Montag, 13. August 2012

Rezension zu "3:46 Uhr - ein protokollarischer Roman" von Masi de Sol


Was passiert an einem einzigen Tag?

Als ich "3:46 Uhr - Ein protokollarischer Roman" von Masi de Sol in die Hand nahm, war ich nicht sicher, was ich hier erwarten würde. Und obwohl es mir auch nach dem Lesen noch schwerfällt, das Buch auf seinen Kern oder seine Aussage hin zusammenzufassen, hat es mir insgesamt doch recht gut gefallen.

Inhalt: Christian Moser führt ein recht eintöniges Leben. Er ist arbeitslos und auf Bewährung, sein Bewährungshelfer sitzt ihm mit allerlei Aufgaben und Erwartungen im Nacken, die zur Wiedereingliederung Mosers in die Gesellschaft führen sollen. Einen Tag seines Lebens dokumentiert Moser detailliert, beginnend mit dem Aufstehen um 7.23 Uhr. Was harmlos beginnt steigert sich und findet seinen tragisches Höhepunkt um 3.46 Uhr...

Die ersten Informationen, die der Leser erhält, stammen jedoch nicht von Moser selbst, sondern von seinem Bewährungshelfer Joachim R., der durch die Polizei in den Besitz von Mosers Tagesprotokoll kam. Schon hier erfahren wir, dass Christian Moser nicht mehr am Leben ist. Wie es dazu kam, ist zusammen mit der Frage, warum Moser überhaupt zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, eine der zentralen Fragen dieses Romans und sie halten die Spannung zudem recht hoch.

Das dann folgende Protokoll ist natürlich aus der Ich-Perspektive von Christian Moser selbst geschrieben und dieser ist ein schwieriger Charakter. Er wirkt auf der einen Seite sehr intelligent, ist wissbegierig und wortgewandt. Auf der anderen Seite steigert er sich in seiner alltäglichen Langeweile in die einfachsten Prozesse herein, lässt sich schnell ablenken, verliert sich in seiner Rage, die teilweise in grotesken und beängstigenden Gedankengängen endet. Der Autor unterstützt diese charakterlichen Eigenschaften Mosers durch seine wortgewaltige Sprache sehr gut. Manchmal ist sie ruhig, der Satzbau aufwendig, manchmal hektisch, blutig und regelrecht ekelhaft.

Mosers Alltag zu verfolgen wird dadurch zu einem Auf und Ab der Gefühle. Mal haben Mosers Gedankengänge eine beeindruckende Komik und ließen mich schmunzeln, ein anderes Mal hatte ich Mitleid mit diesem psychisch labilen, sozial isolierten und perspektivlosen Mann, der den Briefwechsel mit Behörden in die Länge zieht, um Kontakt zu Menschen zu haben, und dann war ich von ihm wieder restlos abgestoßen. Moser scheint auch die Menschen in seiner Umgebung erfolgreich zu vergraulen. Seine Freundin Tanja hat ihn verlassen, warum, dass ich eines der Geheimnisse im Roman, die Moser sich für den Höhepunkt seines Tagesprotokolls aufhebt. Verabredungen hält er ebenfalls nicht ein, sein Bewährungshelfer verzweifelt an ihm und ist dadurch auch eines der begehrtesten Opfer von Mosers Wutausbrüchen. Moser reflektiert gerne darüber, was bei ihm schiefgelaufen ist, aber die Schuld findet er nie bei sich. Eine wirklich schwierige Persönlichkeit.

Durch den Schreibstil dieses Romans, durch die Wechsel in Mosers Persönlichkeit und die damit einhergehenden Stimmungsschwankungen bei mir als Leser war der Roman sehr spannend. Leider flachte die Spannung für mein Empfinden im Mittelteil etwas ab. Nach dem starken Anfangsteil und vor dem packenden, schockierenden Ende passierte einfach zu wenig, was mich an das Buch fesseln konnte, sodass hier eine vergleichsweise lange Lesepause zustande kam.

Fazit: Ein etwas wirrer Roman, der einzig von der Persönlichkeit seiner Hauptfigur Christian Moser und der gewaltigen Sprache lebt. Zwischendurch leider etwas langatmig, aber ansonsten sehr mitreißend, absurd, grotesk und schockierend. Wer sich auf den Tagesablauf einer einsamen, gestörten Gestalt einlassen kann, wird hier sicher einen lesenswerten Roman vorfinden. 4 Sterne


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Allgemeine Informationen

Ausgabe: Broschiert, 28. November 2011
 Seiten: 196
Verlag : fhl Verlag Leipzig
ISBN:  978-3548283531
Preis: € [D] 11.95

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage


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