Sonntag, 2. November 2014

Rezension zu "Endgame - Die Auserwählten" von James Frey


Spannender Endzeit-Thriller

„Endgame – Die Auserwählten“ von James Frey ist mehr als nur der Reihenauftakt zu einer neuen apokalyptischen Trilogie, die mit einer Altersempfehlung ab 16 Jahren nicht mehr als klassisches Jugendbuch sondern in das neu gewachsene Genre der All-Age-Literatur einzuordnen ist. Darüber hinaus ist es angelegt als multimediales Großereignis, bestehend aus einer geplanten Verfilmung, für alle Figuren angelegte Profile in sozialen Netzwerken, Events in diversen Städten, einem Augmented-Reality-Game und nicht zuletzt einem im Roman versteckten Kryptorätsel, bei dessen Lösung ein Gewinn von 500 000 US-Dollar in Gold winkt. Dementsprechend groß wurde die Veröffentlichung von „Endgame“, in 30 Ländern weltweit am gleichen Tag, auch beworben, was einen gewissen Hype um das Buch auslöste.

Nichtsdestotrotz sehe ich das Kryptorätsel und all die interaktiven Zusätze in erster Linie als Erweiterungen zum Lesen, welche die Geschichte selbst aber nicht mehr oder weniger lesenswert machen sollten. Daher habe ich mich auch in erster Linie von der inhaltlichen Beschreibung dieses, wie ich es bezeichnen würde, endzeitlichen Action-Thrillers zum Kauf verleiten lassen und mich beim Lesen zunächst nur auf die Geschichte konzentriert – wie bei jedem anderen Roman auch – und mich nicht von der Suche nach kryptischen Hinweisen ablenken lassen.

Und darum geht es inhaltlich: 12 Meteoriten schlagen auf der Erde ein, an den Wohnorten von 12 ganz bestimmten Menschen – den aktuellen Spielern der 12 Geschlechter, in die sich die gesamte Erdbevölkerung unterteilt. Seit Jahrtausenden haben die Eingeweihten der Geschlechter auf dieses Ereignis gewartet und ihre Spieler dafür trainiert. Endgame hat begonnen. Jetzt müssen die Spieler aufbrechen und sich einem Wettkampf auf Leben und Tod rund um den Globus stellen. Nur einer kann gewinnen und so das Überleben seines ganzen Geschlechts sichern….

12 Spieler und jeder von ihnen wird zum Protagonisten dieses Romans. Es fordert schon einen aufmerksamen Leser, um den verschiedenen Charakteren und ihren Schicksalen zu folgen. Natürlich stehen nicht alle 12 gleichermaßen im Fokus der Geschichte – die einen sind wichtigere Hauptfiguren, die anderen agieren eher am Rand der Handlung, werden vielleicht erst in den weiteren beiden Teilen der Trilogie verstärkt in Aktion treten oder verabschieden sich mit der Zeit durch ihr eigenes Ableben vom Endgame. Darauf läuft es schließlich hinaus: Nur einer kann übrig bleiben.

Dennoch legt der Autor viel Wert auf die Ausbildung der Persönlichkeiten seiner 12 Spieler. Sie sind nicht nur eine international bunt gemischte Gruppe, sondern zeigen auch alle eine unterschiedliche Einstellung zum Endgame, zu ihrem Schicksal als Spieler, auf deren Schultern die Verantwortung für die Zukunft eines ganzes Geschlechtes liegt, und auch ihr Vorgehen ihren Mitspielern gegenüber unterscheidet sich. James Frey nimmt sich in einer ansonsten straff erzählten Geschichte Zeit, die Hintergründe jedes einzelnen Spielers anzuschneiden und ihre verschiedenen Eigenschaften mit ihrer Ausbildung, ihrem familiären Umfeld und persönlichen Eigenarten zumindest teilweise zu erklären. Der Autor erschafft dadurch ein wirklich umfangreiches Bild abwechslungsreicher Charakterzüge, die durch das allem übergeordnete Endgame unfreiwilliger Weise aufeinandertreffen.

Während des Endgames führt der Autor seine Figuren rund um die Welt. Die Handlungsorte sind eine der großen Stärken von „Endgame – Die Auserwählten“. Spannende Orte - historische Bauwerke alter Kulturen, bildhaft beschrieben - werden Teil der Reise der Spieler und ebenso Teil der Rätsel, die sie während des Endgames lösen müssen. Im Buch ist also nicht nur für den Leser ein Kryptorätsel versteckt, auch die Figuren selbst sind dabei, ihre eigenen Rätsel zu lösen. In der Art, wie sie dies tun, liegt für mich aber einer der kleinen Kritikpunkte, die ich bei diesem Roman anbringen könnte: Die Lösungen kommen teilweise zu schnell, teilweise auch vollkommen aus dem Nichts. Für den Leser sind der Erkenntnisgewinn der Figuren und die Zufälle, die dafür von Nöten sind, nicht immer ganz nachvollziehbar.

Hier muss der Leser wohl oder übel ein kleines Opfer bringen, das sich aus dem hohen Erzähltempo ergibt, da auf immerhin fast 600 Seiten dennoch die Geschichte von einem Dutzend Figuren wiedergegeben werden muss, die zwar gelegentlich zusammentreffen, sich größtenteils aber über den gesamten Globus verstreut aufhalten. Allerdings erzeugt diese hohe Geschwindigkeit auch Spannung, was durch die gewählte Sprache des Autors aus kurzen Sätzen, knackigen Formulierungen und Anspannung übertragende einprägsame Wiederholungen und Aufzählungen zusätzlich unterstützt wird, wodurch sie zu einem unverzichtbaren Merkmal dieser actionreichen Geschichte wird und maßgeblich zur Atmosphäre beim Lesen beiträgt. Die Figuren sind in Eile, für sie geht es um Alles oder Nichts, Leben oder Tod, nicht nur für sie selbst, sondern für einen großen Teil der Menschheit – dieses Gefühl von Dringlichkeit wird auch dem Leser vermittelt. Der Autor schafft es tatsächlich, den Spannungsbogen fast durchgehend hoch zu halten, die Schauplätze immer an den passenden Stellen zu wechseln oder andere Spieler überraschend wieder ins Geschehen eingreifen zu lassen. Es gibt kaum ein paar Seiten am Stück, die zum Durchatmen einladen würden, bevor die nächste Wendung erfolgt.

Das Endgame selbst ist ein weiteres interessantes Konstrukt, das als Grundidee eines apokalyptischen Romans dem multimedialen Gesamtpaket in nichts nachsteht. James Frey wählt hier den Ansatz einer übergeordneten Macht, welche die Menschheit geformt hat und weiterhin Einfluss nimmt. Dabei hält der Autor noch viele Informationen zurück, macht aber geschickt Andeutungen sowohl über diese übergeordnete Lebensform wie auch über deren Gründe für das Endgame, die neugierig machen und die Umsetzung insgesamt sehr gelungen erscheinen lassen. Frey bringt immer neue Aspekte auf, deutet neue Sichtweisen an und erweitert den Kenntnisstand der Figuren so, dass der Leser immer wieder umdenken und neue Vorstellungen über Endgame und die Macht dahinter entwickeln kann und muss, ohne dass der Autor sein Publikum jemals vollständig in Sicherheit wiegt, was die Richtigkeit der Vermutungen anbelangt. Es bleibt geheimnisvoll und rätselhaft.

Natürlich schließt die Idee des Endgames zusammen mit dem hohen, auf Action ausgelegten Tempo auch wenig freundlich gesinnte Aufeinandertreffen der Charaktere mit ein, da bei diesem Wettkampf am Ende nur ein Spieler am Leben bleiben kann. Die 12 Spieler sind mehr oder weniger alle dazu ausgebildet worden, zu kämpfen und zu töten. Somit ist die Altersempfehlung ab 16 Jahren auch durchaus angebracht, denn in „Endgame – Die Auserwählten“ geht kaum etwas friedlich und ohne Blutvergießen vonstatten. Der Autor erweist sich da in den Beschreibungen als alles andere als zimperlich und der Leser sollte es daher auch nicht sein, denn insgesamt passt die geschilderte Gewalt zur Idee des Romans und auch zum empfohlenen Alter.

Fazit: „Endgame – Die Auserwählten“ von James Frey wurde durch das Marketing als multimediales Großereignis mit der Gewinnchance auf eine halbe Million US-Dollar zum Hype, dem der Roman an sich meiner Meinung nach aber auch gerecht werden kann. Zumindest Leser, die sich für eine Mischung aus Action-Thriller und Apokalypse begeistern, können hier spannende Stunden mit ausgefeilten Charakteren und großartigen Schauplätzen erleben. Ich bin von der ersten bis zur letzten Seite gebannt der außergewöhnlichen Idee gefolgt und würde am liebsten sofort erfahren, welche Wendungen sich der Autor in den folgenden beiden Bänden wird einfallen lassen. Ich vergebe 5 Sterne.




Die Trilogie
  1. "Endgame - Die Auserwählten" (Okt. 2014, engl. Originaltitel: "Endgame - The Calling")
  2. ???
  3. ???


Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden, mit Schutzumschlag
Originaltitel: The Calling
Erschienen: 07. Oktober 2014
Altersempfehlung: ab 16 Jahren
Seiten: 592 Seiten
Verlag: Oetinger
ISBN: 978-3-7891-3522-4
Preis: € [D] 19.99
Zusatzmaterialien: "Das geheime Wissen von Endgame"



Leserpobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage zum Buch. 




3 Kommentare:

  1. Hallöchen liebe Sarah (:
    Gestern hab ich 'Endgame' beendet und bei einigen Dingen bin ich absolut deiner Meinung, leider habe ich auch eine Handvolle negativer Dinge gefunden. Wie ich das in eine Rezi bringen soll, muss ich erst noch herausfinden ;)
    Schön dass es dich so begeistert hat! :)

    Alles Liebe,
    Jasi ♥

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  2. Hallo liebe Sarah,

    da hab ich ja endlich mal jemanden gefunden der genauso begeistert von Endgame ist wie ich :) Gar nicht so einfach! ;)

    Ich freue mich, dass es dir auch so gut gefallen hat.

    Liebste Grüße

    Sonja

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  3. Na, das klingt wirklich gut. :O Ich sollte vielleicht doch in Betracht ziehen, das Buch zu lesen. Nach den unendlich vielen Posts und Blogtouren von Endgame hatte ich gar keine Lust mehr darauf, aber wenn das Buch tatsächlich sooo gut ist! Du hast mir jetzt richtig Lust auf das Buch gemacht! :)

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