Maggie Stiefvater sorgt für Gänsehaut
„Wen der Rabe ruft“ von Maggie Stiefvater ist der Auftakt einer neuen
Urban-Fantasy-Reihe, die wie schon die vorangegangenen Bücher der
amerikanischen Erfolgsautorin im Bereich der All-Age-Literatur
anzusiedeln ist und vom Verlag ab 16 Jahren empfohlen wird. Stiefvater
begibt sich mit diesem auf insgesamt vier Bände ausgelegten Mehrteiler
in den Bereich des Paranormalen: Wahrsager, Geister und alte Energien
tief unter der Erde sorgen für Gänsehaut…
Kurz zum Inhalt: Blue ist die Tochter einer Wahrsagerin und hilft jedes Jahr in einer Aprilnacht ihrer Familie dabei, die Seelen der Menschen zu begrüßen, die bald sterben werden, obwohl sie selbst nicht über die Gabe verfügt, Geister zu sehen. Doch in diesem Jahr sieht Blue einen einzigen: Den Geist eines Jungen namens Gansey. Bedeutet das, dass sie für den Tod dieses Unbekannten verantwortlich sein wird? Immerhin lebt sie seit ihrer frühesten Kindheit mit einer Prophezeiung: Wenn sie ihre wahre Liebe küsst, wird dieser Junge sterben.
In der gleichen Stadt suchen vier Jungen nach einem alten Energiepfade, einer Ley-Linie, an der einer Legende nach Glendower, ein mächtiger walisischer König, begraben liegen und auf seine Erweckung warten soll. Einer dieser Jungen ist Gansey…
Mit ihrer Trilogie über die Wölfe in Mercy Falls, die in
Deutschem unter den Titeln „Nach dem Sommer“, „Ruht das Licht“ und „In
deinen Augen“ erschienen ist, ist Maggie Stiefvater eine meiner
absoluten Lieblingsautorinnen geworden. Die Hoffnung, aber damit
einhergehend auch die Erwartung, war groß, dass sie mich mit ihrer neuen
Reihe ebenso begeistern würde. Schon nach wenigen Kapiteln fiel jedoch
auf, dass „Wen der Rabe ruft“ sich deutlich von „Nach dem Sommer“
unterscheidet. Die Liebesgeschichte, die nach dem Klappentext und auch
nach den ersten Seiten fast schon ein wenig zu offensichtlich scheint,
nimmt einen überraschend unvorhersehbaren Gang und die Romantik, die in
Stiefvaters letzter Trilogie deutlich im Mittelpunkt stand, ist in
diesem Reihenauftakt weit weniger vordergründig.
Stattdessen
beweist die Autorin hier, dass sie ihre atmosphärisch starke Sprache
auch meisterhaft dafür einsetzen kann, den Leser mit unheimlichen
Szenarien das Fürchten zu lehren. Mit düsteren Wäldern, wandelnden
Geistern und der Gabe des Wahrsagens erzeugt Maggie Stiefvater in „Wen
der Rabe ruft“ immer wieder eine schauderhafte Gänsehaut beim Leser und
erzählt ihre Geschichte dabei so spannend und mitreißend, dass zumindest
ich dieses Buch selbst zu spätester Stunde nicht aus der Hand legen
konnte. Die Autorin versteht es einfach wie nur wenige, mit ihren
Beschreibungen ihre Handlungsorte so deutlich im Kopf des Lesers zum
Leben zu erwecken und sein Interesse mit ihren Figuren und ihrer
Geschichte, nicht zuletzt auch mit der Art, wie sie mit der Unwissenheit
des Lesers spielt, an den Roman zu fesseln.
Die Protagonisten
und ihre Konstellationen zueinander sind dabei nicht nur
abwechslungsreich sondern auch durchaus komplex. Die befreundeten vier
Jungen Gansey, Adam, Noah und Ronan, Schüler eine teuren Privatschule,
könnten unterschiedlicher kaum sein und die Autorin baut ihre Handlung
zusätzlich mit Bedacht auf, lässt einiges zunächst im Dunkeln und legt
deutlich erkennbar wenig Wert auf umfassende Erklärungen zu Beginn,
sodass der Leser sich in die Dynamik und die Beweggründen der Gruppe und
jedes Einzelnen erst langsam einfinden kann und sich vielleicht auch
immer wieder an einer Ecke, einer merkwürdig erscheinenden Äußerung, die
unkommentiert im Raum stehen bleibt, oder einer fast offensichtlichen
Ungereimtheit, die keiner zu bemerken scheint, stoßen wird. Doch der
aufmerksame Leser wird hier belohnt, denn im Laufe der Geschichte wird
immer deutlicher, dass Maggie Stiefvater nichts dem Zufall überlässt –
auch nicht die Irritation des Lesers.
Ähnlich verfährt sie mit
der weiblichen Hauptfigur, Blue, die gemeinsam mit ihrer Mutter und
einer in den ersten Kapiteln fast unüberschaubar wirkenden Zahl von
Tanten und Freundinnen der Mutter, allesamt mehr oder weniger
erfolgreiche Wahrsagerinnen, in recht unkonventionellen familiären
Verhältnissen lebt und dennoch, als einzige ohne hellseherische
Fähigkeiten, ein verantwortungsvolles Mädchen zu sein scheint. Blue hat
mir als Protagonistin nicht nur unglaublich gut gefallen, sondern durch
ihre sehr speziellen Fähigkeiten auch weitere Geheimnisse in die
Geschichte eingebracht.
Der Fantasy-Anteil der Handlung ist dabei in Form der geistersehenden Wahrsagerinnen aus Blues Haushalt von vorn herein greifbar und wird – zumindest von diesem Teil der Figuren – auch nie in Frage gestellt, was im Genre der Urban-Fantasy ja nicht immer üblich ist. Maggie Stiefvater verknüpft anschließend die paranormalen Elemente und die Suche nach speziellen „Energien“ mit einer walisischen Heldensaga und schafft dadurch einen Mix, der in Umsetzung wunderbar funktioniert und sich zu einer spannenden, wendungsreichen Geschichte zusammensetzt, die ihre Intensität von Seite zu Seite steigen kann.
Abschließend möchte ich noch eines meiner Highlights dieses Reihenauftakts erwähnen: Chainsaw. Wer oder was sich hinter dieser „Kettensäge“ verbirgt, darf allerdings jeder Leser ebenso selbst herausfinden wie Antworten auf die Fragen, was es mit Blue und Gansey auf sich hat, wie man Ley-Linien findet und welche Sprache Bäume sprechen.
Fazit: Maggie Stiefvater beginnt ihre neue Reihe mit einem echten Page-Turner. „Wen der Rabe ruft“ ist spannend und verzaubert den Leser mit einer atemberaubend intensiven Atmosphäre. Durchdachte Fantasy-Elemente, eine ordentliche Portion Gänsehaut dank hohem Gruselfaktor und liebeswerte wie geheimnisvolle Charaktere vervollständigen das Bild eines Highlights für alle Fans der All-Age- und Urban-Fantasy. Der zweite Band „Wer die Lilie träumt“ sollte am besten direkt bereit liegen – man muss einfach weiterlesen. Ich vergebe restlos begeistert 5 Sterne.
Reihe (mit Links zu Amazon.de)
- "Wen der Rabe ruft" (Oktober 2013, engl. Original: "The Raven Boys")
- "Wer die Lilie träumt" (September 2014, engl. Original: "The Dream Thieves")
- noch nicht bekannt (engl. Original: "Blue Lily, Lily Blue")
- ???
Allgemeine Informationen
Ausgabe: Gebunden, mit Schutzumschlag
Originaltitel: The Raven Boys
Erschienen: 09. Oktober 2013
Seiten: 496 Seiten
Verlag: script5
ISBN: 978-3-8390-0153-0
Preis: € [D] 18.95
Leserpobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage zum Buch.
Schöne Rezension, das Buch wandert gleich auf meine Wunschliste! :)
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Sandra
Oh jetzt will ich es auch lesen. Wandert gleich mal auf die Liste für die nächste Buchbestellung. Liebe Grüße Fiona
AntwortenLöschenHallo erstmal,
AntwortenLöschendu hast wirklich einen verdammt coolen Blog, da musste ich einfach Leserin werden!
Es würde mich riesig freuen, wenn du lust hättest, auch mal bei mir vorbeizuschauen :)
Liebe Grüße, Sarah.
Sarah-liest.blogspot.de
Hi,
AntwortenLöschenauch ich habe erst vor kurzem das Buch gelesen .... und war begeistert. Muss jetzt unbedingt den zweiten Teil lesen...!
LG,
Olivia