Montag, 3. September 2012

Rezension zu "Schloss der Engel" von Jessica und Diana Itterheim



 Unausgereifter Kitsch

"Schloss der Engel" ist der Auftakt zu einer Fantasy-Trilogie für Jugendliche, geschrieben von dem Mutter-Tochter-Autorenduo Jessica und Diana Itterheim. Mich hat es zum einen durch die schöne Covergestaltung angesprochen und zum anderen auch dadurch, dass ich viel aus dem Bereich Contemporary/Urban-Fantasy mit Liebesgeschichte, auch aus dem Jugendbuchbereich, lese und ich die Beschreibung sowie die Wahl der Engel als fantastische Wesen durchaus viel versprechend fand. Im Nachhinein kann ich aber nur noch sagen, dass dieses Buch nicht nur eine große Enttäuschung war, sondern auch das Schlechteste, was ich seit langem gelesen habe.

Inhalt: Die 16jährige Linde, genannt Lynn, lebt mit ihrer Familie eigentlich seit ein paar Jahren in Italien, doch jetzt soll sie auf einem Internat in Deutschland ihr Abitur machen. Dort angekommen sieht sie zum ersten Mal den geheimnisvollen, gutaussehenden Mann, der jedoch plötzlich wieder verschwunden ist. Einen Tag später sieht sie in wieder und er stellt sich als ihr Tutor Christopher vor - sofort ist Lynn verliebt, auch als sie erfährt, dass Christopher ein Engel - ein Racheengel - ist und sie auf keiner normalen Schule mehr ist, sondern im Schloss der Engel. Während die Liebe zwischen den beiden erwacht, gerät Lynn mitten hinein in einen gefährlichen Kampf...

Eigentlich könnte ich diese Rezension jetzt mit einem einzigen Satz beenden: Es war einfach alles schlecht. Da ich das aber gerne ein wenig genauer ausführen würde, widme ich mich zunächst einmal den Charakteren. Es ist der klassische Aufbau, der mittlerweile aus vielen ähnlichen Büchern bekannt sein sollte. Normales, unsicheres Mädchen verliebt sich in absolut perfekten Jungen mit übernatürlichen Fähigkeiten, der sie zwar auch liebt, sie aber zunächst abweist, weil er für sie auch eine Gefahr darstellt.
Zu diesem 08/15-Muster kommt aber noch hinzu, dass weder Lynn noch Christopher einen besonders glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Ich könnte die Charaktere jetzt oberflächlich nennen, aber selbst das wäre noch zu positiv. Lynn könnte ebenso gut aus fünf verschiedenen Figuren bestehen, die zwar äußerlich alle gleich, charakterlich aber so grundsätzlich verschieden sind, dass sie sich nicht zu einem schlüssigen Gesamtbild vereinen lassen. Sie ist nicht nur naiv und unerträglich dumm, sie ist auch mal ein ständig wimmerndes Häufchen Selbstmitleid, dann ein hilfloses Häschen, das gerettet werden muss - und zwar andauernd - und dann wieder eine frustrierende Super-Zicke, mit der man sich nicht einmal im selben Raum aufhalten möchte. Christopher dagegen ist so perfekt wie langweilig. Wie nach Drehbuch gibt er zwischendurch mal kurz den bösen Jungen, um dann wieder seine - warum auch immer - geliebte Super-Zicke zu retten und auf Händen zu tragen. Alle anderen Charaktere sind so blass, dass sie nicht einmal eine Erwähnung wert sind.

Der Verlauf der Handlung und die Entwicklung der Liebesgeschichte sind ebenso wenig gelungen. Ersteres hat noch ein, zwei kurze Lichtblicke, die wahrscheinlich meinen Optimismus (verflucht sei er) beflügelt haben und mich das Buch zu Ende lesen ließen, aber die Liebesgeschichte war - selbst im Vergleich zu dem gewöhnlichen Kitsch-Maß solcher Bücher - einfach nur grotesk. Lynn ist fast sofort unsterblich verliebt in Christopher und jammert unentwegt herum, dass er sie nicht auch so sehr lieben würde wie sie ihn...während ich mehrmals zurückgeblättert habe, um herauszufinden, wann diese "große Liebe" passiert ist. Das konnte ich doch nicht einfach verpasst haben? Nein, hatte ich auch nicht, denn es gibt absolut nichts, rein gar nichts, in den wenigen Begegnungen der beiden, was die Gefühlsausbrüche der Ich-Erzählerin erklären könnte. Christopher ist am Anfang nicht einmal besonders freundlich zu ihr, er sieht einfach nur perfekt aus. Das reicht offenbar mittlerweile schon für die große Liebesgeschichte. Absolut unglaubwürdig und in jedem Element unerträglich kitschig!

Bei der restlichen Handlung fällt besonders Lynns Naivität und durchgehende Dummheit ins Gewicht, ohne die nichts an diesem Buch funktionieren würde. Madame Ohne-Hirn läuft in die Gefahr hinein, muss gerettet werden, bricht in Tränen und Liebesbekundungen aus und spult das ganze gleich wieder von vorn ab. Eigentlich beginnt ihre Dummheit allerdings schon bei ihrer Ankunft im "Schloss der Engel", das sie zunächst noch für ihr ganz normales Internat hält. Zwar sollte jedem Mädchen mit halbwegs intakten grauen Zellen sofort auffallen, dass man sich ausschließlich mit Fächern wie Bogenschießen, Chorgesang und Mentaltraining wohl kaum auf dem Weg zum deutschen Abitur befinden kann, aber wozu sich darüber wundern, geschweige denn mal nachfragen, wenn man auch einfach nicht zuhören und uninformiert durch die Gegend stolzieren kann?

Zu guter Letzt zum Schreibstil der Autorinnen. Freundlich ausgedrückt ist er unauffällig, also sprachlich weder herausragend noch komplett unleserlich und insgesamt für die empfohlene Altersgruppe angemessen. Was aber leider dann doch auffällt, ist die Geschwindigkeit, mit der erzählt wird. Die Figuren bekommen keine Hintergrundgeschichten, die Ich-Erzählerin läuft von einem Ereignis zum nächsten, ohne einmal innezuhalten und zu reflektieren, und was dabei vor allem zu kurz kommt, sind die Details und die Beschreibungen, welche die Atmosphäre eines Buches ausmachen. Es hat mich alles so sehr kalt gelassen, dass ich mich bei der kitschigen Liebesgeschichte nicht einmal fremdgeschämt habe - und, wenn sich bei mir auch manchmal bei zu viel Kitsch keine Schmetterlinge im Bauch regen wollen, Fremdschämen kann ich eigentlich immer. Aber hier: nichts. Ich konnte nicht in die Geschichte oder die Figuren eintauchen - trotz Ich-Erzählerin. Ich blieb der distanzierte Leser und war mir dessen auch die ganze Zeit über bewusst, was das Buch vor allem emotional vollkommen langweilig machte.

Fazit: Für mich die Enttäuschung des Jahres. Der Plot hat keinen Reiz, die Charaktere sind unausgereift und die Liebesgeschichte einfach an den Haaren herbeigezogen. Ich bereue es, dieses Buch überhaupt in die Hand genommen zu haben und noch mehr bereue ich, dass meine optimistische Ader nicht aufhören wollte auf eine gute Wendung zu hoffen, sodass ich das Buch nicht einmal vorzeitig abgebrochen, sondern es mir bis zum vor Kitsch triefenden Ende angetan habe. Ich werde die Reihe bestimmt nicht weiterverfolgen und kann dieses Buch auch nicht weiterempfehlen. 1 Stern (weil es keine 0 Sterne gibt).


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Allgemeine Informationen

Ausgabe: Taschenbuch, Juli 2012
Seiten:400
Verlag : Aufbau Taschenbuch
ISBN: 978-3746628554
Preis: € [D] 12.99

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage



4 Kommentare:

  1. Ich hoffe, du erholst dich schnell von der Madame Ohne-Hirn. :)

    Ich glaube, ich werde "Romantasy"-Bücher erstmal nicht mehr kaufen, zu viel Kitsch ist nicht gut für den Geist.^^

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  2. Ich hab schon sooo viel schlechtes über dieses Buch gelesen, dass es schon fast wieder einen Reiz auslöst, das Buch doch auch mal zu lesen :D

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  3. Über deine glaubwürde Rezi musste ich erst einmal herzlich lachen. Hoffentlich gibt es bald wieder einen lesemäßigen Lichtblick für dich!

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  4. Ich habe deine Rezi eben bei Facebook verlinkt gefunden (unter meiner) und war begeistert, mit meiner damals als ich es gelesen habe, noch alleinigen Meinung zu stehen, dass es schlecht ist. Inzwischen hat sich aber der Kreis der Verrisse doch deutlich vergrößert und ich finde es gut, dass ich ziemlich genau das Gleiche zu bemängeln hatte wie Du.

    Viele Grüße und tolle Besprechung ;)

    Morgaine

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