Freitag, 4. Mai 2012

Rezension zu "Der Junge, der Träume schenkte" von Luca Di Fulvio


Die Geschichte eines Traums

"Der Junge, der Träume schenkte" von Luca Di Fulvio war für mich ein außergewöhnliches Buch, das mich absolut verzaubert hat.

Zum Inhalt: Die junge Italienerin Cetta verlässt Anfang des 20. Jahrhunderts mit ihrem kleinen Sohn Natale, der bei einer Vergewaltigung gezeugt wurde, ihre Heimat, um im fernen Amerika ein neues, besseres Leben zu beginnen. Doch auch in New York City haben es die beiden nicht leicht und leben inmitten von Kriminalität, Prostitution und Armut. Cetta muss fürchten, dass ihr Sohn, der von der Einwanderungsbehörde in "Christmas" umbenannt wurde, ebenfalls in die Unterwelt aus Gangs und Gewalt hinabgezogen wird. Doch Christmas verfügt über das besondere Talent, Menschen für sich einzunehmen, und als er als Teenager das Leben der jungen Ruth, Enkelin eines reichen jüdischen Geschäftsmannes, rettet, verbinden sich die Schicksale der beiden so unterschiedlichen Jugendlichen für immer...

"Der Junge, der Träume schenkte" einzuordnen fällt gar nicht so leicht. Es ist eine Familiengeschichte, wird aber aus vielen Perspektiven erzählt, aus der Sicht von Personen, deren Leben sich vielleicht nur ein einziges Mal gekreuzt, aber dadurch dauerhaft beeinflusst haben. So verfolgt man insgesamt mindestens drei Schicksale genauer, das der jungen New Yorker Ruth und Christmas und des Verbrechers Bill, und wartet als Leser darauf, dass ihre Lebenswege, die sich teilweise sehr weit voneinander entfernen, wieder zusammentreffen. Dadurch entsteht eine wirkliche Fülle verschiedenster Handlungen und einer unheimlichen Dichte unterschiedlicher Stimmungen, die das Buch trotz seiner fast 800 Seiten nie langatmig werden lassen.

In erster Linie erzählt der Roman allerdings die Geschichte eines amerikanischen Traums in Form des Lebensweges von Christmas, der als Italiener in einer armen Gegend in New York mit Gewalt, Rassenhass und Kriminalität konfrontiert wird und alles daran setzt sein Leben zu ändern, als er Ruth kennenlernt, die ihm alles bedeutet, in deren Welt er aber als der, der er ist, keinen Platz haben kann. Christmas profitiert dabei von seinem besonderen Charisma, das es ihm ermöglicht, Menschen für sich einzunehmen und zu beeinflussen. Sein größter Traum ist es als der "Amerikaner" gesehen zu werden, der er auf dem Papier auch ist, und nicht aufgrund seiner Herkunft immer nur als Italiener. Dieses zu jeder Zeit und auch heutzutage aktuelle Thema setzt der Autor meiner Meinung nach besonders eindrucksvoll um.

Obwohl ich bei einer solchen Geschichte jede Menge Kitsch erwarte, den dieses Buch auch in Hülle und Fülle bietet, und ich kitschige Romane eigentlich nicht besonders mag, hat es mich bei "Der Junge, der Träume schenkte" überhaupt nicht gestört, sondern ganz im Gegenteil tief berührt und bis zur letzten Seite gefesselt. Denn dieser Roman ist nicht nur kitschig bis zum Happy End, er ist auch hart, ungeschönt brutal und voller mitreißender Schicksale. Die Charaktere sind vielfältig, auch die vermeintlich guten haben Ecken und Kanten, und verleihen dieser Geschichte sehr viel Tiefe - trotz Kitsch.

Gerade die Brutalität der Gewalt in diesem Buch werden vielleicht viele potentielle Leser beim Anblick der unschuldigen Kinderaugen auf dem Cover nicht unbedingt erwarten. Sie ist aber vorhanden, oft erschreckend und recht detailiert geschildert, sodass zarter besaitete Leser, angelockt durch das schöne Cover und der eher harmlosen Inhaltsangabe, hier wahrscheinlich enttäuscht werden könnten. Auch ich hatte nicht mit einem solchen Ausmaß an Gewalt gerechnet, als ich das Buch in die Hand genommen habe, und musste, obwohl ich mich nicht zu den besonders Empfindlichen zähle, das ein oder andere Mal richtig schlucken, bevor ich weiterlesen konnte.
Der Schreibstil ist wundervoll, fast poetisch, und liest sich sehr flüssig. Der Autor versteht es, die Atmosphäre seiner Handlung auch durch eine distanzierte, erzählerische Art zu vermitteln und konnte mich damit vollkommen begeistern.

Mein Fazit: Ein ganz außergewöhnlicher Roman. Cover und Inhaltsangabe versprechen vielleicht eine etwas harmlosere Geschichte, als wirklich dahinter steckt. Atmosphärisch sehr dicht und voller bewegender Schicksale, erzählt der Autor vom steinigen Weg eines charismatischen Jungen zur Erfüllung seines Traums. Es ist kitschig, aber - und das ausgerechnet ich als Kitsch-Hasser das einmal sage - auf eine schöne Art. Auf eine Art, die berührt, zum Buch passt und einen guten Ausgleich zur zwischenzeitlichen Brutalität in der Handlung darstellt. Ich bin jedenfalls begeistert. Absolut empfehlenswert. 5 von 5 Sternen


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Allgemeine Informationen

Ausgabe: Taschenbuch, 12. Auflage
Seiten: 794
Verlag : Bastei Lübbe
ISBN: 978-3404160617
Preis: € [D] 9.99

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage

1 Kommentar:

  1. Ohhhhh klingt das toll!!!! :) Ich habe dieses Buch auch noch auf meinem Sub..nach dieser Rezension bekomme ich richtig Lust dazu es selbst endlich mal zu lesen. Ich liebe die etwas besonderen Bücher! :)

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