Mittwoch, 22. Oktober 2014

Rezension zu "Er ist wieder da" von Timur Vermes (Hörbuch)



Genialer Sprecher in gelungener Satire
 
Der Debütroman des Journalisten Timur Vermes wurde in Deutschland zum Bestseller. Die originelle Idee, Adolf Hitler in heutiger Zeit wie nach einer Zeitreise erwachen zu lassen, hat auch mich neugierig gemacht und ließ mich zum von Christoph Maria Herbst gelesenen Hörbuch greifen.

Zum Inhalt: Im Sommer 2011 erwacht Adolf Hitler, gerade noch seinem Ende im Führerbunker entgegenblickend, in Berlin. Der Krieg ist offensichtlich zu Ende und auch sonst scheint sich in Deutschland einiges verändert zu haben. Hitler beschließt in dieser Welt, die ihn unverständlicher Weise für einen Doppelgänger seiner selbst hält und ausgesprochen komisch findet, erneut die Macht zu ergreifen. Und so landet Hitler beim Fernsehen – als neuer Star einer Comedy-Show…

Die Handlung beginnt ohne große Umschweife. Hitler erwacht in Berlin, er ist wieder da, 2011. Warum weiß der Leser nicht und auch der Ich-Erzähler Adolf Hitler persönlich hat keine Ahnung, was ihn plötzlich 66 Jahre in die Zukunft befördert hat. Das ist allerdings auch nicht wichtig. Er ist da und nach den ersten Hürden der Eingewöhnung wieder voller Tatendrang – die Rückkehr an die Spitze wird vorbereitet, was Hitler in diverse urkomische Situationen und das ein oder andere Mal an die Grenze seiner Geduld bringt.

Einige Kritiken befassen sich meiner Meinung nach weniger mit Vermes‘ Roman an sich, sondern zu sehr mit der Frage, ob und wie Hitler als Hauptfigur in diesem Roman dargestellt werden darf. Es ist sicher verständlich, dass Hitler heute in der rückblickenden Betrachtung selten menschliche Züge erhält – in Anbetracht der deutschen Geschichte sieht man das Monster, den Unmenschen, die Bestie. Dennoch ist nicht zu bestreiten, dass Hitler nicht nur ein Mensch, sondern offenkundig einerseits überzeugend genug war, um eine ausreichend große Schar von Anhängern hinter sich zu sammeln, und gleichzeitig für viele andere doch zu lächerlich, um wirklich als ernste Bedrohung wahrgenommen zu werden.

Genau das ist eine Diskrepanz, die der Autor in seiner Satire mit einem perfekten Spagat pointiert einfängt. Er erlaubt seinem Ich-Erzähler zu menscheln, lässt ihn sympathische Züge zeigen und im ersten Augenblick vielen durch seinen vermeintlich schwarzen Humor aus der Seele sprechen. Genau dies wurde häufig als Kritik zu Vermes‘ Roman angeführt: „Die Figur wirkt zu sympathisch.“ – „Die Figur hat mit ihren gesellschaftlichen Analysen recht!“ – „So darf Hitler nicht dargestellt werden!“
Geht man allerdings tiefer, ist zu erkennen, dass der Autor es nie versäumt, Hitlers Überzeugungen dermaßen zu überziehen und ihn sich so sehr in seine hysterischen Ausbrüche hineinsteigern zu lassen, dass die Lächerlichkeit und die Fehler in dessen Gedankengut eindeutig werden. Es ist gelungene Satire, als solche gut zu erkennen und, ja, wirklich unterhaltsam und lustig.

Daher stellte sich für mich die Frage danach, ob es moralisch zu verantworten ist, über den Ich-Erzähler dieses Hörbuchs, einen neu zum Leben erweckten Adolf Hitler, der sich über die Zustände im modernen Deutschland echauffiert, zu lachen, praktisch zu keinem Moment. Man sollte sogar über ihn lachen, denn seine Ausbrüche über Politiker, Gesellschaft und Kultur sind genial, die Monologe zu keinem Zeitpunkt langweilig und die Interaktionen Hitlers mit anderen Figuren des Romans urkomisch. Gekrönt wird die Handlung vom Sprecher des Hörbuchs. Christoph Maria Herbst spricht den Ich-Erzähler durchgehend im typischen Hitler-Dialekt – unverwechselbar, authentisch und mit jeder Menge Leidenschaft. Zusammen mit den absurden Situationen, in die sich der machthungrige, aber doch so wenig ernst genommene Neu-Komiker Hitler begibt, sind die Lacher von Anfang bis Ende garantiert. Der Humor ist dabei oft böse, schwarz und bissig – in Kombination mit dem überragenden Christoph Maria Herbst einfach perfekt.

Was mich dazu verleitet, dennoch nicht die höchstmögliche Bewertung abzugeben, ist die Tatsache, dass mir die Handlung gelegentlich recht sprunghaft erschien. Da sich diese Rezension ausschließlich auf das Hörbuch bezieht, kann ich nicht beurteilen, ob es an möglichen Kürzungen der Hörfassung lag oder generell ein Problem des Romans ist. Zwischendurch entgingen mir die Übergänge und einige Zusammenhänge, so als hätte zwischen der einen und der anderen Szenerie noch ein kleines Stück sein sollen, das nicht vorhanden war.

Fazit
: Abgesehen von einer leicht sprunghaften Handlung, war „Er ist wieder da“ für mich nicht zuletzt auch dank des Sprechers Christoph Maria Herbst eine unterhaltsame Satire, die mich sehr zum Lachen gebracht und mir einige kurzweilige Stunden beschert hat. Das Hörbuch ist absolut zu empfehlen, ich vergebe sehr gut 4 Sterne.



Allgemeine Informationen

DAS HÖRBUCH

6 CDs,  411 Minuten
September 2012
Verlag: Lübbe Audio
ISBN: 978-3-7857-4741-4
Sprecherin: Christopf Maria Herbst

Hörprobe und weitere Informationenauf der Verlagshomepage
 
 

DAS BUCH

Ausgabe: Hardcover, September 2012
Seiten: 396
Verlag: Eichborn Verlag
ISBN: 978-3-8479-0517-2
Preis: € [D] 19.33

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage zum Buch




2 Kommentare:

  1. Ah, von diesem Buch habe ich schon so viel gehört und ich sehe es immer wieder in der Buchhandlung liegen. Wusste bisher aber nicht wirklich, was ich davon halten soll ... Jetzt, da ich die Hörproben gehört habe, auf die du hingewiesen hast, bin ich aber doch neugierig geworden. Ich finde es jedenfalls unbedenklich, so ein Buch zu schreiben, es zu lesen und darüber zu lachen, und das sage ich als Historiker :)

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  2. Hey hey :)
    ich lese gerade das Buch zum zweiten Mal. Leider find ich es nicht so toll wie du. Allerdings hab ich jetzt schon öfter gehört, dass das Hörbuch einfach besser ist.

    Aber deine Rezension finde ich schön geschrieben und auch sonst hast du einen wirklich liebevoll gestalteten Blog. Daher musste ich dir natürlich folgen.

    Viele Grüße
    Nelly von http://nellysleseecke.blogspot.de/

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