Mittwoch, 29. August 2012

Rezension zu "Die Enklave" von Ann Aguirre


 Starker Anfang, schwaches Ende

"Die Enklave" von Ann Aguirre ist der Auftakt einer Trilogie, die zunächst dystopische Elemente besaß, sich dann aber doch eher in Richtung Endzeit-Roman entwickelte. 

Inhalt: Zwei lebt in einer Enklave in den alten U-Bahn-Tunneln von New York City. Sie ist in diesen Tunneln, in denen keiner wirklich alt wird, geboren und von den Ältesten weiß sie nur ein: "Oben" kann man nicht überleben - warum weiß keiner mehr. Gerade hat Zwei in einer Zeremonie ihren Namen bekommen und wurde zur Jägerin ernannt. Ihr Partner bei der Jagd ist ausgerechnet Bleich, den keiner in der Enklave wirklich einschätzen kann, denn als einziger ist er nicht in der dort zur Welt gekommen, sondern wurde verwahrlost in den Tunneln gefunden - er behauptet sogar von der Oberfläche zu kommen, doch das glaubt ihm niemand.
Die Aufgabe der beiden besteht darin in den Tunneln nach Nahrung zu suchen und ihr zu Hause vor den "Freaks" zu beschützen. Doch diese Wesen, von denen man nur noch erahnen kann, dass sie mit den Menschen verwandt sind, werden schlauer und die Verteidigung schwieriger. Doch dann passiert das unfassbare: Zwei wird eines Verbrechens angeklagt und verbannt. Bleich zögert nicht sich ihr anzuschließen und gemeinsam verlassen sie die Tunnel. Was werden sie dort oben finden?

Die erste Hälfte, die Hälfte in den dunklen, gruseligen Tunneln, hat mir sehr gut gefallen. Hier präsentiert die Autorin eine sehr gut durchdachte, bedrückende Dystopie in Form einer unterirdischen Enklave, geführt von Ältesten, die kein Mitleid kennen und vor allem streng auf die Einhaltung ihrer Regel achten. Die Aufgaben sind eindeutig verteilt. Es gibt Jäger, zu denen nun auch Zwei gehört, Schaffer, die Gegenstände herstellen, und Zeuger, die für Nachwuchs sorgen. Ansonsten sind Beziehungen und vieles andere verboten. Dennoch kommen Zwei und Bleich sich in den Tunneln, auf ihren einsamen Streifzügen, etwas näher - doch die Grenzen halten sie ein. Mit den "Freaks" schafft die Autorin in dieser unterirdischen Welt eine Bedrohung von außen, mit den Ältesten und einer möglichen Rebellion eine prekäre Situation im Inneren.

Auch die Charaktere "unten" überzeugen. Die Ich-Erzählerin Zwei, die nichts anderes kennt als die Tunnel und Stolz ist, eine Jägerin geworden zu sein. Schnell wird der Unterschied zu ihrem Partner Bleich klar: Zwei achtet ängstlich darauf, die Regeln nicht zu verletzten, Bleich achtet darauf, nicht aufzufallen. Er bleibt in der Enklave der Außenseiter, was die Partnerschaft der beiden für Zwei ohnehin schon gefährlich macht, denn Bleich bekommt nie die einfachen Aufträge und sie muss ihn begleiten. Und auch wenn Zwei ihm nicht glauben kann, dass er oben gelebt hat, wie auch die Ältesten ihm das nicht glauben, wird er dennoch ihr engster Vertrauter und weckt Zweifel in ihr. Die Beziehung der beiden ist, solange sie unter der Erde sind, sehr behutsam, entwickelt sich langsam, aber glaubhaft und die schrittweise Annäherung, war interessant zu verfolgen.

Doch dann verlassen Zwei und Bleich die Tunnel und, während sie ihre Protagonisten an die Oberfläche schickt, lässt die Autorin die Dystopie, diese wunderbare aufgebaute unterirdische Welt, mit allen Ansätzen von Rebellion und den ersten Zeichen von Veränderung, einfach fallen und überlässt sie ihrem eigenen Schicksal, das mit der Ich-Erzählerin plötzlich nicht mehr verbunden ist. Mit dem Verlust dieses interessanten Gesellschaftssystems verliert der Roman auch fast alles andere, was ich als interessant bezeichnen könnte. Die Beziehung zwischen Bleich und Zwei entwickelt sich nicht mehr, neu hinzukommende Charaktere sind bestenfalls langweilig, wenn sie nicht gar völlig deplatziert wirken, und nicht einmal die actionreichen Kämpfe haben eine ähnliche Intensität wie "unten". 

Einzig Zweis Entwicklung, die Art, wie sie all das Neue entdeckt, was an der Oberfläche auf sie wartet, war noch halbwegs lesenswert. Ansonsten dümpelte die Handlung vor sich hin und wirkte zudem noch etwas konstruiert, denn obwohl Zwei und Bleich sich nun in einer viel größeren Welt bewegen, werden sie aufgespürt, als würde eine Leuchtreklame über ihren Köpfen schweben. Das wirkte alles nicht mehr glaubwürdig.
Schon bald, nachdem die beiden an die Oberfläche kamen, erinnerte mich das Buch auch immer mehr an den Hollywood-Film "I am Legend" - und ich hoffte, das sei ein vorübergehender Eindruck und das Ende des Buches würde nicht ebenso aus der Luft gegriffen sein, wie das Ende dieses Films. Aber meine Hoffnung wurde enttäuscht, denn wo vorher rationale Entscheidungen und unerbittliche Kämpfe entscheidend waren, führten letztendlich wirre Halluzinationen ohne erkennbare Logik zum - vorerst - rettenden Ziel. Das konnte ich nicht mehr nachvollziehen.

 Sprachlich fand ich "Die Enklave" ansprechend, denn durch die Ich-Perspektive ist man als Leser nah am Geschehen und Zwei ist zudem ein gelungener Charakter, der über weite Teil des Buches überzeugen konnte. Das Ende hat mich zwar nicht überzeugt, aber es lässt noch Raum für eine Weiterentwicklung in den Folgebänden der Trilogie, auf die ich insgeheim hoffe - denn der Stand der Beziehung zwischen Zwei und Bleich kann einfach nicht so stehen bleiben, es muss noch einen Weg geben aus den Anfängen einer Liebesgeschichte etwas zu machen, was diese Bezeichnung auch verdient hat.

Fazit: Es beginnt mit einer faszinierenden Dystopie, der unvorstellbaren Idee einer Gesellschaft, die seit Generationen unter der Erde lebt und strenge Regeln eiskalt durchsetzt. Leider wird dieser Ansatz sehr plötzlich fallen gelassen und, obwohl es sich zunächst interessant anhört, dass Zwei und Bleich die Oberfläche aufsuchen, findet sich dort oben kein spannender, überzeugender Ersatz mehr für den aufgegebenen Plot der ersten Hälfte. Daher leider nur 3 Sterne.


Die "Razorland"-Trilogie (mit Links zu Amazon.de)
  1. "Die Enklave" (Mai 2011, engl. Originaltitel: "Enclave")
  2. noch nicht bekannt (engl. Originaltitel: "Outpost")
  3. noch nicht bekannt

Allgemeine Informationen

Ausgabe: Klappenbroschur
Seiten: 352
Verlag : Blanvalet
ISBN: 978-3442268122
Preis: € [D] 14.00

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage

2 Kommentare:

  1. Vielen Dank für die Rezi! Das Buch könnte was für mich ein, ich werde es auf jeden Fall im Auge behalten und weiter verfolgen.

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  2. Schade, dass es in der letzten Hälfte so abnimmt :/
    Normalerweise ist ja meistens andersrum :D
    Naja, das Buch subbt bei mir noch, aber ich werds mir trotzdem bald mal ansehen und rein lesen!

    Liebe Grüße
    Jana

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