Wo ist der "Thriller"?
‟Bewusstlos“ ist der erste Thriller, den ich von der deutschen Autorin Sabine Thiesler gelesen habe. Leider bin ich enttäuscht. Das soll ein Thriller sein?
Kurz zum Inhalt: Als sie noch Kinder waren, kam Raffaels Zwillingsschwester ums Leben. Jetzt ist er erwachsen und lebt als Untermieterin einer alten Dame in Berlin und lebt von Gelegenheitsjobs. Eines Morgens erwacht er mit Blut auf der Kleidung, ohne zu wissen, woher es kommt. Sein Messer, das er für gewöhnlich in der Hosentasche bei sich trägt, ist verschwunden. Was ist passiert? Warum erinnert er sich nicht?
Dem Inhalt nach klingt ‟Bewusstlos“ vielleicht noch nach einem Thriller – und am Anfang liest es sich auch so. Es beginnt mit Christine, die offenbar einem Psychologen berichtet, was sich vor rund zwanzig Jahren ereignet hat: Der Tod ihrer Tochter Svenja, Raffaels Zwillingsschwester. Hier war das Buch noch spannend, man fieberte richtig mit Christine mit. Diese kursiv-gedruckten, fast vollständigen Monologe von Christine kommen noch einige weitere Male innerhalb dieses Thrillers vor und sind tatsächlich die einzigen Passagen, die ich gelungen fand. Spannend, aber auch etwas subtil, mit viel Gefühl erzählt. Das hinterlässt Eindruck beim Leser und sorgt für Thriller-typische Anspannung beim Lesen.
Ansonsten stehen verschiedene Personen im Mittelpunkt der Handlung. Die Perspektive springt oft, bleibt aber leider auch während eines Abschnittes manchmal nicht konsequent bei einer Figur, sondern wechselt recht willkürlich, wodurch der Schreibstil und Aufbau des Romans bei mir nicht punkten konnten. Zudem ist die Sprache recht unspektakulär gehalten. Eher einfach und ohne jeden Anspruch wird die Geschichte erzählt. Es gibt keine Verbindung zwischen Sprache und Geschriebenem, keine Veränderungen der Satzstruktur in spannenderen oder emotionaleren Passagen. Schon darin wird meiner Meinung nach der Hauptgrund deutlich, warum ‟Bewusstlos“ in meinem Augen kein Thriller ist. Es liest sich wie ein Tatsachenbericht. Nüchtern, unpersönlich, langweilig.
Zu einem Großteil besteht die Handlung aus Raffaels Alltag. Dieser ist kein sympathischer Hauptprotagonist. Schlafen, Essen, Saufen und massive Stimmungsschwankungen an seinen Mitmenschen auslassen – damit verbringt er für gewöhnlich seine Tage und damit füllt die Autorin auch die rund 500 Seiten ihres Buches – meiner Meinung nach mindestens 300 zu viel. Viel zu oft musste ich viel zu lange Abschnitte über am Ende völlig Irrelevantes lesen. Gelegentlich wechselt die Perspektive und der Leser wird vom Alltagsleben eines anderen Charakters gelangweilt – wahlweise in Berlin oder in der Toskana, denn das sind die beiden Handlungsorte.
Zwischendurch werden dann ein paar Verbrechen eingestreut. Möglichst brutal, ohne Umschweife und nicht undetailliert geschildert, bekommt der Leser ein paar schreckliche Gräueltaten präsentiert, aber das allein macht eben keinen Thriller aus, denn Gewalt und Blut an sich sind nicht spannend. Was es spannend macht, ist die Erwartung des Lesers. Man muss die Gefahr spüren, es muss sich etwas andeuten, man muss mitfiebern können. Genau das ist hier aber unmöglich, denn zwischen dem ganzen Alltagskram, lesen sich auch die Verbrechen wie Tatsachenberichte, die kurz abgehandelt werden müssen. Im ersten Moment befasst sich der Täter noch mit völlig Belanglosem, dann begeht er aus heiterem Himmel ein Verbrechen – möglichst brutal - … und kehrt fast kommentarlos zum Belanglosen zurück. Reflexion oder Vorbereitung, irgendeine Auseinandersetzung mit dem, was geschehen ist oder geschehen wird, gibt es nicht. Das Gefühl von Bedrohung oder Anspannung, eben den typischen Nervenkitzel beim Lesen eines Thrillers habe ich dadurch bei diesem Buch vollständig vermisst. Selbst, wenn alles unwichtige raus gestrichen worden wäre (und das wäre einiges), wäre dieser Thriller noch nicht spannend, denn der sprunghafte Aufbau und die Hau-Drauf-Mentalität bei den Verbrechen unterbindet jeden Spannungsbogen augenblicklich.
Das Subtile fehlt diesem Thriller einfach vollständig. Es werden langweiliger Alltag, überflüssigste Nebenhandlung und Kriminalfälle gleichberechtigt und nüchtern, aber vor allem auch ganz offensichtlich nebeneinander her erzählt. Kein Rätseln um den Täter, denn seine Identität ist nie ein Geheimnis für den Leser, sondern nur für andere Figuren im Buch. Der Grund, für die Verbrechen, das hinter dem Thriller stehende große Ganze, die Vergangenheit der Protagonisten - das Einzige, auf dessen Auflösung man gespannt wartet – entpuppt sich zwar als schrecklich und traurig, aber ebenfalls teilweise als vorhersehbar, teilweise als ziemlich abwegig und – und das ist das Schlimmste – als klischeehaft.
Leider würde ‟Bewusstlos“ allerdings auch keinen guten Roman abgeben, wenn ich das aufgedruckte Wort ‟Thriller“ auf dem Cover ignorieren und meine Erwartungen in Sachen Spannung stark herunterschrauben würde. Denn, abgesehen von den sprachlichen Schwächen und dem wenig spannenden Aufbau, störten mich noch einige andere Dinge.
Das Ende zum Beispiel. Schon nach der Hälfte des Buches kündigte sich an, dass einige Handlungsstränge offen bleiben würden und dies setzte sich leider sogar so weit fort, dass am Ende fast kaum eine einzige Frage geklärt ist. Es wirkt überstürzt, wie so vieles in diesem Buch, und kommt sehr plötzlich. Ich kann nicht einmal von einem offenen Ende sprechen, denn was hier präsentiert wird, ist nicht als ein erzwungen wirkender Abbruch. Die meisten Handlungsstränge verlaufen nicht nur im Sand, sondern stellen sich als irrelevant heraus, denn ohne eine Wiederaufnahme und Auflösung hatten sie nicht den geringsten Einfluss auf die Handlung und dementsprechend auch keine Daseinsberechtigung.
Diese überflüssigen Handlungsstränge beinhalten ebenso überflüssige Charaktere, die zwar in aller Ausführlichkeit vorgestellt werden, manchmal sogar für einen Schmunzler gut sind, aber dem Leser ansonsten nichts bieten. Einige Charaktere wirkten geradezu deplatziert und ihre Vorstellung so schwammig, dass ich nicht verstehen konnte, warum es sie gab. Auf die Lösung mussten mich erst Suchmaschinen im Internet bringen: Die Charaktere stammen aus anderen Büchern der Autorin, die ansonsten keine Verbindung zu ‟Bewusstlos“ haben. Ihre unzusammenhängend eingestreute Lebensgeschichte zu lesen, war für mich, die ich mit ‟Bewusstlos“ den ersten Thiesler meines Leben gelesen habe, nur sinnlos, denn die Rückblicke sind so beiläufig und überflüssig, dass ich praktisch nicht folgen konnte.
Fazit: Ich kann mich nicht mehr dazu überwinden, dieses Buch einen ‟Thriller“ zu nennen. Es ist nicht spannend, die Entwicklung des Täters ist nicht stimmig und die Motive werden klischeehaft-psychologisch zusammen geschustert. Die Geschichte hat Potenzial und die Rückblicke der Mutter, Christine, sind lesenswert, der Rest ist enttäuschend schwach. Knappe 2 Sterne.
Dem Inhalt nach klingt ‟Bewusstlos“ vielleicht noch nach einem Thriller – und am Anfang liest es sich auch so. Es beginnt mit Christine, die offenbar einem Psychologen berichtet, was sich vor rund zwanzig Jahren ereignet hat: Der Tod ihrer Tochter Svenja, Raffaels Zwillingsschwester. Hier war das Buch noch spannend, man fieberte richtig mit Christine mit. Diese kursiv-gedruckten, fast vollständigen Monologe von Christine kommen noch einige weitere Male innerhalb dieses Thrillers vor und sind tatsächlich die einzigen Passagen, die ich gelungen fand. Spannend, aber auch etwas subtil, mit viel Gefühl erzählt. Das hinterlässt Eindruck beim Leser und sorgt für Thriller-typische Anspannung beim Lesen.
Ansonsten stehen verschiedene Personen im Mittelpunkt der Handlung. Die Perspektive springt oft, bleibt aber leider auch während eines Abschnittes manchmal nicht konsequent bei einer Figur, sondern wechselt recht willkürlich, wodurch der Schreibstil und Aufbau des Romans bei mir nicht punkten konnten. Zudem ist die Sprache recht unspektakulär gehalten. Eher einfach und ohne jeden Anspruch wird die Geschichte erzählt. Es gibt keine Verbindung zwischen Sprache und Geschriebenem, keine Veränderungen der Satzstruktur in spannenderen oder emotionaleren Passagen. Schon darin wird meiner Meinung nach der Hauptgrund deutlich, warum ‟Bewusstlos“ in meinem Augen kein Thriller ist. Es liest sich wie ein Tatsachenbericht. Nüchtern, unpersönlich, langweilig.
Zu einem Großteil besteht die Handlung aus Raffaels Alltag. Dieser ist kein sympathischer Hauptprotagonist. Schlafen, Essen, Saufen und massive Stimmungsschwankungen an seinen Mitmenschen auslassen – damit verbringt er für gewöhnlich seine Tage und damit füllt die Autorin auch die rund 500 Seiten ihres Buches – meiner Meinung nach mindestens 300 zu viel. Viel zu oft musste ich viel zu lange Abschnitte über am Ende völlig Irrelevantes lesen. Gelegentlich wechselt die Perspektive und der Leser wird vom Alltagsleben eines anderen Charakters gelangweilt – wahlweise in Berlin oder in der Toskana, denn das sind die beiden Handlungsorte.
Zwischendurch werden dann ein paar Verbrechen eingestreut. Möglichst brutal, ohne Umschweife und nicht undetailliert geschildert, bekommt der Leser ein paar schreckliche Gräueltaten präsentiert, aber das allein macht eben keinen Thriller aus, denn Gewalt und Blut an sich sind nicht spannend. Was es spannend macht, ist die Erwartung des Lesers. Man muss die Gefahr spüren, es muss sich etwas andeuten, man muss mitfiebern können. Genau das ist hier aber unmöglich, denn zwischen dem ganzen Alltagskram, lesen sich auch die Verbrechen wie Tatsachenberichte, die kurz abgehandelt werden müssen. Im ersten Moment befasst sich der Täter noch mit völlig Belanglosem, dann begeht er aus heiterem Himmel ein Verbrechen – möglichst brutal - … und kehrt fast kommentarlos zum Belanglosen zurück. Reflexion oder Vorbereitung, irgendeine Auseinandersetzung mit dem, was geschehen ist oder geschehen wird, gibt es nicht. Das Gefühl von Bedrohung oder Anspannung, eben den typischen Nervenkitzel beim Lesen eines Thrillers habe ich dadurch bei diesem Buch vollständig vermisst. Selbst, wenn alles unwichtige raus gestrichen worden wäre (und das wäre einiges), wäre dieser Thriller noch nicht spannend, denn der sprunghafte Aufbau und die Hau-Drauf-Mentalität bei den Verbrechen unterbindet jeden Spannungsbogen augenblicklich.
Das Subtile fehlt diesem Thriller einfach vollständig. Es werden langweiliger Alltag, überflüssigste Nebenhandlung und Kriminalfälle gleichberechtigt und nüchtern, aber vor allem auch ganz offensichtlich nebeneinander her erzählt. Kein Rätseln um den Täter, denn seine Identität ist nie ein Geheimnis für den Leser, sondern nur für andere Figuren im Buch. Der Grund, für die Verbrechen, das hinter dem Thriller stehende große Ganze, die Vergangenheit der Protagonisten - das Einzige, auf dessen Auflösung man gespannt wartet – entpuppt sich zwar als schrecklich und traurig, aber ebenfalls teilweise als vorhersehbar, teilweise als ziemlich abwegig und – und das ist das Schlimmste – als klischeehaft.
Leider würde ‟Bewusstlos“ allerdings auch keinen guten Roman abgeben, wenn ich das aufgedruckte Wort ‟Thriller“ auf dem Cover ignorieren und meine Erwartungen in Sachen Spannung stark herunterschrauben würde. Denn, abgesehen von den sprachlichen Schwächen und dem wenig spannenden Aufbau, störten mich noch einige andere Dinge.
Das Ende zum Beispiel. Schon nach der Hälfte des Buches kündigte sich an, dass einige Handlungsstränge offen bleiben würden und dies setzte sich leider sogar so weit fort, dass am Ende fast kaum eine einzige Frage geklärt ist. Es wirkt überstürzt, wie so vieles in diesem Buch, und kommt sehr plötzlich. Ich kann nicht einmal von einem offenen Ende sprechen, denn was hier präsentiert wird, ist nicht als ein erzwungen wirkender Abbruch. Die meisten Handlungsstränge verlaufen nicht nur im Sand, sondern stellen sich als irrelevant heraus, denn ohne eine Wiederaufnahme und Auflösung hatten sie nicht den geringsten Einfluss auf die Handlung und dementsprechend auch keine Daseinsberechtigung.
Diese überflüssigen Handlungsstränge beinhalten ebenso überflüssige Charaktere, die zwar in aller Ausführlichkeit vorgestellt werden, manchmal sogar für einen Schmunzler gut sind, aber dem Leser ansonsten nichts bieten. Einige Charaktere wirkten geradezu deplatziert und ihre Vorstellung so schwammig, dass ich nicht verstehen konnte, warum es sie gab. Auf die Lösung mussten mich erst Suchmaschinen im Internet bringen: Die Charaktere stammen aus anderen Büchern der Autorin, die ansonsten keine Verbindung zu ‟Bewusstlos“ haben. Ihre unzusammenhängend eingestreute Lebensgeschichte zu lesen, war für mich, die ich mit ‟Bewusstlos“ den ersten Thiesler meines Leben gelesen habe, nur sinnlos, denn die Rückblicke sind so beiläufig und überflüssig, dass ich praktisch nicht folgen konnte.
Fazit: Ich kann mich nicht mehr dazu überwinden, dieses Buch einen ‟Thriller“ zu nennen. Es ist nicht spannend, die Entwicklung des Täters ist nicht stimmig und die Motive werden klischeehaft-psychologisch zusammen geschustert. Die Geschichte hat Potenzial und die Rückblicke der Mutter, Christine, sind lesenswert, der Rest ist enttäuschend schwach. Knappe 2 Sterne.
Allgemeine Informationen
Ausgabe: Gebunden, Jan. 2013
Seiten: 512
Verlag: Heyne
ISBN: 978-3453268067
Preis: € [D] 19.99
Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage
Ich habe bisher eigentlich nur Gutes über das Buch gehört und war mir auch sicher, dass ich es lesen möchte..Aber jetzt überlege ich es mir doch noch einmal..
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Katja
Na ja, es gibt ja auch viele positive Stimmen. Mir was's halt zu platt, oberflächlich und klischeehaft, außerdem wenig fokussiert. Andere finden diesen Stil aber gut...also...
LöschenOh weh...ich habe es mir gerade aus der Bücherei geholt...naja, ich werde es trotzdem lesen...bzw. beginnen...mal sehen.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Martina
Hallo Sarah,
AntwortenLöschennun ich eigentlich auch nur gutes gelesen ..komischer oder?
Ja, was macht man da?
LG..Karin...
Ich habe jetzt auch schon einige kritischere Rezensionen gelesen, aber natürlich auch viele positive. Vielleicht muss man ihren Stil mögen (ich mag ihn halt nicht) und alle anderen Bücher von ihr gelesen haben, denn auch wenn sie nicht wie eine Reihe aussehen, kommen manche Figuren wohl auch in anderen vor, die für mich dann in diesem Buch einfach deplatziert fand, weil ich sie nicht kannte.
LöschenIch habe das Buch in einer Leserunde bei Lovelybooks gelesen, die von der Autorin begleitet wurde und sie hat da versucht einiges zu erklären, was vielleicht nicht nötig ist, wenn man die anderen Bände kennt...
Hallo Sarah,
LöschenO.K. das erklärt einiges.....
Danke für die Info-.
LG..Karin...
Ich stimme Dir da völlig zu, fand es auch nicht gut. Ich hänge mal meine Rezi an.
AntwortenLöschenhttp://steffischaaf.wordpress.com/2013/02/05/rezension-sabine-thiesler-bewusstlos/