Freitag, 27. Januar 2012

Rezension zu "Scherbenmond" von Bettina Belitz



 Eine richtig miese Fortsetzung

Ich kann nicht sagen, dass ich "Splitterherz", den Auftakt der Trilogie von Bettina Belitz, geliebt habe. Ich fand ihn ok, hatte aber tatsächlich die Hoffnung, dass viele Fragen im zweiten Teil beantwortet werden würden und vor allem, dass die Hauptprotagonistin und Ich-Erzählerin Ellie Sturm mir ein bisschen weniger auf die Nerven fallen würde. Jetzt habe ich - und ich muss fast sagen "leider" - den zweiten Teil, "Scherbenmond", gelesen und bin abgesehen von kurzen Lichtblicken hier und da wirklich geschockt darüber, wie mies diese Fortsetzung doch ist.

Aber bevor ich mich im Detail auslasse, erstmal kurz zum Inhalt: Es ist Winter. Ellie hat ihr Abitur gemacht, doch ihr Vater ist verschwunden und hat seit Monaten keinen Kontakt mehr zu ihr oder ihrer Mutter aufgenommen, und auch Colin ist nicht wieder aufgetaucht. Dann zeigt Ellies Mutter ihr einen Brief von ihrem Vater, den er vor seiner Abreise für die beiden hinterlassen hat und in dem er Ellie auffordert ihren Bruder Paul in Hamburg zu besuchen und in seiner Wohnung den Schlüssel zu dem geheimnisvollen Safe ihres Vaters zu suchen, was sie dann auch tut. Doch Paul hat sich sehr verändert, ist sehr träge geworden und führt über dies anscheinend eine Beziehung zu einem Mann...

Auf den ersten 50 Seiten von "Scherbenmond" war ich zunächst überrascht und musste versuchen, mich zurückzuerinnern, was mich an "Splitterherz" denn so gestört hatte? Die Ich-Erzählerin Ellie ist doch ganz spritzig, unterhält mit viel Sprachwitz und der lockere Schreibstil ist angenehm zu lesen. Aber dann traf mich die Erinnerung bei Ellies Autofahrt nach Hamburg wie ein Blitzschlag: Ellie ist eine nahezu lebensunfähige, ständig hysterische, dumme Trulla, die aus heiterem Himmel ausrastet, rumheult und die einfachsten Dinge nicht auf die Reihe bekommt (Auto fahren zählt dazu - wie soll diese angeblich 18jährige jemals eine Fahrprüfung bestanden haben?).

Gut, für Ellies überdurchschnittliche Sensibilität findet die Autorin ganz schnell eine medizinische Erklärung, aber muss ich diese auch für Dummheit und Naivität hinnehmen? Außerdem - abgesehen davon, dass Ellies unberechenbare Gefühlsausbrüche keinen Gewinn für die Handlung darstellen - scheint mir der Charakter der Ich-Erzählerin einfach nur noch unglaubwürdig. Fehlkonzipiert!
Denn sie benimmt sich einfach ganz anderes, als sie in der Geschichte verkauft wird. Sie soll eine Einser-Abiturientin sein, die es auf die Reihe kriegt trotz schweren Liebeskummers wegen Colins Flucht und schlimmer Sorgen um ihren Vater nahezu perfekte Prüfungen abzulegen. Außerdem wird ihr von jedem immer wieder bescheinigt, wie gut sie sich für ein (natur)wissenschaftliches Studium eignen würde, da sie so hervorragend logisch denken könnte. Diese angebliche Fähigkeit zum logischen Denken spielt auch beim großen Finale des Romans eine große Rolle, da Colin und Tillmann ihre Zweifel in vielen Situationen angeblich vorausahnen konnten - als logische Konsequenz von Ellies "noch-mal-drüber-nachdenken".

Nur, wenn man das genau betrachtet, hat das, was Ellie so den lieben langen Tag tut, mit logischem Denken einfach rein gar nichts zu tun. Und mit Intelligenz auch nicht. Sie benimmt sich wie der Elefant im Porzellanladen, immer dumm, immer anstrengend und reagiert aufgrund eines - O-Ton - "Gefühls" von einem auf den anderen Moment völlig über. Ich habe mich irgendwann gefragt, ob die Ellie, die von den Protagonisten im Buch so unablässlig gelobt wird und trotz aller Widrigkeiten ein Einser-Abitur geschafft hat, tatsächlich dieselbe Person ist wie die, die ständig hysterisch rumheult. Für mich passt an diesem Charakter nichts zusammen. Ich empfinde es als wildes Kuddel-Muddel angeblicher Eigenschaften, das frei von jedem Konzept und ohne Sinn und Verstand irgendwie zusammengeklöppelt wurde, und das macht mir einfach den ganzen Roman kaputt, weil ich so viele Widersprüche einfach unglaubwürdig finde und kaum ertragen kann.

Dazu kommt die sehr gezogene Handlung, die durch eine Vielzahl von unverknüpften Handlungssträngen immer wieder unterbrochen, neu aufgenommen und durcheinandergewürfelt wird. Zuerst geht es Ellie um die Suche nach ihrem Vater, dann prescht (im wahrsten Sinne des Wortes) ein neuer Handlungsabschnitt auf dem Rücken eines Pferdes herbei, verschwindet wieder und macht erst der alten und dann noch einer neuen Haupthandlung Platz. So ist auch die Geschichte selbst ein Durcheinander, das nebenbei auch von vielen Wiederholungen lebt. Gedanken, Dialoge (die übrigens oft mehr als unsinnig und unnatürlich wirken) und Beschreibungen werden immer wieder hochgekramt. Das langweilt und bis endlich Spannung aufkam, hat es mehr als 500 Seiten gedauert, was einfach daran lag, dass die Handlung nicht auf den Punkt gebracht wurde, sondern man sich stattdessen lieber immer im Kreis drehte.

Die Auflösung des Geheimnisses um Ellies Bruder Paul, das mit der Zeit die Suche nach ihrem Vater als Haupthandlung ablöste, ist dabei auch nicht wirklich überraschend. Ohne, dass ich verraten möchte, worum es in diesem Geheimnis überhaupt geht, kann ich nur sagen: Die als großer Schockmoment präsentierte Entschlüsselung beim Anschauen des Beweisvideos war für mich nur ein Achselzucken, denn ich hatte es mehrere 100 Seiten lang vermutet - und nehme an, dass es so ziemlich jedem anderen Leser ähnlich gehen müsste. Es ist einfach zu offensichtlich und eine Schande, dass es dennoch so lange dauert, bis die Protagonisten den Leser in Sachen Wissensstand endlich eingeholt haben.

Die Liebesgeschichte zwischen Ellie und dem Nachtmahr Colin hat nach wie vor was - auch wenn ein beachtlicher Teil dieses "was" für mich "befremdlich" bedeutet. Dennoch ist der Roman an den Stellen, wo die wirre Handlung sich dann mal dazu herablässt die Beziehung der beiden zu thematisieren, am packensten und verbreitet ein bisschen Kribbeln bei mir als Leser. Leider sind diese Passagen aber viel zu kurz und auch der einzige wirklich überzeugende Charakter Tillmann kann die ansonsten entstehenden Längen des Romans auch nicht mehr wettmachen.

Ein paar der offen gebliebenen Fragen aus "Splitterherz" wurden zwar beantwortet, aber gerade im Bezug auf Ellies Vater fand ich dieses Buch trotz fast 700 langen, langen Seiten mehr als unbefriedigend. Ich stehe jetzt vor dem Dilemma, dass ich den dritten Teil bereits zu Hause stehen habe und gerne wissen würde, wie es endet, aber nicht weiß, ob ich noch einen Teil mit "Prinzessin-auf-mindestens-1000-Erbsen"-Ellie und ihrer quengeligen, dummen, hysterischen, irrationalen Art ertragen kann. Schade...

Mein Fazit: Meine Hoffnung, dass Teil zwei besser werden könnte als Teil eins, hat sich ins Gegenteil gewandelt. Das war eine richtig miese Fortsetzung mit anstrengender - und ich gehe sogar soweit zu sagen unglaubwürdiger und schlecht durchdachter - Ich-Erzählerin, zu wenig Spannung und oft frustrierend wirrer Handlung. Der zweite Stern ist nur durch wenige fesselnde Momente und einen guten Nebencharakter gerechtfertigt. Der Rest ist Müll und ich würde vom Lesen abraten.


Trilogie (mit Links zu Amazon.de)
  1. "Splitterherz" (Jan. 2010)
  2. "Scherbenmond" (Jan. 2011)
  3. "Dornenkuss" (Nov. 2011)

2 Kommentare:

  1. Halli hallo
    Also du machst mir ja nicht gerade Mut!!
    Ich habe Splitterherz letztes Jahr gelesen und wurde damals angefixt von Kossis Video. Eigentlich ist dieses Genre überhaupt nicht mein Fall, aber da Kossi soooo begeistert war ( sie mag ja Vampiere und Co auch nicht) dachte ich o.k. ich wage es. Konnte Band 1 und 2 billig ersteigern ( schliesslich wollte ich ja sofort weiterlesen!) und den dritten kaufte ich mir neu. Und dann.... war nicht so mein Fall der Schreibstil ist recht gewöhnungsbedürftig und auch langatmig und passieren tut auch eher wenig. Bei Scherbenmond habe ich dann kurz mal angefangen es dann aber zur Seite gelegt. Trotz allem möchte ich natürliche wissen wies weitergeht aber.... es fällt mir schwer mich zu motivieren schliesslich hat das Buch auch nicht gerade wenig Seiten!!!!
    Du siehst mir geht es ähnlich wie dir nur, dass ich noch zwei Bände lesen " muss" !!!!
    Liebe Grüsse aus der Schweiz
    Bea

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    1. Ja, was soll ich sagen. Die Bücher waren nicht meins. Beim dritten hat das "muss" dann auch versagt. Ich habe es angefangen und nach wenigen Seiten aufgegeben. Zum Glück hatte ich es aus der Bücherei geliehen. Vielleicht versuche ich es irgendwann noch einmal. Vielleicht...

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