schon seit mehr als 100 Jahren. Sie ist, wie sie sich selbst nennt, "Licht", zu dem sie wurde, als sie sich nach ihrem Tod aus Angst vor der Hölle an lebende Menschen, die sie ihre "Bewahrer" nennt, klammerte und ihnen danach jeden Tag als Muse zur Seite stand, um ihnen ein paar Anregungen einzuflüstern.
Als sie eines Tages Blicke auf sich spürt, ändert sich ihr Dasein als Licht plötzlich. Noch nie konnte ein Mensch sie sehen und noch nie hat sie ein anderes "Licht" wie sich selbst gesehen. Doch genau das ist James. Er ist seit Jahrzehnten tot, wie sie, und hat wenige Tage vor ihrem Aufeinandertreffen den Körper des Schülers Billy übernommen. Helen sieht nach der Begegnung mit James ganz neue Möglichkeiten für sich selbst. Auch sie könnte einen Körper haben und ist endlich nicht mehr allein...

Was macht "Silberlicht" also meiner Meinung nach besonders? Zum einen mögen die Protagonisten vielleicht in jugendlichen Körpern leben, sie selbst sind es aber nicht, sondern waren bei ihrem Tod beide Ende Zwanzig und sind somit, trotz langer Einsamkeit, nicht mehr ganz unerfahren. Die Liebesgeschichte beginnt noch langsam, wird aber recht schnell ziemlich stürmisch und dabei zwar auch etwas romantisch, die üblichen leicht kitschigen Anschmachtungen, Liebesbekundungen und das Rumdrucksen, wie man sie aus vielen anderen Jugendromanen kennt, werden hier aber im Rekordtempo durch handfestere Bezeugungen gegenseitiger Zuneigung ersetzt. Die häufig vorkommende, leicht prüde und ängstlich wirkende Vermeidung von Sex zwischen ihren Protagonisten oder Anhimmelung der Jungfräulichkeit  teilt Lisa Whitcomb jedenfalls nicht im Geringsten mit ihren anderen amerikanischen Genre-Kollegen. Das war zur Abwechslung mal ganz erfrischend und für eine Altersempfehlung ab 14 Jahren auch nicht unangemessen.

Zwar könnte man auch bei "Silberlicht" wieder anmerken, dass die Idee von Liebe auf den ersten Blick ein wenig überreizt wird, aber ich habe das in "Silberlicht" gar nicht als übertrieben empfunden. Helen ist von James' Anwesenheit zunächst verängstigt, gleichzeitig aber auch fasziniert. Dass Helen sich zu ihm hingezogen fühlt, ist auch leicht nachzuvollziehen, immerhin ist er nicht irgendein Typ, der ihr unter Hunderten zulächelte, sondern seit mehr als hundert Jahren der einzige, der sie sehen und mit ihr sprechen kann. Das verleiht dem Paar eine Sonderstellung, die für mich das schnelle Aufflammen der Beziehung verständlich machte.

Der zweite Punkt, der "Silberlicht" aus der Masse herausstechen lässt, ist, dass es allein um die Entwicklung der Charaktere geht, also um James und die Ich-Erzählerin Helen, sowie um die familiären Probleme ihrer eingenommenen Körper - und was den Roman besonders macht: Damit kommt er auch aus. Er braucht keine große Action, keine Bedrohungen von außen, keine anderen übernatürlichen Wesen, um die Handlung aufzupeppen, sondern ist allein durch seine Charaktere spannend und überzeugend und bietet eine breite Palette emotionaler Höhen und Tiefen.

Die Ich-Erzählerin Helen hatte mich ohnehin schon nach wenigen Seiten ganz und gar für sich eingenommen. Sie ist sehr poetisch veranlagt, was sich auch im wunderschönen Schreibstil des Romans widerspiegelt, und schwärmt begeisternd für klassische Literatur - kein Wunder in Anbetracht ihrer Jahrzehnte andauernden Tätigkeit als Muse an der Seite diverser literatur- und theaterverbundener Menschen. Außerdem wird ihr Schicksal mit einer so greifbaren, bedrückenden Traurigkeit und Einsamkeit geschildert, dass ich gar nicht anders konnte, als mit ihr mitzufühlen. Ein unglaublich schöner Charakter.
Auch die Nebencharaktere sind überzeugend und sehr facettenreich. Der Roman zeigt menschliche Abgründe, ohne offensichtliche Klischees zu bedienen, sondern setzt bei den Figuren eher auf den Kontrast zwischen äußerer Wirkung und tatsächlicher Persönlichkeit, was ich sehr gelungen fand.
 
Die äußere Gestaltung mit den golden glänzenden Schnörkeln auf dem gelblichen Cover dieser gebundenen Ausgabe mit allerdings sehr dünnen, flexiblen Buchdeckeln, fand ich zu guter Letzt ebenfalls sehr gelungen und passend zum Inhalt. Die englische Ausgabe mit dem schönen Titel "A Certain Slant of Light" verfolgt einen ganz anderen, überhaupt nicht verträumten Ansatz, der mir aber auch gut gefällt und genauso zum Buch passt.

Fazit: Ein sprachlich wunderschöner Roman mit überzeugender Handlung und bezaubernder Protagonistin. Einfach nur empfehlenswert - auch für Erwachsene. 5 Sterne


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Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden, 1. Auflage  (März 2010)
Seiten: 320
Verlag : PAN
englische Originalausgabe: "A Certain Slant of Light"
ISBN: 978-3426283288
Preis: € [D] 14.99

 Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage

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