Freitag, 13. April 2012

Rezension zu "In Frühlingsnächten" von Jetta Carleton


Höchstens ein laues Lüftchen am Frühlingsbuchmarkt

"In Frühlingsnächten" ist der zweite Roman der bereits 1999 verstorbenen amerikanischen Bestsellerautorin Jetta Carleton, dessen Manuskript lange als verschollen galt. Es hat mein Interesse geweckt, da der Inhalt mich auf einen wirklich starken Frauenroman hoffen ließ. Nach dem Lesen hat sich diese Hoffnung zerschlagen. Vielleicht hätte das Verschollene lieber verschollen bleiben sollen...

Nun zum Inhalt, der in mir solch große Hoffnungen weckte: Allen Liles ist Mitte Zwanzig und lebt Anfang der vierziger Jahre in den USA. Ihr großer Traum ist es nach New York City zu ziehen und eine große Autorin zu werden. Stattdessen tritt sie aber in die Fußstapfen ihre Mutter und wird Lehrerin für englische Literatur an einem kleinen Provinz-College. Als junge Lehrerin freundet sie sich auch privat mit zwei männlichen Studenten, George und Toby, an, mit denen sie die Abende im Kino oder bei angeregten Diskussionen über Musik und Literatur verbringt. Doch in der Beziehung zu einem ihrer Studenten überschreitet Allen Grenzen, die sie nicht nur zum Thema der Gerüchteküche im Kollegium machen, sondern auch ihren Job und ihre Zukunftsträume gefährden könnten.

Was habe ich bei einem solchen Inhalt erwartet? Sicher keinen besonders actionreichen Roman, in dem sich die Ereignisse voller Spannung überschlagen. Eher eine ruhige Geschichte über das Erwachsen werden einer jungen Frau, die sich ihren eigenen Weg zur Verwirklichung ihres großen Traumes von Selbstständigkeit in einer Zeit erkämpfen muss, die vom Krieg überschattet wird und in der gerade für eine Frau starre Verhaltensregeln gelten. Eine Frau, die dabei auch lernen muss, die Konsequenzen für ihr Handeln zu tragen und die kindliche Unschuld abzulegen.

Leider ist es weder das Bild einer starken Frau, das mir durch diesen Roman vermittelt wurde, noch ist es der Prozess des Erwachsenwerdens, den ich hier gut umgesetzt finde. Das lag zum einen sicher daran, dass ich den Roman wirklich sehr oberflächlich fand. Über weite Teile las er sich wie eine banale, oft langweilige Alltagsschilderung, darüber, was Allen unterrichtet, wie sie zu ihren Kollegen steht, wie sie ihre Studenten kennenlernt, was sie zusammen unternehmen und so weiter. Nur von wenigen interessanten Stellen unterbrochen, fehlte bei diesen Erzählungen auch oft die charakterliche Tiefe und vor allem die Entwicklung.

Allen verursacht mit der Beziehung zu ihrem Studenten zwar einen Konflikt, an seiner Auflösung ist sie dann aber nicht beteiligt, sondern verfällt in eine starre, abwartende Haltung und ist für mich am Ende kein weniger kindlicher oder naiver Charakter, als sie es am Anfang war. Überhaupt werden viele Konflikte heraufbeschworen, von Allens Geldsorgen, über die Liebe zu einem Studenten bis hin zu Problemen mit Kollegen, doch keiner - wirklich kein einziger - dieser Konflikte wird zu Ende geführt und Allen ist beim Auftauchen und Abflauen aller Konfikte auch eher Zuschauerin, als wirklich Handelnde.
Jedes Problem scheint sich fast von selbst zu lösen, falls nötig mit einer unerklärbaren 180°-Drehung der Charaktere oder einem Geldsegen aus heiterem Himmel. Das Ende wird dann gänzlich überzogen, theatralisch bis zum Geht-nicht-mehr und etwas kitschig als Allens großer Befreiungsschlag aus den unbeweglichen Normen ihrer Zeit dargestellt - für mich war es das aber nicht. Eine Allen, die sich erst dann wirklich befreit, wenn alle Steine aus ihrem Weg geräumt wurden, und die auch noch dazu völlig unverdient in vielerlei Hinsicht als moralischen Siegerin aus den Situationen hervorgeht, ist für mich kein starker Charakter. Es war mir alles zu einfach, zu plump und zu sehr auf Happy-End geschustert.

Sprachlich passt der Roman mit einer etwas altertümlichen Ausdrucksweise ganz gut in die Zeit, in der er spielen soll. Schön sind einige fast poetische Passagen und die wichtigen Themen Literatur und Musik, die immer wieder behandelt werden. Allerdings ist der Stil auch recht einfach und für meinen Geschmack manchmal auch zu einfach. Ein kleines Beispiel für die Ausschläge nach unten:

"Er hatte noch einiges zu sagen, doch dann sagte Pickering wiederrum etwas, weil Ansel etwas gesagt hatte."

Zu guter Letzt gefallen mir Titel und Cover bei der englischen Version, "Clair de Lune", deutlich besser. Inhaltlich hat es weder besonders viel mit Frühling zu tun, dafür aber wirklich viel mit Debussys "Clair de Lune", noch kann ich im Cover der deutschen Ausgabe einen besondern Bezug zum Inhalt feststellen.

Mein Fazit: Zusammen mit der Oberflächlichkeit der Erzählung, dem sehr einfachen, eher distanzierten Schreibstil, und der zwischenzeitlich sehr vor sich hindümpelten Handlung ohne eine starke Protagonistin, konnte mich das Buch insgesamt einfach zu wenig berühren. Es war ruhig, wie erwartet, weder besonders actionreich noch besonders spannend, doch was soll mich an einer solchen Geschichte fesseln, wenn nicht die überzeugenden Charaktere mit ihrem Tiefgang, ihren Gefühlen und ihrer Entwicklung? Die fehlten leider und so bleibt von dem Buch einfach wenig übrig. Leider fast belanglos. 2 von 5 Sternen. 





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Allgemeine Informationen

Ausgabe: Taschenbuch, 1. Auflage (März 2012)
Seiten: 320
Verlag :  Kiepenheuer und Witsch
ISBN: 978-3462043945
Preis: € [D] 8.99

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage

Herzlichen Dank an lovelybooks.de, wo ich dieses Buch im Rahmen einer interessanten Leserunde lesen durfte.

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