Freitag, 30. März 2012

Rezension zu "Oberwasser" von Jörg Maurer


Lange Rede, kaum Sinn

"Oberwasser" ist für mich der erste "Alpenkrimi" aus Jörg Maurers Jennerwein-Reihe und nein, es hat mir nicht besonders gefallen. Das kann zum einen daran liegen, dass ich die drei Vorgänger Föhnlage, Hochsaison und Niedertracht nicht gelesen habe, zum anderen aber auch daran, dass die Handlung fürchterlich wirr und vieles überflüssig war.

Aber erst einmal zum Inhalt: Im alpenländischen "Kurort mit Bindestrich" verschwinden zwei verdeckt arbeitende BKA-Ermittler. Um jedoch in der Bevölkerung keinen Verdacht zu erwecken, dass das BKA dort kriminellen Machenschaften im großen Stil auf der Spur ist, erfinden Kommissar Jennerwein und sein Team kurzerhand einen Ersatzfall und inszenieren öffentlichkeitswirksam den Mord eines Wilderers an einem Oberforstrat. Unter dem Vorwand, das Versteck des flüchtigen Wilderers zu suchen, macht sich das Team in Wirklichkeit auf die Suche nach den verschwundenen Undercover-Ermittlern. Währenddessen findet ein Abiturient im Marokko-Urlaub eine alte deutsche Münze mit rätselhafter Gravur, ein von Strudeln begeisterter Kajakfahrer treibt sich in den Gewässern rum, ein gefoltertes Entführungsopfer schreibt in einer dunklen Höhle Tagebuch und das Bestatterehepaar Grasegger, kriminell durch und durch, kehrt mitsamt Bewährungsauflagen in den Kurort zurück...

Meine Probleme mit diesem Buch begannen früh: Gefühlt Hunderttausend verschiedene, unzusammenhängende Handlungsstränge mit mindestens ebenso vielen Personen prasselten auf mich als Leser ein. Einen Überblick zu gewinnen war mir gerade am Anfang unmöglich und es wurde bis kurz vor Ende leider auch kaum besser. Es mag hier helfen, die drei Vorgänger schon zu kennen, denn vom Ermittlerteam um Jennerwein selbst erfährt man wenig, vor allem nichts Klares. Unter der Flut von Handlungspersonen, Haupt- und Nebenhandlungen, blieben vor allem die wichtigen Charaktere, die Ermittler, farblos und flach.

Sinnige, schlüssige Beschreibungen wurden oft zugunsten von Sprach- und Situationskomik verkompliziert und mit zur radikalen Überzeichnung der Charaktere ins Lächerliche gezogen. Nur in Ausnahmefällen konnte dieser Humor bei mir punkten. Das kauzige Ehepaar Grasegger zum Beispiel ist in ihrer Mischung aus bayrischer Gutbürgerlichkeit und mafiöser Kriminalität gut gelungen. Über die überspitzen Klischees konnte ich bei Ursel und Ignaz richtig schmunzeln. Jennerwein und seine Mannschaft dagegen entlockten mir mitsamt ihren Anektdötchen kaum Zucken um die Mundwinkel- mit Ausnahme des Polizeiobermeisters Hölleisen vielleicht, der bei seinem Versuch jegliche Verpflegungskosten erstattet zu bekommen einen amüsanten Schriftwechsel mit einem Sachbearbeiter entwickelt, der das deutsche Amtswesen ordentlich verschaukelt. Leider wird dieser Ansatz schnell fallen gelassen, wie überhaupt vieles nur angeschnitten und dann wieder abgewürgt wird.

So auch die Ermittlungen: Das Fake-Verbrechen wird inszeniert, der Wilderer ist unterwegs und liefert recht lustige Zwischenkapitel, die sich mit ihrem Stil vom übrigen Text abheben - wenn ich auch hier leider manchmal die Konsequenz vermisste, denn ich immer wird die stilistische Trennung eingehalten. Nur für wirkliche Ermittlungen, wie sie geplant waren, wird es dann kaum genutzt. Man verliert sich in weiteren Tarnungen und an den Haaren herbeigezogenen Spekulationen und Schlussfolgerungen, die den Leser vielleicht durch ihre Skurrilität zum Lachen bringen sollten, mich aber oft mit ihrer mangelnden Logik genervt haben. Denn dadurch wirken die Ermittlungen einfach langweilig und alles wird hinterher so einfach und wenig intelligent gelöst, dass es mir keinen Spaß gemacht hat.

Leider gibt es dann noch völlig sinnleere Nebenhandlungen, wie zum Beispiel die um den 19jährigen Oliver Krapf, der im Urlaub in Marokko eine alte deutsche Münze findet, auf die einige Buchstaben eingeritzt wurden. Schon allein der Versuch von Jugendsprache entlockte mir nur mitleidige bis genervte Gefühlsregungen - bestimmt kein Schmunzeln - und auch die wirren Versuche des kleinen Computer-Nerds die rätselhaften Gravur auf der Münze zu entschlüsseln sind so absurd, dass sie nicht mehr lustig, sondern nur noch peinlich waren. Traurig, dass ausgerechnet der Protagonist dieser unsinnigen Nebenhandlung derjenige war, der meiner Meinung nach die meiste charakterliche Tiefe abbekam.

Das Ende fand ich dann auch recht enttäuschend, da nicht alle Handlungsstränge zufriedenstellend aufgelöst wurden und der Höhepunkt der Ermittlungen, die Lösung des Vermisstenfalls, mich auch einfach nicht überzeugen konnte. Zu einfach, zu platt und der für mich spannenste Charakter bleibt ein ungelöstes Rätsel, das kaum Beachtung findet. Warum es diese Handlungsstrang überhaupt gab? Keine Ahnung. Vielleicht mussten die 400 Seiten voll werden.
Sprachlich hätte ich mit viel mehr bairischen Dialekt gewünscht und weniger gestelztes Drum-Herum-Gerede. Es war einfach nicht flüssig zu lesen und der Humor verlor sich in ärgerlichen, unlogischen Nebenerzählungen, sodass manchmal auf vielen, vielen Seiten rein gar nichts gesagt wurde.

Mein Fazit: Lieber nicht. Skurrilen Humor und Klischees mag ich, wenn sie ausgereift sind, gerne. Hier verlor er sich für mich aber in größtenteils zu flachen Charakteren und einer teilweise unzumutbar lachhaften Ermittlung, die die Bezeichnung "Krimi" nicht verdient. Unübersichtliche Nebenhandlungen, viel zu viel Drum-Herum und unzureichende Spannung taten dann ihr übriges, um mir dieses Buch zusätzlich zu verderben. Es ist nicht witzig genug für eine gute Komödie und nicht spannend genug für einen guten Krimi. Ein paar gute Aspekte in jeder Menge Unfug ergeben 2 von 5 Sternen.

 

Die Jennerwein-Reihe (mit Links von Amazon.de):
  1. "Föhnlage" (März 2009)
  2. "Hochsaison" (März 2010)
  3. "Niedertracht" (März 2011)
  4. "Oberwasser"  (März 2012)

Allgemeine Informationen

Ausgabe: Taschenbuch
Seiten: 400
Verlag: Fischer Taschenbuch Verlag
ISBN: 978-3596188956
Preis: € [D] 9.99

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage

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