Selbst für ein Märchen zu kitschig
"Weiß wie Schnee, Rot wie Blut,
Grün vor Neid" von Gabriella Engelmann, als Hörbuch gelesen
von Cosma Shiva Hagen, ist der Versuch einer modernen
Schneewittchen-Version. Ich habe mir davon recht viel versprochen, da
ich schon viele begeisterte Stimmen gehört hatte.
Inhalt: Sarahs Vater muss aus
beruflichen Gründen oft verreisen. Das schöne Mädchen, das kurz
vor einem Modelvertrag steht, lebt dann bei seiner Stiefmutter Bella.
Diese träumt aber selbst davon, die Schönste zu sein und nutzt alte
Kontakte, um Sarah verschwinden zu lassen, doch das Mädchen kommt
bei den "Zwergen" unter...
Um mit dem anzufangen, was mir bei
diesem Hörbuch mit Sicherheit positiv aufgefallen ist, muss ich
zunächst die Sprecherin loben. Cosma Shiva Hagen kannte ich als
Hörbuch-Sprecherin bisher nicht, finde sie aber sehr überzeugend.
Die Stimme ist angenehm, der jeweiligen Situation angepasst, gut
akzentuiert und sehr flüssig. Ebenfalls überzeugen konnte das
Sprachniveau dieser Märchenadaption, das zwar der jugendlichen
Zielgruppe angepasst einfach gehalten, aber in sich stimmig ist. Es
gibt zwei verschiedene Perspektiven: Sarah als Ich-Erzählerin und
Bella, die Stiefmutter, in der dritten Person, wobei in diesen
Kapiteln ganz unpersönlich von "der Frau" und "dem
Mädchen" gesprochen wird. Diesen Wechsel fand ich sehr gelungen
und besonders die sehr ungewöhnliche Umsetzung der unpersönlichen
Perspektive in den Kapiteln der Stiefmutter ist recht einzigartig und
interessant.
Inhaltlich musste ich mir mehrfach vor
Augen führen, dass es sich bei "Weiß wie Schnee, Rot wie Blut,
Grün vor Neid" erstens um eine Märchenadaption und zweitens um
ein Jugendbuch handelt. Dennoch konnte es mich nicht richtig
überzeugen.
Zuerst einmal sind die Figuren alle
sehr schwarz-weiß gezeichnet. Die Stiefmutter ist durch und durch
die "Böse", Sarah ist die ebenso vollkommene "Gute".
Das reicht nicht nur von soweit, dass Sarah einfach nett und
freundlich ist und immer versucht es allen recht zu machen, nein, sie
ist auch noch tierlieb, protestiert gegen die böse Kosmetikindustrie
und kauft, zusammen mit den "Zwergen", eine WG aus sieben
Freunden, nur noch Bio-Gemüse.
Sie ist also so etwas wie eine ziemlich
verkitschte Instanz moralischer Unantastbarkeit und, obwohl ich schon
einiges dieser charakterlichen Eintönigkeit der Rolle des Buches als
Märchenadaption zuschreibe und damit mehr toleriere, als ich es bei
anderen Romanen würde, konnte es mich nicht unterhalten, da die
Charaktere nicht echt wirkten. Märchenfiguren sind meistens relativ
stereotyp in Gut und Böse unterteilt, aber, wenn Schneewittchen
schon seinen Weg in die reale Welt gefunden hat, warum dann nicht
auch mit einer realen Persönlichkeit? Oder wenigstens mit einer ein
bisschen weniger perfekten?
Auch die WG der Zwerge ist recht
langweilig. Ecken und Kanten fehlen der Geschichte vollständig,
glaubhaft ist an ihr nichts. Leider verhält sich auch niemand so,
wie man es im realen Leben erwarten würde, die Polizei wird nie
eingeschaltet und Sarah ist fürchterlich naiv. Die Liebesgeschichte
konnte nicht punkten, da sie kaum greifbar war und sehr konstruiert
wirkte. Der Traumtyp verhielt sich seltsam und war als solcher kaum
greifbar. Erst war er da, dann war er wieder weg. Ich war sowohl von
der Ich-Erzählerin als auch von der Realitätsferne dieses doch
angeblich modernen Märchens oft genervt und leider auch gelangweilt.
Fazit: Gut hörbar, aber für mich zu
kitschig mit zu perfekten, stereotypen Charakteren. Da es eine
moderne Schneewittchen-, und damit Märchenversion ist, konnte ich
ein wenig über den Kitsch hinwegsehen, langweilig und unglaubhaft
war es dennoch manchmal. 3 Sterne.
Allgemeine Informationen
Ausgabe: Audio CD (2010)
Sprecherin: Cosma Shiva Hagen
Sprecherin: Cosma Shiva Hagen
Laufzeit: 204 min (3 CDs)
Verlag:Der Audio Verlag
ISBN: 978-3862310203
Preis: € [D] 14.99 (UVP)
Hörprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage
"Weiß wie Schnee, Rot wie Blut, Grün vor Neid" von Gabriella Engelmann bei Amazon
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Ich fand "Goldmarie auf Wolke 7" auch net sooo toll, weil ständig auf Märchen hingewiesen wurde und die Protagonistin und ihre Freundin haben die älter Frau gleich von Anfang an Frau Holle genannt, obwohl sie nicht so viel Ähnlichkeit hatte, dass jeder normale Mensch und vor allem Teenager dadrauf kommt.
AntwortenLöschenDas war hier mit den "Zwergen" ähnlich. Die WG der sieben jungen Männer hat sich sogar selbst so genannt ^^
LöschenIch kann dir nur recht geben und habe das Hörbuch genauso bewertet. Natürlich darf eine Märchenadaption bis zu einem gewissen Punkt vorhersehbar sein, aber Sarah war wirklich so naiv und hat sich so unrealistisch verhalten, dass sie mir mächtig auf den Keks ging.
AntwortenLöschen"Hundert Jahre ungeküsst" hat mir von der Autorin besser gefallen ;).
Liebe Grüße
Charlie